"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

„Das ist kein Militärputsch, sondern eine Revolution!”

Das ägyptische Volk hat durch die Absetzung Präsident Mursis seine Revolution wieder in die eigenen Hände genommen.

Während westliche Regierungen und Medien die ägyptische Armee verurteilten und ihr einen „Militärputsch“ gegen die vom nun abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi angeführte Regierung der Moslem-Bruderschaft vorwerfen, feierten die Ägypter Mursis Sturz mit großem Jubel. Tatsächlich sieht ein großer Teil der Bevölkerung die Entwicklung so, daß dadurch das Volk die ägyptische Revolution zurückgewonnen hat, nachdem die mit Präsident Obamas Rückendeckung an die Macht gelangte Moslem-Bruderschaft diese usurpiert hatte. Die unabhängige ägyptische Tageszeitung Tahrir erschien am 4. Juli mit der englischsprachigen Überschrift It’s a Revolution... not a Coup, Mr. Obama - „Das ist kein Putsch, Herr Obama, das ist eine Revolution!“

Der Sturz des Mursi-Regimes ist eine dramatische Reaktion gegen die Politik in der Region in der Tradition des berüchtigten Sykes-Picot-Abkommens, die mit dem gewaltsamen Sturz des syrischen Regimes anfinge und wahrscheinlich in einem dritten Weltkrieg enden würde. Die Moslem-Bruderschaft gilt dabei als Teil der anglo-saudischen Achse gegen Syrien, die Obama von unterstützt wird.

Noch vor den Umwälzungen in Ägypten begannen die Massendemonstrationen in der Türkei, bei denen nicht nur gegen die zunehmend autoritäre Politik der Islamischen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) von Regierungschef Reccep Tayyip Erdogan protestiert wurde, sondern auch dagegen, daß die Regierung den gewaltsamen Umsturzversuch in Syrien so aktiv unterstützt.

Es war kein Putsch

In Ägypten hat die Armee auf das Drängen des Volkes hin die Moslem-Bruderschaft von den Zügeln der Macht entfernt, und inzwischen wurde der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Adly Mahmoud Mansour, als Übergangspräsident vereidigt, mit dem Auftrag, für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und die Durchführung von Neuwahlen zu sorgen.

In seiner Rede zur Amtsübernahme dankte Mansour dem „großen ägyptischen Volk - dem Herren, dem Führer und der Quelle der Macht“ für die Ehre, ihm als Übergangspräsident dienen zu dürfen. Das Volk habe die „glorreiche Revolution“ von 2011 wieder ins Gleis gehoben. Mansour versprach, den Idealen der Revolution treu zu folgen. „Anbetung des Herrschers“ werde es nicht mehr geben. Er dankte der Armee, der Justiz, der Polizei und den Medien für ihre Rolle in dieser epochemachenden Wende und erklärte, der einzige Weg, den wahren Willen des Volkes zum Ausdruck zu bringen, seien demokratische und faire, wirklich freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

Das Bündnis, das die Hälfte der ägyptischen Wähler auf die Straßen gebracht hatte, die vom Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei angeführte Nation Rettungsfront (NSF), veröffentlichte am 4. Juli eine Erklärung, in der es heißt: „Was Ägypten derzeit erlebt, ist in keiner Weise ein Militärputsch. Es war eine notwendige Entscheidung, die von der Führung der Streitkräfte getroffen wurde, um die Demokratie zu schützen, die Einheit und Integrität des Landes zu erhalten, die Stabilität wiederherzustellen und wieder auf den Weg zum Erreichen der Ziele der Revolution des 25. Januar zurückzufinden.“ Die Entscheidung von Generalstabschef Abdel-Fattah El-Sisi, Mursi abzusetzen und die Verfassung zu suspendieren, sei erst nach Konsultationen mit dem Großimam der Al-Azhar-Moschee, dem koptischen Papst, der NSF sowie einem Vertreter der salafistischen Nour-Partei erfolgt, die ebenfalls Teil der Protestkampagne war, die Millionen Ägypter auf die Straßen brachte.

Wendepunkt Syrien

Der Vorwurf, dies sei ein Militärputsch gegen den „demokratisch gewählten“ Mursi, ist reiner Sophismus. Hitler und Mussolini waren auch „demokratisch gewählt“, und ähnlich wie diese mißbrauchte Mursi sein Mandat dazu, sich systematisch autoritäre Befugnisse anzumaßen, darunter gesetzgeberische und Exekutiv-Kompetenzen, die sich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen.

Vor allem aber kam Mursi nur an die Macht, indem er mit Hilfe eines von den Briten und Saudis unterstützten Bündnisses radikaler, mit Al-Kaida verbundener islamistischer Gruppen, dem auch die Moslem-Bruderschaft als führende Kraft angehörte, den „Arabischen Frühling“ vereinnahmte. Das gleiche Bündnis machte schon aus dem Arabischen Frühling in Libyen einen blutigen Bürgerkrieg, unterstützt durch Militärintervention Großbritanniens, Frankreichs und der USA, der das Land ins Chaos stürzte und die Bevölkerung der Gnade bewaffneter Banden ausgeliefert hat.

In Syrien ging diese Verkehrung des Arabischen Frühlings sogar noch weiter, weshalb nun in der gesamten Region ein blutiger Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten droht, der zu einem Krieg gegen den Iran und einer atomaren Konfrontation der Supermächte führen kann.

