Eine harmonische Entwicklung aller Nationen
Von Prof. Zhang Weiwei
Prof. Zhang Weiwei, Professor für internationale Beziehungen an
der Fudan-Universität hielt am 12. Juli in der Berliner Konferenz des
Schiller-Instituts den folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen,
Zwischenüberschriften wurde von der Redaktion hinzugefügt.)
Zunächst einmal vielen Dank an Madame Zepp-LaRouche; das war eine so
inspirierende Rede, die wir gerade gehört haben. Ich hoffe, daß die Konferenz
bei der Umsetzung dieser Ideen Erfolg haben wird… Das Thema der Konferenz ist
die Zusammenarbeit zwischen den BRICS und Europa zur Umsetzung des Oasenplans
und der Agenda 2063 für Afrika.
Wie wir alle wissen, ist die Welt der Multipolarität bereits da; es ist eine
multipolare Welt. Nehmen wir die BRICS als Beispiel, so ist ihr Gesamt-BIP nach
Kaufkraftparität bereits viel größer als das der G7; es macht fast 40 % des
weltweiten BIP aus, verglichen mit den 33 % der G7. Aber wir sollten hart daran
arbeiten, diese multipolare Weltordnung wirklich zu schaffen. Ich denke, unsere
heutige Diskussion zu diesem Thema ist Teil dieser Bemühungen, eine Art
Infrastrukturarchitektur für eine multipolare Welt aufzubauen. Das ist nicht
einfach, aber wir müssen uns anstrengen.
Was nun die BRICS und Europa betrifft, so könnte ich mich vielleicht auf die
schwierigen Beziehungen zwischen China und Europa konzentrieren. In der Tat gibt
es bereits einige trilaterale Projekte, an denen China, Europa und Afrika
beteiligt sind. Einige wurden bereits abgeschlossen. Frau Zepp-LaRouche hat zum
Beispiel das Projekt des Inga-Staudamms erwähnt, ein riesiges Projekt, das ein
Erfolg ist.
Europa ist nicht mehr autonom
Aber im Großen und Ganzen sind wir nicht so optimistisch. Was wir bisher von
Seiten der EU sehen, ist ein tief verwurzeltes Mißtrauen. Aus allen möglichen
Gründen ist Europa aus chinesischer Sicht heute nicht mehr so autonom,
geschweige denn unabhängig. Wie sogar Präsident Macron zugab, ist es zu einer
Art Vasallenstaat der Vereinigten Staaten geworden. Sie versuchen also, den
amerikanischen Interessen zu dienen und nicht den europäischen Interessen. Für
Menschen außerhalb Europas ist das so klar, so offensichtlich, daß es dem
gesunden Menschenverstand widerspricht: Sie sind nicht unabhängig, Sie schaden
Ihren eigenen Interessen.
Ich werde Ihnen ein Beispiel geben. Dank der Bemühungen Chinas, seine eigene
Sicherheit zu gewährleisten, haben wir einen Selbstversorgungsgrad bei Energie
von 85% erreicht. Aber in Europa liegt er immer um die 40%, in Deutschland sogar
unter 40%. Bei einem solchen Energieautarkiegrad kann man eigentlich die
Bombardierung und Zerstörung der Nord Stream Pipeline nicht tolerieren und
keinerlei Untersuchung durchführen; das ist reine Augenwischerei. Das ist
inakzeptabel. Es untergräbt vor alle, die deutsche Industrie, das verarbeitende
Gewerbe und Europa als Ganzes.
Aber wenn Sie sich die chinesische Initiative für die Belt and Road
Initiative ansehen, dann ist das bereits eine Investition von über 1 Billion
Dollar, von der ein Drittel für Afrika bestimmt ist. China hat über 10.000 km
Eisenbahnstrecken gebaut oder modernisiert, und wir haben über 100 Häfen für
Afrika gebaut. Das ist also Infrastruktur. Doch aus der Sicht der EU geht es um
geopolitische Rivalität – China gegen Europa.
Aus chinesischer Sicht ist es ganz einfach: Es gibt einen riesigen
Infrastrukturindex für die Entwicklung Afrikas, und China hatte diesen
Wettbewerbsvorteil. Lassen Sie uns also über das diskutieren, was wir die Drei
Gemeinsamkeiten nennen – gemeinsam diskutieren, gemeinsam bauen, gemeinsam
profitieren. Das kommt in Afrika gut an.
