Kein Frieden in Afrika bedeutet:
nirgendwo ist Frieden
Von Prof. Mariano Nguema Esono Medja
Mariano Nguema Esono Medja ist Professor für Internationale
Beziehungen an der Nationalen Universität Äquatorialguinea. Im zweiten Abschnitt
der Pariser Konferenz der Solidarité et Progrès (S&P) und des
Schiller-Instituts am 8. November sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem
Spanischen.)
Sehr geehrte Teilnehmer dieser Konferenz in Paris,
zunächst einmal möchte ich dem Schiller-Institut von ganzem Herzen dafür
danken, daß es diese Konferenz der Rolle Afrikas und dem aktuellen Stand des
Friedens gewidmet hat. Dieses Unterfangen erforderte große Anstrengungen und
Engagement, um so viele denkende Köpfe zusammenzubringen und unsere
Denkfähigkeit auf die Herausforderungen anzuwenden, vor die uns die Welt heute
stellt.
Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen allen einige kurze Überlegungen zu teilen,
warum wir hier in Paris zusammengekommen sind, auch wenn mir ein Visum
verweigert wurde. Aber Gott sei Dank ermöglicht uns die Technologie, uns auch
aus der Ferne sehr nah zu fühlen. Dieser Prozeß wird sicherlich nicht
aufgehalten werden.
Wir sind zusammengekommen, um unter dem Titel „Afrika, eine globale Mehrheit,
gemeinsam für Frieden und Emanzipation“ Überlegungen auszutauschen, die zu
tiefen Reflexionen führen, die auf einem klaren Gewissen und gesundem
Menschenverstand beruhen, da wir soziale Wesen sind, die dazu bestimmt sind,
zusammenzuleben.
Die einfachste Frage, die wir uns heute stellen können – für viele vielleicht
unbedeutend – lautet vielleicht: Warum ist es so schwer, in Frieden zu
leben?
Die Menschheit durchläuft einen Globalisierungsprozeß, den ich oft als ein
Phänomen beschreibe, bei dem alles jeden betrifft und wir alle an allem
beteiligt sind. Anders ausgedrückt: Diese Globalisierung, die die Menschheit
durchläuft, ist ein Phänomen, bei dem nichts jemandem gehört und die Menschheit
die einzige und ausschließliche Domäne der Menschen ist.
Auf die Frage, ob es schwierig ist, in Frieden zu leben, ist die Antwort
ebenso einfach: Nein. Es ist nicht schwierig, in Frieden zu leben.
Wenn dem so ist, fragen wir uns doch einmal, warum es dann nicht möglich ist,
in Frieden zu leben? Die Antwort ist wiederum einfach: Weil wir nicht an den
Frieden glauben, oder weil viele nicht an den Frieden glauben. Als Folge dieser
fehlenden Kultur des Friedens geraten wir in Konfliktsituationen, wie sie die
Welt heute erlebt. Hier kommt die Verantwortung Afrikas als Ganzes ins Spiel,
Frieden und Emanzipation zu einer wirksamen und lebendigen Realität zu
machen.
Wenn ich über Afrika spreche, beginne ich damit, daß die Globalisierung keine
Grenzen kennt: globale Phänomene sind universell, auch wenn ihre Auswirkungen
von Region zu Region unterschiedlich sein mögen. Aber wenn es um Afrika geht,
besteht kein Zweifel daran, daß viele, die sich mit afrikanischen
Angelegenheiten befassen, dies fälschlicherweise nicht als Ganzes tun, sondern
als etwas Isoliertes, als ein einzelnes Land, ohne Rücksicht auf die große
Vielfalt, die aus dem Herzen Afrikas als Kontinent hervorgeht.
Was die Bevölkerung angeht, ist Afrika nach Asien der
zweitbevölkerungsreichste Kontinent. Das ist eine große Sache. Das sollte uns
die Augen öffnen und uns bewußt machen, welche Auswirkungen dies auf den
Globalisierungsprozeß haben kann, je nach Fall positiv oder negativ,
insbesondere wenn es um den Weltfrieden und die Emanzipation geht.
Wir alle kennen die Hindernisse für die Entwicklung, die Afrika zurückhalten,
seine internen Probleme, seinen Bedarf an guter Regierungsführung und die
Notwendigkeit transparenter und für die Bürger zugänglicher Institutionen. Hinzu
kommen bewaffnete Konflikte, die für viele Menschen Unsicherheit bedeuten,
ethnische Probleme verschiedener Art, die Verzweiflung einiger Menschen, die
sich bessere Lebensbedingungen wünschen, Hunger, Armut und Korruption in vielen
Ländern.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Mindestlöhne in vielen Teilen
Afrikas nicht ausreichen, um die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse zu
decken, und es für den durchschnittlichen afrikanischen Bürger utopisch
erscheinen mag, an Geschichten von Frieden, Emanzipation usw. zu glauben. Wenn
dem so ist, sollten wir uns fragen: Was ist falsch an den Organisationen, die
wir gegründet haben und denen wir beigetreten sind? Berücksichtigen sie diese
Probleme nicht? Und so viele andere Fragen, die wir vielleicht haben.
