Frieden und Sicherheit:
Warum wir eine andere Politik brauchen
Von Major a.D. Florian D. Pfaff
Major a.D. Florian D. Pfaff ist Sprecher der Arbeitsgruppe Das
Darmstädter Signal, eine Organisation von ehemaligen und aktiven Angehörigen der
Bundeswehr, die sich in der Friedensbewegung engagieren. In der internationalen
Konferenz „Der Mensch ist nicht des Menschen Wolf“ in Berlin hielt er am 12.
Juli den folgenden Vortrag.
Vielen Dank für die freundliche Einführung. Vielen Dank auch an alle, die
gekommen sind – jetzt sehe ich gar nicht mehr, ob überhaupt noch Plätze frei
sind – das macht doch Mut. Und natürlich auch vielen Dank an die Veranstalter,
die ich hinterher noch mit dieser weißen Rose ehren werde.
Ich rede Klartext. Das bringt gewisse Probleme mit sich: Die Polizei in
Rosenheim warnt vor mir und sagt, paßt auf, den dürft ihr nicht in die Schulen
lassen, das, was der sagt, ist nicht jugendfrei. Da werden die Schüler
verdorben.
Das gibt am Dienstag ein kleines Gespräch, weil natürlich Amtsmißbrauch nicht
funktioniert und Volksverhetzung und Verleumdung nicht funktioniert. Man kann
nicht sagen, wir wollen die einen in die Schule lassen – nämlich die, die die
Verbrechen begehen –, und die anderen, die die Verbrechen anprangern, die lassen
wir nicht in die Schule. Das geht natürlich nicht. Ich komme noch auf die
Bundeswehr und ihre Verbrechen zu sprechen, aber ich habe ja nur noch acht
Minuten Zeit.
Es gibt zwei Sichten auf den Frieden. Die eine, Sie kennen das alle, das ist,
daß man sagt: Wir machen Full-Spectrum Dominance, also, wir dominieren
die ganze Welt. Das ist die Variante mit Waffen. Und es gibt die zweite Sicht,
das ist die Friedensbewegung, das ist der Verzicht auf Gewalt, also noch nicht
mal Androhung von Wirtschaftssanktionen.
Da ist nun die Frage, kann man das denn nicht nachvollziehen, mindestens das
zweite? Ich kann sogar das erste nachvollziehen. Wenn ich Waffen habe, häufe die
an und kann damit abschrecken, dann habe ich Frieden. Das macht für mich
Sinn.
Das hat aber eine Prämisse, genauso wie das Zweite: Die Prämisse bei dem
Ersten ist, daß ich nicht selber zu den Waffen greife und andere Leute
angreife. Dazu haben wir ja schon viel gehört: diese Prämisse ist nicht
erfüllt.
Und das Zweite ist bei der Friedensbewegung ohne Waffen. Damit kann ich
natürlich leben – eine Weile. Aber wenn ich einen Aggressor habe, à la Hitler
oder à la USA, dann werden natürlich diese Leute irgendwann das Land angreifen.
Und dann habe ich auch nicht Frieden. Dann kann man sagen: „Okay, aber ich habe
nicht so viel Tote, ich habe keinen Atomkrieg“ – dafür reicht mein Vortrag jetzt
hier nicht.
Ich bin also Beides-Versteher. Ich bin auch NATO-Versteher. Ich bin
Rußland-Versteher. Ich verstehe das alles. Aber ich teile natürlich die
Verbrechen auf beiden Seiten nicht. Und ich habe daher mal den Versuch, den
jeder machen kann, gestern wiederholt: Wie sieht es denn aus mit den Waffen? Ist
das gut oder schlecht?
Das war gestern in Deggendorf. Ich bin ja gestern von Deggendorf losgefahren,
weil ich dann noch weiter im Norden gestern nachmittag eine Rede und am Abend
noch einen Vortrag hatte. Das war also noch in der Frühe. Und das war in einem
Raum. Die Leute kannten sich nicht, ich kannte zumindest nur einen von denen im
Raum. Ich nehme an, die anderen kannten sich untereinander auch nur zu Teilen.
Und das Schöne war: Jeder, der den Raum betreten hat, hat sich erstmal
bewaffnet. Also nicht mit dem Revolver oder Maschinengewehr, das waren nur
Messer. Und trotzdem haben diese Leute sich alle sicher gefühlt.