Der entscheidende Wendepunkt kam im vergangenen Monat, als die britische Marionette Obama und sein Sicherheitsteam im Weißen Haus die US-Streitkräfte aufforderten, syrische Militärstützpunkte zu bombardieren - eine Forderung, die der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der USA, General Martin Dempsey, vehement zurückwies. Obama kündigte trotzdem an, die USA würden die syrische Opposition nun militärisch unterstützen.

Nur Tage nach Obamas Ankündigung befahl Mursi den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Syrien. Die Moslem-Bruderschaft in Ägypten veranstaltete eine Pressekonferenz, bei der auch Mursi sprach und einen Dschihad und eine ausländische Militärintervention gegen die syrische Regierung forderte. Syriens schiitische Verbündete Iran und Hisbollah beschimpfte er als „Ungläubige“.

Das brachte für die Armee, die schon zunehmend in Sorge über die wachsenden Spannungen im Land war, das Faß zum Überlaufen und führte sie zu der Entscheidung, zu intervenieren.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf namentlich nicht genannte Offiziere der ägyptischen Streitkräfte: „Die Sorge der Armee über die Art und Weise, wie Präsident Mohammed Mursi Ägypten regierte, überschritt den kritischen Punkt, als das Staatsoberhaupt an einer Kundgebung voller weiterer hartgesottener Islamisten teilnahm und einen heiligen Krieg gegen Syrien forderte.“

Die Armee veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß, ihr Mandat sei es, Ägyptens Grenzen zu verteidigen, aber nicht, andere Länder anzugreifen.

Mursis Absetzung ist eine schlechte Nachricht für die türkische Regierung, deren regierende Islamische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) nicht nur ein enges Bündnis mit Mursi geschlossen hatte, sondern auch die gleiche Politik gegen Syrien verfolgt.

Die türkische Regierung verurteilte den „schmutzigen Putsch“ der ägyptischen Armee. Ein Kommentator in der Tageszeitung Hurriyet schrieb: „Wenn man den vereinnahmten ,Frühling’ in Ägypten zurückgewinnen kann..., dann müssen wir uns darauf gefaßt machen, die Folgewirkungen im Rest dieser Region zu erleben. Das werden keine guten Neuigkeiten für die AKP sein.“

Birol Akgün vom Institut für strategisches Denken (SDE) in Ankara erklärte gegenüber Today’s Zaman: „Man darf nicht erwarten, daß die türkisch-ägyptische Partnerschaft, die in der Ära Mursi, der großen Wert auf die Beziehungen zu Ankara legte, floriert hat, nach diesem Moment so weiterbestehen wird. Es wird für die Türkei schwierig werden, von der ägyptischen Armee die gleiche Unterstützung für ihre Nahostpolitik zu erhalten. Wenn die Putschsituation noch eine Weile andauert, wird das der türkischen Politik in der Region einen schweren Schlag versetzen.“

Gefahren für die Revolution

Die neue ägyptische Revolution steht vor zwei Gefahren. Die erste ist, daß die Moslem-Bruderschaft über ihren ausgedehnten Untergrundapparat eine Gewalt- und Terrorkampagne organisiert, um aus Ägypten ein weiteres Syrien zu machen.

Eine Expertengruppe der Vereinten Nationen untersuchte den massiven Schmuggel der Waffen, mit denen die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Libyen überschwemmten, um Muammar Gaddafi zu stürzen, nach Syrien, Ägypten und in andere Länder. Ihr gerade vorgelegter Bericht dokumentiert, daß riesige Mengen dieser Waffen in alle Teile Ägyptens geschmuggelt wurden, darunter nicht nur kleine Kaliber, sondern auch schwere Waffen und Tausende Schuß Munition. Diese Waffen befinden sich nun in den Händen von Kriminellen und von radikalen Extremisten, und inzwischen operieren schon gutbewaffnete Terrorgruppen, die mit Al-Kaida verbündet sind, auf der Halbinsel Sinai.

Eine noch größere Gefahr ist der Zusammenbruch der ägyptischen Wirtschaft, der schon den ursprünglichen Arabischen Frühling mit veranlaßt hatte. Mursi hatte wirtschaftliche Wunder versprochen, nutzte aber statt dessen sein Mandat dazu, die Macht der Moslem-Bruderschaft zu zementieren. Mursis Unterstützer in den USA und Großbritannien taten nichts, um das Land in irgendeiner Weise wirtschaftlich zu entwickeln; die Folgen waren mehr Arbeitslosigkeit, Einbruch der Industrie, Stromausfälle und allgemein eine weitere Verschlechterung des Lebensstandards.

Die einzige Hoffnung für Ägypten ist nun, daß das derzeitige mörderische Weltfinanzsystem abgeschafft wird, indem die USA und Europa eine Glass-Steagall-Bankentrennung einführen, und daß in einem neuen Kreditsystem große Mengen niedrigverzinster Kredite zur Verfügung gestellt werden, um international die Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft voranzutreiben. Die notwendigen Wasser-, Verkehrs- und Industrieprojekte wurden bereits detailliert im Notprogramm der LaRouche-Bewegung für „ein Wirtschaftswunder in Südeuropa, der Mittelmeerregion und Afrika“ dargelegt. Dieser Bericht enthält auch ein Kapitel über „Africa-Pass“, ein Projekt für einen durchgehenden Wasser- und Verkehrskorridor vom Nilbecken in Ägypten über den Sudan bis zur Region der Großen Seen in Ostafrika.

Dean Andromidas