„Das ist kein Militärputsch, sondern eine Revolution!”
Das ägyptische Volk hat durch die Absetzung Präsident Mursis
seine Revolution wieder in die eigenen Hände genommen.
Während westliche Regierungen und Medien die ägyptische Armee verurteilten
und ihr einen „Militärputsch“ gegen die vom nun abgesetzten Präsidenten
Mohammed Mursi angeführte Regierung der Moslem-Bruderschaft vorwerfen,
feierten die Ägypter Mursis Sturz mit großem Jubel. Tatsächlich sieht ein
großer Teil der Bevölkerung die Entwicklung so, daß dadurch das Volk die
ägyptische Revolution zurückgewonnen hat, nachdem die mit Präsident Obamas
Rückendeckung an die Macht gelangte Moslem-Bruderschaft diese usurpiert hatte.
Die unabhängige ägyptische Tageszeitung Tahrir erschien am 4. Juli mit
der englischsprachigen Überschrift It’s a Revolution... not a Coup, Mr.
Obama - „Das ist kein Putsch, Herr Obama, das ist eine Revolution!“
Der Sturz des Mursi-Regimes ist eine dramatische Reaktion gegen die Politik
in der Region in der Tradition des berüchtigten Sykes-Picot-Abkommens, die mit
dem gewaltsamen Sturz des syrischen Regimes anfinge und wahrscheinlich in
einem dritten Weltkrieg enden würde. Die Moslem-Bruderschaft gilt dabei als
Teil der anglo-saudischen Achse gegen Syrien, die Obama von unterstützt
wird.
Noch vor den Umwälzungen in Ägypten begannen die Massendemonstrationen in
der Türkei, bei denen nicht nur gegen die zunehmend autoritäre Politik der
Islamischen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) von Regierungschef
Reccep Tayyip Erdogan protestiert wurde, sondern auch dagegen, daß die
Regierung den gewaltsamen Umsturzversuch in Syrien so aktiv unterstützt.
Es war kein Putsch
In Ägypten hat die Armee auf das Drängen des Volkes hin die
Moslem-Bruderschaft von den Zügeln der Macht entfernt, und inzwischen wurde
der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Adly Mahmoud Mansour, als
Übergangspräsident vereidigt, mit dem Auftrag, für die Ausarbeitung einer
neuen Verfassung und die Durchführung von Neuwahlen zu sorgen.
In seiner Rede zur Amtsübernahme dankte Mansour dem „großen ägyptischen
Volk - dem Herren, dem Führer und der Quelle der Macht“ für die Ehre, ihm als
Übergangspräsident dienen zu dürfen. Das Volk habe die „glorreiche Revolution“
von 2011 wieder ins Gleis gehoben. Mansour versprach, den Idealen der
Revolution treu zu folgen. „Anbetung des Herrschers“ werde es nicht mehr
geben. Er dankte der Armee, der Justiz, der Polizei und den Medien für ihre
Rolle in dieser epochemachenden Wende und erklärte, der einzige Weg, den
wahren Willen des Volkes zum Ausdruck zu bringen, seien demokratische und
faire, wirklich freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Das Bündnis, das die Hälfte der ägyptischen Wähler auf die Straßen gebracht
hatte, die vom Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei angeführte Nation
Rettungsfront (NSF), veröffentlichte am 4. Juli eine Erklärung, in der es
heißt: „Was Ägypten derzeit erlebt, ist in keiner Weise ein Militärputsch. Es
war eine notwendige Entscheidung, die von der Führung der Streitkräfte
getroffen wurde, um die Demokratie zu schützen, die Einheit und Integrität des
Landes zu erhalten, die Stabilität wiederherzustellen und wieder auf den Weg
zum Erreichen der Ziele der Revolution des 25. Januar zurückzufinden.“ Die
Entscheidung von Generalstabschef Abdel-Fattah El-Sisi, Mursi abzusetzen und
die Verfassung zu suspendieren, sei erst nach Konsultationen mit dem Großimam
der Al-Azhar-Moschee, dem koptischen Papst, der NSF sowie einem Vertreter der
salafistischen Nour-Partei erfolgt, die ebenfalls Teil der Protestkampagne
war, die Millionen Ägypter auf die Straßen brachte.
Wendepunkt Syrien
Der Vorwurf, dies sei ein Militärputsch gegen den „demokratisch gewählten“
Mursi, ist reiner Sophismus. Hitler und Mussolini waren auch „demokratisch
gewählt“, und ähnlich wie diese mißbrauchte Mursi sein Mandat dazu, sich
systematisch autoritäre Befugnisse anzumaßen, darunter gesetzgeberische und
Exekutiv-Kompetenzen, die sich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen.
Vor allem aber kam Mursi nur an die Macht, indem er mit Hilfe eines von den
Briten und Saudis unterstützten Bündnisses radikaler, mit Al-Kaida verbundener
islamistischer Gruppen, dem auch die Moslem-Bruderschaft als führende Kraft
angehörte, den „Arabischen Frühling“ vereinnahmte. Das gleiche Bündnis machte
schon aus dem Arabischen Frühling in Libyen einen blutigen Bürgerkrieg,
unterstützt durch Militärintervention Großbritanniens, Frankreichs und der
USA, der das Land ins Chaos stürzte und die Bevölkerung der Gnade bewaffneter
Banden ausgeliefert hat.
In Syrien ging diese Verkehrung des Arabischen Frühlings sogar noch weiter,
weshalb nun in der gesamten Region ein blutiger Konflikt zwischen Sunniten und
Schiiten droht, der zu einem Krieg gegen den Iran und einer atomaren
Konfrontation der Supermächte führen kann.