Europas Fehler
Aus chinesischer Sicht hat die EU als Ganzes mindestens zwei große Fehler
gemacht, wenn wir Europa betrachten.
Der eine war 2011, als der Arabische Frühling ausbrach. Wir in China – mich
eingeschlossen – sagten voraus, daß der Arabische Frühling zum Arabischen Winter
werden würde. Er wird die europäischen Interessen und auch die westlichen
Interessen untergraben. Aus dem Arabischen Frühling wurde also der Arabische
Winter und die Flüchtlingskrise, die so viel Interesse in Europa weckte.
Der zweite Fall ist der Aufstieg der afrikanischen Wirtschaft; das ist gut.
Im Großen und Ganzen ist das eine positive Sache.
Aber ein weiterer Aspekt, den wir nicht ignorieren können, ist das hohe
Bevölkerungswachstum. In den 1950er Jahren war die europäische Bevölkerung
doppelt so groß wie die afrikanische Bevölkerung. Jetzt ist die afrikanische
Bevölkerung doppelt so groß wie die europäische. In den kommenden Jahren wird
sie sogar noch höher sein. Es müssen also Arbeitsplätze in Afrika geschaffen
werden, die Afrika dabei helfen, seine eigene einheimische Industrie zu
entwickeln.
Das ist es, was China für Afrika tut. Wir bauen gerade ein regionales Netz
von Luft-, Land- und sonstigen Verkehrsverbindungen auf, regionale Systeme für
Afrika. Wenn Sie in der Vergangenheit von Westafrika, z.B. Ghana, nach Kenia in
Ostafrika reisen wollten, mußten Sie über London fliegen, weil das
Kolonialsystem alles bestimmte. Aber die chinesische Philosophie lautet:
Vereinigen und gedeihen, nicht spalten und ruinieren. Lassen Sie uns also dieses
regionale Verkehrsnetz aufbauen, das auf dem Prinzip basiert, gemeinsam zu
diskutieren, gemeinsam zu bauen und gemeinsam zu profitieren. Es funktioniert
gut, es ist auf dem Weg dorthin.
Warum also beteiligen sich die europäischen Unternehmen nicht an diesen
Projekten? Es geht um Geopolitik, es geht um die eine Menschheit, und gemeinsam
zu profitieren ist auch in Ordnung. Das ist also wirklich ein Konsens. Es liegt
in Ihrem eigenen Interesse, sich der BRI anzuschließen, anstatt daß wir Sie
zwingen, sich diesem Projekt anzuschließen. Egal, ob es sich um europäische
Unternehmen, russische Unternehmen, amerikanische Unternehmen oder afrikanische
Unternehmen handelt – es ist freiwillig.
Doch hier liegt das Problem: Alles wird durch die geopolitische
Rivalitätsperspektive betrachtet, durch die Brille der Demokratie gegen die
Autokratie. Das ist extrem dumm und hat mit der realen Welt nichts zu tun.
Chinesischer „Machergeist“
Lassen Sie uns versuchen, ein wenig optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Zumindest denke ich an das, was China für Afrika und vielleicht auch für andere
Länder des globalen Südens getan hat und tun kann.
Die chinesische Philosophie ist sehr stark von der Tradition dessen geprägt,
was wir den „Machergeist“ nennen. Die Dinge müssen gemacht werden. Ich würde
also sagen, China handelt, und die EU oder Europa redet.
Die Europäer sind zum Beispiel dafür bekannt, daß sie debattieren,
diskutieren und die ganze Idee des Green New Deal mit großem Tamtam
vorantreiben. Aber in China ist es bereits geschehen. Er ist mehr oder weniger
abgeschlossen. Das ist eine sehr gute Nachricht für die ganze Welt, für alle,
die etwas gegen den Klimawandel tun wollen. Im vergangenen Jahr – 2024 – hat
China sein Ziel der Kohlenstoffreduzierung erreicht. Die
CO2-Emissionen begannen im letzten Jahr um 1,6 % zu sinken, während
die chinesische Wirtschaft, gemessen an der Kaufkraft, bereits die größte ist
und ihr Wachstumstempo von etwa 5% pro Jahr beibehalten hat. Es ist die größte
Produktions- und Handelsnation der Welt. Trotzdem haben wir es geschafft, daß
die CO2-Emissionen insgesamt gesunken sind.