Jetzt werden natürlich die Leute, die für Waffen sind, sagen: Siehst du, die
waren alle bewaffnet. Also haben sie in Sicherheit gelebt.
Um das aufzulösen: das war der Frühstücksraum. Jeder hatte das
Frühstücksmesser. Aber ich sage natürlich, es ist nicht so – ich will die Zeit
mit Reden verbringen, bitte hinterher klatschen –, es ist nicht so, daß die
sicher waren wegen der Messer, sondern es ist so, daß die sicher waren
trotz der Messer.
Es kommt also nicht darauf an, ob mit oder ohne Waffen, sondern, wie es auch
Wolfgang Effenberger gesagt hat und wie es vorher schon andere gesagt haben, es
kommt auf den Geist an – um das mit anderen Worten auszudrücken –, auf den Geist
der Leute, die diese Waffen besitzen oder auch nicht besitzen.
Es spielt gar keine Rolle, das hat auch Mark Milley gesagt, zum
Ukraine-Krieg: es spielt gar keine Rolle, welchen Waffen wir liefern. Es spielt
auch keine Rolle, wieviel, weil die Russen die Eskalationsdominanz haben. Also
auf deutsch: es macht nur Sinn – wenn ich von dieser Theorie ausgehe, ich
besiege die Welt mit Waffen –, wenn die anderen auch nicht annähernd die
Fähigkeit haben, sich zu wehren. Und das ist natürlich die Unterdrückung in
jeder Hinsicht, daß man sagt, dann machen wir halt mit Stuxnet, I love
you,1 die ganzen Viren, wir machen die Forscher der anderen Seite
kaputt, und Ähnliches.
Das Ganze funktioniert natürlich nicht. Auf dem Schulhof sind ja auch alle
entweder mit oder ohne Schulranzen, mit oder ohne Faustkeil, mit oder ohne
Messer unterwegs. Und in der Regel sind die Schulen ja – ich rede jetzt nicht
von amerikanischen Schulen, sondern von deutschen Schulen oder europäischen
Schulen – ohne Waffen, also auch ohne Messer und erst recht ohne Schußwaffen.
Und wenn da jetzt ein Streit ausbricht, würden die Eltern dann sagen: „Jetzt
hier, da hast du ein Messer, da kannst du dich jetzt wehren, dann wird es wieder
friedlich“? Oder würden die Leute, also die Eltern der Kinder, sagen: „Paß bloß
auf, daß sie keine Messer mit in die Schule nehmen“?
Ich glaube, da muß man nicht lang fragen. Das ist eine rhetorische Frage. Man
würde natürlich nicht sagen, jetzt bewaffnen wir beide Seiten mit Messer, oder
im Gymnasium kriegen die dann Revolver. Das macht wenig Sinn.
Die NATO sieht das aber so. Wir wollen so stark sein wie die anderen. Und
auch Herr Merz hat gesagt, er will jetzt stärker sein, die stärkste Armee in
ganz Europa haben. Das heißt also höhere Rüstungsausgaben erst mal als Rußland.
Wo er die Soldaten hernehmen will, das ist eine andere Frage. Da muß ich wieder
auf die Uhr schauen – das wird nicht funktionieren, das jetzt zu erklären. Aber
die NATO hat eben 1999 einen klassischen Angriffskrieg geführt und deswegen sage
ich, das ist eine Verbrecherorganisation. Denn das O in NATO heißt Organisation,
Angriffskrieg ist ein Verbrechen. Und deswegen darf ich nicht an die Schulen
oder soll ich nicht an die Schulen.
Das Gleiche mit der Bundeswehr. Die Bundeswehr hat mir im Jahr 2003 befohlen:
„Gesetze gar nicht erst beachten, darüber weggehen.“ Die wußten, daß das in den
Gesetzen natürlich verboten ist, so ein Angriffskrieg.