Der entscheidende Wendepunkt kam im vergangenen Monat, als die britische
Marionette Obama und sein Sicherheitsteam im Weißen Haus die US-Streitkräfte
aufforderten, syrische Militärstützpunkte zu bombardieren - eine Forderung,
die der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der USA, General Martin
Dempsey, vehement zurückwies. Obama kündigte trotzdem an, die USA würden die
syrische Opposition nun militärisch unterstützen.
Nur Tage nach Obamas Ankündigung befahl Mursi den Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zu Syrien. Die Moslem-Bruderschaft in Ägypten
veranstaltete eine Pressekonferenz, bei der auch Mursi sprach und einen
Dschihad und eine ausländische Militärintervention gegen die syrische
Regierung forderte. Syriens schiitische Verbündete Iran und Hisbollah
beschimpfte er als „Ungläubige“.
Das brachte für die Armee, die schon zunehmend in Sorge über die wachsenden
Spannungen im Land war, das Faß zum Überlaufen und führte sie zu der
Entscheidung, zu intervenieren.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf
namentlich nicht genannte Offiziere der ägyptischen Streitkräfte: „Die Sorge
der Armee über die Art und Weise, wie Präsident Mohammed Mursi Ägypten
regierte, überschritt den kritischen Punkt, als das Staatsoberhaupt an einer
Kundgebung voller weiterer hartgesottener Islamisten teilnahm und einen
heiligen Krieg gegen Syrien forderte.“
Die Armee veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß, ihr Mandat sei
es, Ägyptens Grenzen zu verteidigen, aber nicht, andere Länder
anzugreifen.
Mursis Absetzung ist eine schlechte Nachricht für die türkische Regierung,
deren regierende Islamische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) nicht
nur ein enges Bündnis mit Mursi geschlossen hatte, sondern auch die gleiche
Politik gegen Syrien verfolgt.
Die türkische Regierung verurteilte den „schmutzigen Putsch“ der
ägyptischen Armee. Ein Kommentator in der Tageszeitung Hurriyet
schrieb: „Wenn man den vereinnahmten ,Frühling’ in Ägypten zurückgewinnen
kann..., dann müssen wir uns darauf gefaßt machen, die Folgewirkungen im Rest
dieser Region zu erleben. Das werden keine guten Neuigkeiten für die AKP
sein.“
Birol Akgün vom Institut für strategisches Denken (SDE) in Ankara erklärte
gegenüber Today’s Zaman: „Man darf nicht erwarten, daß die
türkisch-ägyptische Partnerschaft, die in der Ära Mursi, der großen Wert auf
die Beziehungen zu Ankara legte, floriert hat, nach diesem Moment so
weiterbestehen wird. Es wird für die Türkei schwierig werden, von der
ägyptischen Armee die gleiche Unterstützung für ihre Nahostpolitik zu
erhalten. Wenn die Putschsituation noch eine Weile andauert, wird das der
türkischen Politik in der Region einen schweren Schlag versetzen.“
Gefahren für die Revolution
Die neue ägyptische Revolution steht vor zwei Gefahren. Die erste ist, daß
die Moslem-Bruderschaft über ihren ausgedehnten Untergrundapparat eine Gewalt-
und Terrorkampagne organisiert, um aus Ägypten ein weiteres Syrien zu
machen.
Eine Expertengruppe der Vereinten Nationen untersuchte den massiven
Schmuggel der Waffen, mit denen die USA, Großbritannien, Frankreich und andere
Libyen überschwemmten, um Muammar Gaddafi zu stürzen, nach Syrien, Ägypten und
in andere Länder. Ihr gerade vorgelegter Bericht dokumentiert, daß riesige
Mengen dieser Waffen in alle Teile Ägyptens geschmuggelt wurden, darunter
nicht nur kleine Kaliber, sondern auch schwere Waffen und Tausende Schuß
Munition. Diese Waffen befinden sich nun in den Händen von Kriminellen und von
radikalen Extremisten, und inzwischen operieren schon gutbewaffnete
Terrorgruppen, die mit Al-Kaida verbündet sind, auf der Halbinsel Sinai.
Eine noch größere Gefahr ist der Zusammenbruch der ägyptischen Wirtschaft,
der schon den ursprünglichen Arabischen Frühling mit veranlaßt hatte. Mursi
hatte wirtschaftliche Wunder versprochen, nutzte aber statt dessen sein Mandat
dazu, die Macht der Moslem-Bruderschaft zu zementieren. Mursis Unterstützer in
den USA und Großbritannien taten nichts, um das Land in irgendeiner Weise
wirtschaftlich zu entwickeln; die Folgen waren mehr Arbeitslosigkeit, Einbruch
der Industrie, Stromausfälle und allgemein eine weitere Verschlechterung des
Lebensstandards.
Die einzige Hoffnung für Ägypten ist nun, daß das derzeitige mörderische
Weltfinanzsystem abgeschafft wird, indem die USA und Europa eine
Glass-Steagall-Bankentrennung einführen, und daß in einem neuen Kreditsystem
große Mengen niedrigverzinster Kredite zur Verfügung gestellt werden, um
international die Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft voranzutreiben.
Die notwendigen Wasser-, Verkehrs- und Industrieprojekte wurden bereits
detailliert im Notprogramm der LaRouche-Bewegung für „ein Wirtschaftswunder in
Südeuropa, der Mittelmeerregion und Afrika“ dargelegt. Dieser Bericht enthält
auch ein Kapitel über „Africa-Pass“, ein Projekt für einen durchgehenden
Wasser- und Verkehrskorridor vom Nilbecken in Ägypten über den Sudan bis zur
Region der Großen Seen in Ostafrika.
Dean Andromidas