Das Gespenst des eingebetteten Journalismus
in einer unipolaren Weltordnung
Von Abbey Makoe
Abbey Makoe ist Gründer und Herausgeber des südafrikanischen
Global South Media Network. Den folgenden Vortrag hielt er an 12. Juli per
Videoschaltung in der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts. (Übersetzung
aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurde von der Redaktion
hinzugefügt.)
Zuallererst möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Frau Helga Zepp-LaRouche
meine tiefe persönliche Dankbarkeit für die Einladung zum Ausdruck zu bringen.
Als wir uns vor einigen Monaten in China zum ersten Mal trafen, wurde deutlich,
daß wir zwar nicht in allem übereinstimmen, aber daß unsere gemeinsame
Weltsicht, die den Frieden dem Krieg vorzieht, der Kitt sein würde, der die
Zusammenarbeit und das neue Band zusammenhält. Auch ich grüße alle
Teilnehmer.
Das Schiller-Institut – und das ist sein großes Verdienst – bleibt standhaft
in seinem Bestreben, Möglichkeiten auszuloten, die dazu beitragen könnten, der
Verschlechterung der globalen Beziehungen entgegenzuwirken.
Zu den Hauptzielen dieser Konferenz gehört, wie ich verstanden habe, die
Suche nach Möglichkeiten, Lyndon LaRouches Programm für den Wiederaufbau der
Weltwirtschaft, neue wissenschaftliche und technologische Grenzen, die Schönheit
kultureller Errungenschaften und nicht zuletzt die Bedeutung von Lyndon
LaRouches Ideen für die Gestaltung der nächsten fünfzig Jahre auf der Erde zu
verwirklichen.
Obwohl mir die Freiheit der Meinungsäußerung und des Denkens zugestanden
wurde, habe ich mich dafür entschieden, meinen Beitrag an den erklärten Zielen
des Schiller-Instituts auszurichten. Ich hoffe, daß mein Beitrag mit den
gewünschten Ergebnissen dieser Konferenz in Einklang gebracht werden kann.
Darüber hinaus ist es meine ausdrückliche Absicht, meine kritischen Gedanken mit
den allgemeinen Zielen und der Philosophie von Lyndon LaRouche in den
internationalen Beziehungen in Einklang zu bringen. Ich werde später auf
LaRouche zurückkommen, nachdem ich zunächst die Faktoren genannt habe, die die
Verwirklichung von LaRouches Ideen zu einer ständigen Fata Morgana machen.
Erlauben Sie mir jedoch, wenn Sie so wollen, gleich zu Beginn auf das Thema
einzugehen, wie oben beschrieben.
Die Aufgabe des Journalismus
Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß praktisch jeder in dieser Konferenz mit den
Grundlagen des Journalismus vertraut ist, einem Handwerk, das auf dem Ethos
beruht, Leser und Zuschauer zu informieren, zu bilden und ja, auch zu
unterhalten.
Aber wahrer Journalismus ist meiner Meinung nach derjenige, der vor allem die
Träger öffentlicher Ämter zur Rechenschaft zieht. Man könnte hinzufügen, daß
wahrer Journalismus kritisch mit der Macht umgehen sollte, unabhängig von der
Person des Amtsinhabers. Ich bin während der Apartheid in Südafrika geboren und
aufgewachsen und kenne daher Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Verfolgung nur
zu gut. Es ist dieser Hintergrund, der mich in meinen 35 Jahren als Journalist
inspiriert hat. Er hat mich dazu veranlaßt, mich zu jeder Zeit auf die Seite der
Schwachen gegen die Mächtigen zu stellen.
Diese Philosophie habe ich von dem verstorbenen Menschenrechtsanwalt George
Bizos gelernt, der Nelson Mandela im berühmten Rivonia-Prozeß vertrat und dazu
beitrug, daß Mandela und seine Kameraden zu lebenslanger Haft statt zum Tod
durch Erhängen verurteilt wurden. Jahre später vertrat Bizos die Familie des
Black Consciousness-Führers Steve Biko bei der Untersuchung von Bikos Tod. Biko
war zum Anführer des Befreiungskampfes geworden, nachdem Mandela und andere
politische Führer lebenslange Haftstrafen verbüßt hatten und andere Führer ins
Exil geflohen waren, um einen Guerillakrieg zu führen. Biko wurde im September
1977 in Polizeigewahrsam ermordet, und Bizos kämpfte gegen die Feststellung des
Staates an, daß niemand für Bikos Tod verantwortlich gemacht werden könne.
