Die Rolle des historischen Individuums
Von Jose Vega
José Vega, ein führendes Mitglied der LaRouche-Jugendbewegung,
kandidiert derzeit im 15. Kongreßbezirk von New York (Bronx) für das
US-Repräsentantenhaus. Im ersten Abschnitt der Pariser Konferenz sagte er
folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen.)
Guten Morgen allerseits, ich möchte Ihnen allen für diese wunderbare
Konferenz danken und dafür, daß Sie mir die Gelegenheit geben, hier mit meinen
Kollegen auf der Bühne zu stehen.
Zunächst einmal ist es immer gut zu wissen, daß ich aus einem Prozeß komme,
der nicht an ein einzelnes Land oder Volk gebunden ist. Ob in der Bronx, in
Paris, Berlin, China, Mexiko oder Südafrika – ich bin stolz darauf, daß heute
viele Länder aus aller Welt hier vertreten sind und sich uns anschließen. Es ist
gut, sich daran zu erinnern, daß ich aus einem internationalen Prozeß komme, der
Grenzen überschreitet. Ideen haben uns dorthin gebracht, wo wir heute stehen.
Ideen sind es, die uns antreiben. Das habe ich in den nunmehr zwölf Jahren
meiner Zugehörigkeit zur LaRouche-Bewegung gelernt.
Nun bin ich also hier in Frankreich, einem wunderschönen Land, das ich
gestern erkunden durfte. Ich spazierte am Louvre vorbei, und das erinnerte mich
an die Freundschaft zwischen Samuel Morse und James Fenimore Cooper.
Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich zunächst den Kontext erläutern:
Wir befinden uns in den 1830er Jahren. Die Vereinigten Staaten haben zu diesem
Zeitpunkt erst seit 50 Jahren eine Verfassung; die Vereinigten Staaten sind ein
junges Land. Man vergleiche sie mit den anderen Ländern damals, die noch immer
von Monarchen regiert werden, und auch in Bezug auf die Verantwortung, die die
Bürger haben, die Republik aufrechtzuerhalten. Einige Amerikaner waren sich
dessen sehr bewußt.
Hier kommt Samuel Morse ins Spiel, ein amerikanischer Erfinder und Maler, und
sein Freund James Fenimore Cooper, ein zu der Zeit berühmter amerikanischer
Autor, er schrieb Der letzte Mohikaner, das 1826, als er nach Europa kam,
in jeder Pariser Buchhandlung zu finden war.
Samuel Morse und James Fenimore Cooper trafen sich erstmals 1824 in
Washington, als der Marquis de Lafayette triumphierend aus Frankreich
zurückkehrte und eine Tour durch die Vereinigten Staaten unternahm, um John
Quincy Adams bei seiner Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu
unterstützen.
Morse und Cooper wurden Freunde und reisten gemeinsam durch Europa. Die
beiden verbrachten viel Zeit in Paris. Cooper schrieb in sein Tagebuch:
„Ich stehe um acht Uhr auf, lese die Zeitung, frühstücke um zehn Uhr, setze
mich um halb elf an die Feder, arbeite bis ein Uhr, ziehe meinen Morgenmantel
aus, ziehe meine Stiefel und Handschuhe an, nehme meinen Stock ... und gehe zum
Louvre, wo ich Morse an einem hohen Arbeitstisch vorfinde, mich rittlings auf
einen der Sitze setze und ihn langweile.“
Worauf bezieht sich Cooper hier? Ein Experte schreibt:1
„Im November 1829 brach der 38jährige amerikanische Künstler Samuel F. B.
Morse von New York zu einer 3000 Meilen langen, 26tägigen Reise nach Paris auf.
Er wollte dem Ehrgeiz gerecht werden, der in seinem Reisepaß vermerkt war: Morse
gab als Beruf ,historischer Maler‘ an.
In Paris stellte sich Morse einer gewaltigen
Herausforderung. Im September 1831 bot sich den Besuchern des Louvre in den
hohen Sälen ein merkwürdiger Anblick. Auf einem selbstkonstruierten hohen,
beweglichen Gerüst sitzend, vollendete Morse Vorstudien und skizzierte 38
Gemälde, die in unterschiedlicher Höhe an den Wänden des Museums hingen:
Landschaften, religiöse Motive, Porträts, darunter Leonardo da Vincis Mona Lisa,
sowie Werke von Meistern wie Tizian, Veronese und Rubens. Auf einer sechs mal
neun Fuß (etwa 1,80 x 2,70 Meter) großen Leinwand arbeitete Morse an einer
Innenansicht eines Raumes im Louvre, worin eine verkleinerte Übersicht von
Werken aus dem 16., 17. und 18.
Die Galerie des Louvre, Gemälde von Samuel F. B. Morse (1833)
Jahrhundert zu sehen war. Nicht einmal eine drohende Choleraepidemie
konnte ihn abhalten (siehe Abbildung).