Aber die chinesische Regierung ist sehr vorsichtig; sie hat das nicht
bekanntgegeben, weil es nur 1,6% sind. Bis zu diesem Jahr wird sie diesen Wert
beibehalten oder verdoppeln, so daß wir bis 2030 eine Trendwende erreichen und
bis 2060 kohlenstoffneutral sein werden. Wir tun dies also auf eine sehr
ehrliche und bodenständige Weise, mit einem Fünfjahresplan nach dem anderen.
Wie wir sehen können, produziert China heute etwa 2/3 der Solarpaneele,
Elektrofahrzeuge und erneuerbaren Energien für China und die Welt als Ganzes.
China ist der größte Exporteur von Elektroautos. Folglich ist der ganze Kampf
gegen den Klimawandel vielleicht mit dem chinesischen Modell möglich. Erstens
werden die Anlagen und Geräte, die für den Kampf gegen den Klimawandel benötigt
werden, in China hergestellt. Sie sind für Afrika und viele andere Länder
erschwinglich. Das ist also transformativ, es verändert das Spiel, es ist
revolutionär. Aber was wir brauchen, ist der kollektive Wille, dies zu tun.
Das zweite gute Beispiel, das ich anführen möchte, sind die von Frau
Zepp-LaRouche mehrfach erwähnten Bemühungen – der Oasenplan, den das
Schiller-Institut bereits in den 1970er Jahren vorgelegt hat. Doch heute ist es
möglich, die Bemühungen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in Afrika oder im Nahen
Osten mit Hilfe von Technologien und grüner Finanzierung zu verwirklichen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. China hat ein riesiges Projekt zur Urbarmachung
der Taklamakan-Wüste abgeschlossen. Sie ist eine der größten Wüsten der Welt und
hat die Größe von Deutschland. Sie wurde mit einem grünen Gürtel umgeben. Das
war eine gewaltige Anstrengung, die 46 Jahre dauerte. Innerhalb dieses Grünen
Gürtels gibt es sogenannte Photovoltaik-Farmen, auf denen Millionen von
Solarzellen installiert sind, um erneuerbare Energie zu erzeugen. Und darunter
befindet sich eine dürreresistente Vegetation. So ist Xinjiang heute einer der
größten Getreideproduzenten Chinas – Weizen und Mais. Das ist ein unglaublicher
Erfolg.
Die lächerlichste Geschichte in den westlichen Medien, auch in den deutschen
Medien, ist die über Xinjiang. Für Chinesen ist das so lächerlich, daß man
darüber nur lachen kann. Wir glauben, daß diese Medien im Dunkeln tappen, was
auch immer sie tun. Jedes Jahr kommen mindestens 200 Millionen Besucher aus
China nach Xinjiang. Alles in allem ist es also eine sehr erfolgreiche
Geschichte.
Das bedeutet auch, daß, wenn wir eine Sicherheitsstruktur in Afrika oder im
Nahen Osten haben, chinesische Ausrüstung, chinesische Technologien und grüne
Finanzen sehr gut laufen. Es ist der größte grüne Finanzierungsmarkt der Welt.
Wir können zusammenarbeiten, um den Oasenplan in die Tat umzusetzen.
Abschließend möchte ich noch sagen, daß hinter diesem Plan sehr wichtige
chinesische Ideen stehen. Die bekannteste ist natürlich Xi Jinpings Idee, eine
gemeinsame Zukunft für die Menschheit zu schaffen. Wir lehnen die amerikanische
Formel „mit am Tisch oder auf der Speisekarte“ kategorisch ab. Nein, das ist die
Welt des Krieges; das ist keine echte menschliche Welt.
Und auch die Idee, die ich erwähnt habe, die westliche Idee, das Teile und
Herrsche, erscheint uns sehr dumm. Wir sollten Einigkeit und Wohlstand fördern.
Das haben wir in den letzten Jahrzehnten in China getan, und jetzt propagieren
wir es in der ganzen Welt. Ich denke, mit all diesen hoffentlich positiven
Nachrichten können wir diese Konferenz zu einem größeren Erfolg machen.
Ich danke Ihnen vielmals.
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