Wenn die Antworten auf diese Fragen nicht positiv sind, dann müssen wir davon
ausgehen, daß die Ideale gut sind, aber wir müssen härter daran arbeiten, sie zu
erreichen. Das bedeutet, daß der Frieden und die Emanzipation, die wir alle für
Afrika anstreben, vorerst nur ein Wunsch sind und nichts weiter.
Wenn dem so ist, müssen wir davon ausgehen, daß wir alle Teil einer Welt
sind, und es ist höchste Zeit, daß wir einen genauen Blick auf unsere Brüder im
globalen Süden werfen, die diesen Weg bereits vor Jahren und Jahrzehnten
gegangen sind. Wir müssen uns fragen: Was haben sie getan? Wie haben sie es
getan?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns anderen Kontinenten – Asien,
Amerika, Europa – zuwenden, aber mit Demut und dem Mut, uns mit unseren Brüdern
an einen Tisch zu setzen, mit denen wir über die Dinge sprechen können, die wir
brauchen, über die Werte, die wir vertreten, und vor allem darüber, wie wir uns
gegenseitig die Hände reichen und Lösungen für die Probleme finden wollen, die
uns derzeit plagen. Es stimmt, daß in dieser Hinsicht bereits viele Initiativen
ergriffen wurden, aber ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig es ist, daß
sich Afrika dem Globalen Süden mit Überzeugung und der Bereitschaft zur
Zusammenarbeit anschließt.
Die Rolle der Universitäten
Nachdem ich das gesagt habe, möchte ich nun auf die Rolle eingehen, die die
Universitäten übernehmen müssen. Als Professor für Internationale Beziehungen an
der Nationalen Universität von Äquatorialguinea bin ich der Meinung, daß wir an
den Hochschulen eine gemeinsame Verantwortung gegenüber dem afrikanischen
Kontinent und der ganzen Welt tragen. Wir müssen ein kritisches Bewußtsein für
die Bedeutung des menschlichen Lebens in der Gesellschaft schaffen.
Studenten müssen nicht nur fachlich, sondern auch in menschlichen Werten
ausgebildet werden, damit die grundlegenden Fragen, die wir Tag für Tag
aufwerfen, mit Menschlichkeit angegangen werden können, in dem vollen
Bewußtsein, daß es unter den heutigen Umständen nicht mehr nur Probleme des
Friedens und der Emanzipation in Afrika gibt, sondern weltweit. Denn wenn Afrika
nicht emanzipiert und in Frieden lebt, wird es niemals Frieden auf der Welt
geben, weil die Afrikaner gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen und
anderswohin zu gehen, was wiederum andere Probleme mit sich bringt, die aus der
Flucht aus ihren Ländern resultieren.
Deshalb lege ich immer großen Wert auf Kultur und Werteerziehung, wie Frieden
und Respekt für den Einzelnen, unabhängig von seiner Herkunft, Ethnie,
Stammeszugehörigkeit oder Religion, mit dem Fokus darauf, daß sie Menschen sind,
egal ob Afrikaner, Europäer, Asiaten, Amerikaner usw. Wie wir in unserer
ethnischen Gruppe in Äquatorialguinea sagen: „Menschen sind ein Spiegelbild
dessen, was sie geben“, und daher ist die Welt ein Spiegelbild der Menschen, die
in ihr leben.
Wenn wir unsere Jugend in den Werten des Friedens, der Emanzipation und der
Solidarität erziehen, wird nicht nur Afrika, sondern die ganze Welt in Frieden
leben, und ein friedliches Zusammenleben der Menschen wird möglich sein. Was wir
brauchen, ist daran zu glauben, dafür zu arbeiten und dafür zu erziehen. Kurz
gesagt: Um unsere Ziele in einer Welt zu erreichen, in der friedliches
Zusammenleben und Respekt vor den Menschen oberste Priorität haben, müssen wir
alle in unseren jeweiligen Kompetenzbereichen danach streben, drei wesentliche
Fähigkeiten zu erwerben:
- zu wissen, wie man ein Mensch ist;
- zu wissen, wie man in der Gesellschaft lebt;
- und zu wissen, wie man Dinge im Dienste der Menschheit tut.
Ich danke Ihnen allen für Ihren Beitrag und Ihre Bemühungen, Frieden in einer
Welt zu verwirklichen, in der er nur wenigen vorbehalten zu sein scheint.
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