Dann haben die gesagt – nach der Klapsmühle, erstmal war ich ja eine Woche
verschwunden, aber da habe ich ja einen Persilschein gekriegt –, der ist
kerngesund, da geht auf keiner einzigen Skala irgendwas an, also schicken wir
den Staatsanwalt. Dann Degradierung und so weiter... Aber das Ende war: Das
Bundesverwaltungsgericht hat gesagt, Pfaff hat Recht. Und dann hat die
Bundeswehr gesagt, das juckt uns doch nicht, das wißt ihr doch. Wenn Flugzeuge
nicht abschießbar sind oder nicht abgeschossen werden dürfen, weil das
Bundesverfassungsgericht das verbietet, das juckt uns doch auch nicht. Das war
der Minister Jung, der das damals gesagt hat, wenn ich das richtig im Kopf habe
- auf jeden Fall der damalige Verteidigungsminister hat gesagt: Das
Bundesverfassungsgericht interessiert mich nicht. Und so haben die gesagt, das
Bundesverwaltungsgericht interessiert uns nicht. Wir machen das immer wieder und
das müssen wir auch so machen, sonst können wir unsere Kriege nicht führen.
Das Letztere stimmt, die müssen immer wieder das Recht brechen, um ihre
Kriege zu führen. Das macht es aber nicht legal. Und das ist eben mein Vorwurf,
daß ich sage: Leute wie der General – mittlerweile a.D. – Schneiderhan, der
damals gesagt hat, wir müssen so etwas anbieten, was die Briten mit den USA im
Irak gemacht haben, der muß bis zu seinem Lebensende jetzt fürchten, angeklagt
zu werden, wenn die Staatsanwaltschaften wieder freigeschaltet werden.
Die sind ja zur Zeit unter der Knute der Politik, die müssen das ja
einstellen, wenn die Politiker das sagen. So wie auch beim bayrischen
Ministerpräsidenten, der ja angezeigt wurde – was man natürlich in der Presse
nicht erfährt, ist klar –, aber der angezeigt wurde, weil er gesagt hat, so was
wie in Afghanistan mit der Bundeswehr, „Nation Building“, das „kann man
probieren“.
Angriffskriege kann man zwar probieren, darf man aber nicht.
Und deswegen kann man es eigentlich in Deutschland auch nicht. Er meinte, man
kann das probieren. Und dann sagt der Staatsanwalt natürlich: „Gegen wen war die
Anzeige? Gegen Unbekannt? Ok. Und wegen was? Wegen Volksverhetzung? Das nehme
ich so nicht auf.“
Ich komme jetzt zum Schluß, aus Zeitgründen, obwohl ich den ganzen Abend hier
noch vortragen könnte. In meinen Augen ist das bedenklich, daß man solche Dinge
nicht mehr offen diskutieren will. Denn das ist Teil der Demokratie, daß man es
diskutieren will. Ob es dann gelingt, ist was anderes, wenn irgendwelche Störer
kommen bei einer Demo, die sich auch noch antifaschistisch nennen, mit Methoden
der SA. Daß man Berufsverbote gegen die ausspricht, die das berichten – da denke
ich zum Beispiel an Röper und Co. Oder daß man Ausreiseverbote macht, wie bei
den Leuten, die nach Mailand wollten, nach Italien, die am Flughafen
festgehalten wurden, wo man gesagt hat: Es könnte ja sein, daß die jetzt
Deutschland irgendwie schlecht machen. Wir haben im Grunde, wie in der DDR,
jetzt Leibeigene als Bürger, die wir dann festsetzen können, am Flughafen, wenn
wir vermuten, das könnte unangenehm werden für Deutschland.
Und nun sagen Sie natürlich, wie lösen wir das? Und da sage ich eben, das
Schiller-Institut löst das, und alle anderen, die im gleichen Geiste reden, die
lösen das, beziehungsweise den Anteil, den wir nur brauchen. Deutschland wird es
gar nicht lösen, letztlich werden es die Chinesen lösen, die Russen, die Inder,
die Brasilianer, also BRICS-Staaten und der Rest der Welt, der ganze Rest der
Welt, außer der NATO und USA und ihrem Anhang – das sind vielleicht 15 Prozent,
die noch dafür sind. Der ganze Rest, ungefähr 85 Prozent, sind auf unserer
Seite. Und dafür Ihnen nochmal ganz herzlichen Dank. Und jetzt überreiche ich
die Blume.
Anmerkung
1. Stuxnet, I live you: Stuxnet ist ein Computervirus, mit dem 2010 das
iranische Atomprogramm angegriffen wurde. Das sog. Loveletter-Virus („I love
you“) wurde im Jahr 2000 verbreitet, um Benutzerkonten und Anmeldeinformationen,
Kennwörter, Computername, IP-Adresse, RAS-Informationen und weitere Daten des
befallenen Rechners auszuspionieren, wovon bis zu 50 Mio. Geräte betroffen
waren.
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