"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Afrikanische Union wehrt sich gegen Justiz-Imperialismus

Ein Sondergipfel der Afrikanischen Union am 11.-12. Oktober befaßte sich mit dem einseitig gegen Afrika gerichteten Verhalten des Internationalen Strafgerichtshofs.

Vom 11.-12. Oktober veranstaltete die Afrikanische Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba einen zweitägigen Sondergipfel, um mehr Widerstand gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu organisieren, dessen Aktivitäten sich einseitig gegen führende Afrikaner richten. Der Gipfel beschloß ein Ultimatum an den IStGH: Wenn das Gericht nicht auf die Ersuchen der AU reagiert, wird sich die AU an den UN-Sicherheitsrat wenden. Der von dem Spekulanten George Soros gegründete IStGH ist keine UN-Einrichtung, aber der Sicherheitsrat ist befugt, IStGH-Fälle auszusetzen.

Da das Gericht selbst bisher alle Anträge der AU abgelehnt hat, fordert die Union in ihrer Resolution nun den Weltsicherheitsrat auf, nach Artikel 16 des Römischen Statuts (der Rechtsgrundlage des IStGH) das Verfahren gegen den kenianischen Staatschef Uhuru Kenyatta für ein Jahr auszusetzen. Nach Ablauf eines Jahres könnte diese Aussetzung verlängert werden.

Damit liegt die Entscheidung beim UN-Sicherheitsrat. Wenn sich dort die ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich mit Obamas USA im Schlepptau durchsetzen und den Antrag der AU ablehnen, dann wird die ganze Welt sehen, daß der Internationale Strafgerichtshof nur ein Werkzeug dieser imperialen Mächte gegen Afrika ist. (Siehe dazu im nebenstehenden Kasten Auszüge aus der Rede Kenyattas.)

Der Kampf der AU gegen den Gerichtshof ist Teil eines Kampfes für die Befreiung Afrikas aus seinem zweitrangigen Status eines bloßen Rohstofflieferanten für die Kolonialmächte. Diese Zustände sind das eigentliche große Verbrechen, bei dem die Täter straffrei ausgehen!

Konkreter Streitpunkt sind die Anklagen des IStGH gegen die amtierenden Staatschefs von Kenia und dem Sudan. Der IStGH hat in dem Jahrzehnt seines Bestehens nur Afrikaner verfolgt.

Der Gipfel begann am 11. Oktober am Sitz der AU in Addis Abeba mit einem vorbereitenden Treffen der Außenminister und endete am nächsten Tag mit dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Im Vorfeld des Gipfels war sogar davon die Rede, daß die afrikanischen Staaten geschlossen aus dem Römischen Statut austreten könnten.

Vor den versammelten Staatschefs sagte der AU-Vorsitzende, der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Desalegn: „Die unfaire Behandlung, der wir durch den IStGH unterzogen werden, ist völlig inakzeptabel.“ Das Vorgehen des Gerichts gegen die sudanesischen und kenianischen Präsidenten könne die Bemühungen um Frieden und Versöhnung in diesen Ländern behindern.

In einer zusätzlichen Erklärung nach dem Gipfel schrieb Desalegn, wenn die Verfahren gegen Präsident Kenyatta und dessen Vizepräsidenten William Ruto nicht ausgesetzt würden, so „haben sich die Staatschefs darauf geeignet, eine Verschiebung des Verfahrens zu beantragen“. Da das Gericht auf frühere Anträge der AU nicht reagierte, betonte Desalegn: „Der Gipfel hat entschieden, daß Präsident Kenyatta nicht vor dem Gericht erscheinen sollte, bis wir auf unseren Antrag tatsächlich eine Antwort erhalten haben.“ Und weiter: „Es ist sehr bedauerlich, daß das Gericht unter völliger Mißachtung der von uns geäußerten Bedenken weiterarbeitet.“

Mehrere afrikanische Länder erheben den Vorwurf, das Vorgehen des IStGH sei unfair und politisch motiviert. Alle acht Verfahren, die dort gegenwärtig laufen, richten sich gegen Afrikaner.

Desalegn sagt, der Gipfel solle kein Kreuzzug gegen das Gericht sein, sondern die Forderung unterstreichen, Afrikas Besorgnisse ernst zu nehmen.