Bei Aktionen wie denen von Bizos in Südafrika oder des Schiller-Instituts in
Deutschland oder anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen, deren Modus
Operandi darin besteht, Gerechtigkeit zu suchen, wo sie verweigert wird, besteht
die Rolle des wahren Journalismus darin, sicherzustellen, daß die Öffentlichkeit
informiert und aufgeklärt wird. In der Sprache des Journalismus wird dies als
„öffentliches Interesse“ bezeichnet. Dieser Gedanke wird von dem Wunsch
angetrieben, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen.
Diese und viele andere Eigenschaften haben dem Journalismus historisch
gesehen einen besonderen Platz in der Gesellschaft verschafft und ihn als Vierte
Gewalt bezeichnet. In vielen Demokratien sind die Rechte einer freien Presse
gesetzlich verankert. Aber das Aufkommen des eingebetteten Journalismus im 21.
Jahrhundert bedroht die besondere Stellung des Journalismus in der
Gesellschaft.
Das Gespenst des eingebetteten Journalismus
Ich möchte den Ausbruch des Gespenstes des eingebetteten Journalismus bis ins
Jahr 2003 zurückverfolgen. Das war während der illegalen Invasion des Irak durch
die US-Regierung unter George W. Bush. Mit der bedingungslosen Unterstützung
Großbritanniens unter Premierminister Tony Blair schusterten die beiden
Staatsoberhäupter das zusammen, was sie als „Koalition der Willigen“
bezeichneten, als sie erkannten, daß die UNO in ihrem zweifelhaften Fall keine
militärische Invasion des Irak genehmigen würde. Aber Bush und Blair wollten die
Welt glauben machen, daß der irakische Präsident Saddam Hussein
Massenvernichtungswaffen besaß und entwaffnet und abgesetzt werden mußte.
Die Medien in den USA und im Vereinigten Königreich haben sich in boshafter
Weise, vielleicht sogar mit Freude, auf das Schreckgespenst des eingebetteten
Journalismus eingelassen. Auf diese Weise schufen sie einen Präzedenzfall. Die
Medien begannen, die Kunst zu erlernen und zu beherrschen, zu reinen
Staatspropagandisten zu werden. Sie berichteten nur noch die Versionen von
Militärsprechern und Regierungsvertretern, Schlag auf Schlag.
„Hinterfragen Sie die Autorität“ – diese Eigenschaft aus dem
Journalismus-Einmaleins, die in jedem Journalisten tief verwurzelt ist, wurde
seitdem über Bord geworfen. Bis zum heutigen Tag imitiert ein großer Teil der
westlichen Medien die außenpolitische Haltung ihrer Regierung. Sie halten sich
an das, was Shakespeare wie folgt beschrieben hätte: „Höre nichts Böses. Sieh
nichts Böses. Sprich nichts Böses.“ Dies ist das Mantra der westlichen Medien,
wenn es um ihre Regierungen geht. Und wenn es um die Medien in der Mehrheitswelt
geht, bestehen die westlichen Medien und ihre Regierungen darauf, daß die Medien
ihre Regierungen kritisieren müssen.
Wir alle wissen, daß Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen besaß.
Trotzdem haben sie ihn getötet. Bis zum heutigen Tag haben sich sowohl Bush als
auch Blair geweigert, sich für ihre Lügen gegenüber der Welt zu entschuldigen.
Statt dessen ist Blairs Lieblingssatz: „Die Welt ist ohne Saddam ein sicherer
Ort.“
Ich möchte nur zwei Beispiele für die Gefahren des eingebetteten Journalismus
anführen. Die Invasion des Irak ist das eine. Das andere ist sehr aktuell. Sie
findet statt, während wir hier sprechen. Die südafrikanische Regierung hat dem
Internationalen Gerichtshof mitgeteilt, daß Israel mit Unterstützung der USA,
Europas und des Westens einen Völkermord in Gaza begeht.
Mit Ausnahme von Al Jazeera, dem internationalen Fernsehsender in
arabischem Besitz, rechtfertigt der Rest der westlichen Mainstream-Medien
weiterhin Israels Vorgehen gegen die Palästinenser. Dies tun sie entweder im
Auftrag oder durch Unterlassung. Sie rechtfertigen die tägliche Tötung von
palästinensischen Männern, Frauen und Kindern unter dem Vorwand, daß Israel Jagd
auf die Hamas macht. In Krankenhäusern, UN-Zentren, Notunterkünften – überall
werden Palästinenser wahllos getötet, und zahlreiche Menschen bleiben unter
Trümmerhaufen gefangen. Darüber hinaus hat Israel den Zugang von Hilfsgütern
nach Gaza blockiert und damit den Hunger als Kriegswaffe eingesetzt. Seit
Oktober 2023 hat Israel nach Angaben des Internationalen Journalistenverbandes
184 palästinensische Journalisten und Medienmitarbeiter getötet.