Am 6. Oktober 1832 schiffte sich Morse nach New York ein, sein unvollendetes
Gemälde Gallery of the Louvre sicher unter Deck verstaut. Das
,prächtige und wertvolle‘ Werk, so schrieb er an seine Brüder, sei kurz vor
der Fertigstellung. Doch als Morse am 9. August 1833 in New York das
Ergebnis seiner Arbeit enthüllte, wurden seine Hoffnungen auf Ruhm und Reichtum
enttäuscht. Das Gemälde erzielte nur 1300 Dollar; er hatte den
Verkaufspreis auf 2500 Dollar festgesetzt.“
So amüsant diese Geschichte auch ist, es gibt noch eine wichtige andere
Person, die ebenfalls Zeit hier in Paris verbracht hat. Und das ist Edgar Poe.
Edgar Poe war ein weiterer berühmter Autor in den Vereinigten Staaten, ein
Zeitgenosse von James Fenimore Cooper.
Vielleicht kennen Sie den berühmten Autor Alexandre Dumas. Er schrieb in
seinem Tagebuch über seine Begegnung mit Edgar Poe:
„Es war etwa im Jahr 1832. Eines Tages erschien ein junger Amerikaner in
meinem Haus, vorgestellt von seinem Landsmann, dem berühmten Romanautor Fenimore
Cooper. Natürlich empfing ich ihn mit offenen Armen. Sein Name war Edgar Poe.
Von Anfang an war mir klar, daß ich es mit einem bemerkenswerten Mann zu tun
hatte: Zwei oder drei Bemerkungen, die er über meine Möbel machte, über meine
Habseligkeiten, über die Art und Weise, wie meine Alltagsgegenstände im Zimmer
verstreut lagen, und über meine moralischen und intellektuellen Eigenschaften,
beeindruckten mich durch ihre Präzision und Wahrhaftigkeit. Gleich am ersten Tag
unserer Bekanntschaft bot ich ihm offen meine Freundschaft an und bat ihn um
seine. Er muß sicherlich eine ähnliche Sympathie für mich empfunden haben wie
ich für ihn, denn er reichte mir die Hand, und das Verständnis zwischen uns war
augenblicklich und vollkommen. Zu dieser Zeit erforderte der schlechte
Gesundheitszustand meiner Mutter, daß sie eine reinere Luft genoß als die, die
in den zentraleren Teilen von Paris zu finden war – sie lebte im Luxemburger
Viertel, während ich ein kleines Haus ganz für mich allein in der Rue de l'Ouest
hatte. Ich bot Edgar Poe an, ihm für die Dauer seines Aufenthalts in Paris zwei
Zimmer in diesem Haus zur Verfügung zu stellen.“
Warum sind diese Leute zu der Zeit hier? Warum sind Amerikaner in Europa, als
die Vereinigten Staaten noch im Entstehen begriffen waren? Was geschieht in der
Welt?
Nun, alle Menschen, die ich erwähnt habe, sahen sich nicht auf eine bestimmte
Zeitperiode beschränkt, sondern verstanden ihre Rolle als historische
Persönlichkeiten. Sie kamen nach Frankreich, um das Beste aus der Kultur des
Landes mitzunehmen und in ihr noch sehr junges Land zurückzubringen. Denn sie
verstanden, daß sie eine Kultur und eine Gesellschaft aufbauen mußten, die das
Beste aus jeder Kultur vereinte.
Ich denke über dieses Gemälde nach; daß der ursprüngliche Verkaufspreis 2500
Dollar war. Aber der Wert des Gemäldes – es wurde 1982 für einen Rekordpreis von
3,2 Millionen Dollar verkauft – ist keine Frage des Geldes. Es ist ein Zeugnis
der Allianz von Lafayette, Cooper, Samuel Morse, Washington Irving, Edgar Poe
und anderen, die manchmal als die „Cincinnatus-Gesellschaft” bezeichnet
wird.
Und das inspiriert mich. Denn wenn ich die Welt heute betrachte, wenn ich die
Menschen in diesem Raum sehe, dann wird mir klar, daß wir keine Parteien oder
Fraktionen brauchen, sondern eine neue „Schule von Athen“, durch die wir die
besten Ideen der Vergangenheit in einen Dialog mit den neuen Generationen
bringen können, um das Beste der Kultur für die Gegenwart wiederzubeleben.
Das hatten die Amerikaner verstanden, die nach Paris kamen, und das verstehe
auch ich. Ich hoffe also, hier viel zu lernen und von Ihnen allen, meinen
Kollegen, die ich zum ersten Mal treffe, zu lernen, um diese Ideen mit zurück in
die Vereinigten Staaten zu nehmen, wo wir unsere internationale Schule von Athen
aufbauen. Ich danke Ihnen allen.
Anmerkung
1. David McCullough, Smithsonian Magazine, September 2011
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