Äthiopiens Außenminister Tedros Adhanom Ghebreyesus eröffnete das Treffen mit einem scharfen Angriff auf den IStGH: „Die Art und Weise, wie das Gericht arbeitet, besonders seine unfaire Behandlung Afrikas und der Afrikaner, läßt viel zu wünschen übrig... Weit davon entfernt, Gerechtigkeit und Versöhnung zu fördern..., hat sich das Gericht in ein politisches Werkzeug verwandelt. Diese unfaire und ungerechte Behandlung ist völlig inakzeptabel.“

Die Präsidentin der AU-Kommission, die frühere südafrikanische Außenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma, stellte den wichtigen Beitrag Kenyattas zur Versöhnung in Kenia besonders heraus. Sein Vizepräsidentschaftskandidat bei der Wahl im März 2013, William Ruto, stammt aus einer anderen ethnischen Gruppe als Kenyatta. Die beiden, die schon im ersten Wahlgang siegten, einen deshalb die beiden ethnischen Gruppen, die für die Gewalttaten im Jahr 2007, auf die sich das IStGH-Verfahren bezieht, weitgehend verantwortlich waren.

In der Zeit der Kolonialherrschaft haben die europäischen Kolonialmächte systematisch ethnische Konflikte geschürt, um diese als Mittel für den Erhalt ihrer Macht auszunutzen. Diese Probleme plagen Afrika immer noch, und sie werden durch mangelnden wirtschaftlichen Fortschritt und die hohe Arbeitslosigkeit infolge der harten Kreditbedingungen des Weltwährungsfonds noch verschärft. Der IStGH hat sich darauf spezialisiert, für Menschenrechtsverletzungen, die aus diesen historisch bedingten Problemen herrühren, afrikanische Politiker verantwortlich zu machen.

Sorge um Kenias Sicherheit

Das laufende Verfahren gegen Ruto und das bevorstehende Verfahren gegen Kenyatta hat die Sorgen der AU sehr bestärkt, weil zum erstenmal ein amtierendes Staatsoberhaupt angeklagt wird und das ein Präzedenzfall dafür sein kann, jedem beliebigen afrikanischen Land seine Staatsführung zu nehmen.

Gleichzeitig drohen in Kenia weitere brutale Angriffe islamistischer Dschihadisten wie der vom 21. September auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi.

Die AU ist auch besonders besorgt über die Forderung des IStGH, daß Ruto und Kenyatta persönlich zu dem Verfahren nach Den Haag reisen, was bedeutet, daß sie in der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Regierungspflichten behindert werden. Diese Sorge hat die AU schon am 10. September in einem Brief an das Gericht geäußert.

Den beiden wird die Verwicklung in Morde bei Gewaltausbrüchen nach der Wahl des vorangegangenen Präsidenten Mwai Kibaki 2007 vorgeworfen. Beide haben einem Gerichtsverfahren zugestimmt, deshalb wurde kein Haftbefehl gegen sie erlassen. Rutos Verfahren hat bereits angefangen, Kenyattas soll am 12. November beginnen. Die kenianische Regierung hat darum gebeten, daß er per Videoschaltung am Prozeß teilnehmen darf. Am 10. Oktober haben seine Rechtsanwälte beim Gericht eine Unterbrechung des Verfahrens beantragt.

Kenia ist wegen seiner strategischen geographischen Lage für die Entwicklung der Länder Ostafrikas von entscheidender Bedeutung, weil die einzige Verbindung zum Meer für Ruanda, den Osten der Demokratische Republik Kongo und Uganda durch Kenia verläuft. Kenia plant auch den Bau eines leistungsfähigen Transportkorridors mit einem neuen Hafen, um dem Norden Kenias, dem Südsudan und Äthiopien einen verbesserten Zugang zum Meer zu verschaffen.

AU contra IStGH

Hier folgt noch eine kurze Übersicht über die Auseinandersetzung zwischen dem IStGh und der AU:

  • Auf ihrem Gipfel im Mai 2013 rief die AU den IStGH dringend auf, die Fälle Kenyatta und Ruto zurück an kenianische Gerichte zu verweisen.

  • Das Gericht eröffnete dessen ungeachtet im September das Verfahren gegen Ruto.

  • Ein zusätzlicher Affront war, daß der IStGH eine frühere Vereinbarung, das Verfahren gegen die beiden in Abwesenheit zu führen, einseitig aufkündigte.

  • Als das Verfahren gegen Ruto begann, erneuerte die AU einen früheren Antrag, daß die beiden selbst entscheiden sollten, welchen Sitzungen sie persönlich beiwohnen, um ihre Regierungspflichten zuhause nicht zu vernachlässigen.

  • Als der IStGH hochmütig antwortete, dieser Antrag entspreche nicht den juristischen Voraussetzungen, beantragte Kenia die Sondersitzung der AU, was mit der Zustimmung von zwei Drittel der AU-Mitgliedstaaten angenommen wurde.

Douglas DeGroot