Dennoch gibt es keinen internationalen Aufschrei im Westen. Das Vereinigte
Königreich hat vor kurzem eine pro-palästinensische Bürgergruppe verboten und
sie als terroristische Gruppe eingestuft, nachdem ihre Anhänger geparkte
Flugzeuge mit Farbe besprüht hatten. In den westlichen Medien gibt es nur eine
Flut von Interviews mit pro-israelischen Kommentatoren, die erklären, warum der
Krieg gegen Gaza legitim ist: Die Hamas sei böse und, wie der israelische
Premierminister Benjamin Netanjahu sage, werde der Angriff nicht aufhören, bis
die Hamas vollständig vernichtet ist.
Dieses Gespenst des eingebetteten Journalismus steht in krassem Gegensatz zu
den Grundsätzen der UN-Charta, die im Juni ihr 80jähriges Bestehen feierte.
Auf dem jüngsten BRICS-Gipfel in Brasilien sagte Präsident Lula, die Welt
erlebe den beispiellosen Zusammenbruch des Multilateralismus. „Das
internationale Recht ist ein leeres Wort geworden“, sagte Präsident Lula.
Meiner bescheidenen Meinung nach veranschaulicht nichts den Niedergang des
Multilateralismus und den Aufstieg einer unipolaren Weltordnung besser als die
derzeitige Verhängung von US-Zöllen gegen Länder in aller Welt, wodurch die
Rolle der WTO untergraben wird.
Und warum sind die von Washington einseitig verhängten Wirtschaftssanktionen
für alle Länder genauso verbindlich, als wären sie von der UNO verhängt
worden?
Abschließend möchte ich behaupten, daß es den modernen Medienmogulen
gelungen ist, den traditionellen Journalismus mit seinen furchtlosen Praktikern,
die das öffentliche Interesse über Profite und politische Manipulationen
stellen, zu vernichten.
Angesichts des Aufstiegs einer unipolaren Weltordnung, die durch das
beispiellose US-Zollregime gekennzeichnet ist, scheint >Lyndon LaRouches Traum
vom „Wiederaufbau der Weltwirtschaft“ noch in weiter Ferne zu liegen. In einer
globalisierten Welt, die miteinander verbunden und voneinander abhängig ist,
sollten neue wissenschaftliche und technologische Spitzenbereiche das Gefühl
eines globalen Dorfes erzeugen, in dem wir uns alle trotz unserer
Verschiedenheit gegenseitig umarmen. Statt dessen haben die technologischen
Durchbrüche die Kluft zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen, zwischen
den Reichen und den Armen, den Starken und den Schwachen, zwischen dem Globalen
Norden und dem Globalen Süden oder der Welt der Mehrheit vergrößert.
Selbst die Kultur, die nach LaRouches Wunsch zu einem Vehikel werden sollte,
das die Menschen zusammenbringt und sie voneinander lernen läßt, wurde vom
Westen als imperiales Werkzeug eingesetzt. Man könnte es Kulturimperialismus
nennen, bei dem alles, was nicht westlich ist, als rückständig oder
unzivilisiert angesehen und behandelt wird.
Lyndon LaRouches Ideen für die Gestaltung der nächsten fünfzig Jahre auf der
Erde mögen edel sein, wenn es um Gerechtigkeit und gleichen Zugang für alle, die
Beseitigung des Hungers und die Gesundheitsversorgung, Bildung und Sicherheit
für alle geht. Doch wenn die Gräben, die die Welt auseinanderreißen, immer
größer werden, könnte es in den nächsten 50 Jahren zu einer Zunahme der inneren
Unruhen zwischen den Nationen der Welt kommen. Da die NATO vor kurzem eine
Erhöhung ihrer Militärausgaben auf 5% des BIP beschlossen hat, ist es
offensichtlich, daß Europa in erster Linie an Krieg denkt und nicht an Frieden
und friedliche Koexistenz mit dem Rest der Weltgemeinschaft. Wie Präsident Lula
feststellte, ist es in Bezug auf die NATO-Länder „einfacher, in den Krieg zu
investieren als in den Frieden.“
Ich vermute daher, daß Lyndon LaRouche, der vom Himmel aus zusieht, sehr
entmutigt sein muß von der Welt, die mit jedem Tag weiter auseinanderdriftet,
anstatt die dringend benötigten Brücken zu bauen. Und ein wichtiger Faktor ist
der eingebettete Journalismus, der als Nachrichten getarnt Propaganda verbreitet
und die ahnungslose Öffentlichkeit verwirrt, während er durch unethische
Praktiken enorme Gewinne einfährt.
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