"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Warum der Westen China in Afrika fürchtet

Von Lawrence Freeman

Ein neues Buch zweier US-Experten gibt einen guten Einblick in das Verhältnis zwischen China und Afrika bis in die Gegenwart: David Shinn und Joshua Eisenman, „China and Africa - A Century of Engagement“, University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2012, 525 Seiten, 56 Euro (nur auf Englisch erhältlich).

Die westlichen Länder klagen in immer schrilleren Tönen über Chinas wirtschaftlichen Vormarsch in Afrika, und es bahnen sich darum schon ernsthafte Konflikte an. Der Grund ist, daß die Chinesen selbst im Rahmen des völlig zerrütteten gegenwärtigen Finanzsystems eine klare Alternative zur neokolonialen Ausbeutungspolitik des Westens anbieten. Ihr Engagement beruht auf Achtung vor der nationalen Souveränität und beinhaltet einen systematischen Ausbau der grundlegenden Infrastruktur der Volkswirtschaften.

Diesen Gegensatz zwischen dem Westen und China im Verhältnis zum afrikanischen Kontinent beleuchtet ein neues Buch zweier US-Experten mit einer Fülle zusammengetragener Fakten sehr deutlich - auch wenn die Autoren jede Polemik vermeiden. Die Autoren sind David Shinn, der ehemalige US-Botschafter in Burkina Faso, und der China-Experte Joshua Eisenman. Sie bezeichnen ihr neues Buch China and Africa - A Century of Engagement („China und Afrika - ein Jahrhundert der Zusammenarbeit“) als umfassendste Darstellung der Beziehungen zwischen China und Afrika seit Bruce Larkins Buch China and Africa 1949-1970 aus dem Jahr 1971. Ich bin kein Experte für das Thema und kann daher nicht beurteilen, ob diese Behauptung richtig ist. Doch zweifellos gibt ihr Buch tatsächlich einen sehr umfassenden Überblick über die Beziehungen zwischen China und dem afrikanischen Kontinent im letzten Jahrhundert.1 Und es hätte wohl zu keinem besseren Zeitpunkt erscheinen können als inmitten der derzeitigen strategischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise.

Das Buch bietet auch einen Schatz an historischem Material aus der Zeit seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 bis in die Gegenwart (2011), das die verschiedenen Phasen von China wirtschaftlicher Entwicklung und die heutigen Herausforderungen für das Land widerspiegelt. Angesichts des erschöpfenden Umfangs könnte das Buch auch den Untertitel tragen: „Alles was Sie schon immer über China und Afrika wissen wollten.“ Es enthält viele wertvolle Hinweise, insbesondere für Afrikanisten. Wer David Shinns Schriften und Vorlesungen kennt, könnte auch sagen: „Typisch Shinn.“ Wir möchten im folgenden anhand des Buches einen Einblick in die chinesische Afrikapolitik und die Unterschiede zur westlichen Politik geben.

Wider die westliche Nullwachstumspolitik

Aus den Fakten in dem Buch kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß China im letzten Jahrzehnt Afrika bewußt zu einer Priorität seiner Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik gemacht hat. Viele Afrikaner sind überzeugt, daß der Westen, besonders die USA und die EU, sie eigentlich abgeschrieben hat und es nur noch darum geht, den westlichen Öl- und Rohstoffkonzernen (nicht zu vergessen Mobiltelefonfirmen) satte Gewinne zu sichern. In diese Sektoren hat zwar auch China kräftig investiert. Aber anders als der Westen, der seit etwa 1970 kaum mehr als das absolute Minimum in die Infrastruktur in Afrika investiert - gerade soviel, um die Rohstoffe ausführen zu können -, investiert China viel in große Infrastrukturprojekte, die Afrika dringend braucht, und plant dies noch auszuweiten.

Wie die Autoren bemerken, gibt es zwar Beschwerden darüber, daß China niedrige Löhne zahlt und Afrika mit billigen Konsumgütern überschwemmt, teils auch über die Qualität der Produkte, aber so gut wie jeder auf dem afrikanischen Kontinent begrüßt es, daß China den afrikanischen Nationen realen Mehrwert bringt. China hat schon 2009 die Vereinigten Staaten als größter Handelspartner Afrikas überholt.

Kurz gesagt: China will Afrikas Rohstoffe für seine eigene wirtschaftliche Entwicklung haben, liefert aber als Gegenleistung dafür Afrika reale wirtschaftliche Werte, während der Westen sich einfach nur Afrikas Ressourcen nimmt und den Nationen als Gegenleistung praktisch gar nichts gibt. Auf die Gründe für diesen Unterschied gehen die Autoren nicht weiter ein.

Wir erleben derzeit einen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Niedergang der transatlantischen Welt. Seit 1999 das Glass-Steagall-Gesetz aus der Ära von US-Präsident Franklin Roosevelt, das legitimes Bankgeschäft und die Zockerei von Investmentbanken strikt trennte, wieder aufgehoben wurde, ging es mit den USA immer steiler bergab. Zur gleichen Zeit hat China trotz aller eigenen Schwächen einen anderen Kurs eingeschlagen, der auf wirtschaftlichen Fortschritt abzielt. Das spiegelt sich auch im völlig anderen Ansatz in der Afrikapolitik wider, die von der Regierungsspitze und der chinesischen Kommunistischen Partei festgelegt wird.

Seit der Nationale Sicherheitsberater und US-Außenminister Henry Kissinger 1974 sein berüchtigtes Memorandum NSSM-200 verfaßte - das „Studien-Memorandum zur Nationalen Sicherheit 200: Implikationen des weltweiten Bevölkerungswachstums für die Sicherheitsinteressen der USA in Übersee“ -, gilt das Wachstum von Industrie und Bevölkerung der afrikanischen Nationen für die amerikanische Regierungspolitik als strategische Bedrohung. Denn der Westen beansprucht Afrikas Rohstoffe für sich, aber je mehr dort Bevölkerung und Wirtschaft wachsen, desto mehr ist Afrika geneigt, seine Rohstoffe für sich selbst zu behalten. Seitdem verweigern die führende Wirtschaftsmacht USA und die transatlantischen Finanzinstitutionen konsequent Investitionen in große Infrastrukturprojekte, obwohl Afrika sie dringend bräuchte. Statt dessen lautet die strategische Ausrichtung dieser Institutionen nur noch: Bevölkerungsreduzierung und Nullwachstum - die Grundüberzeugungen der grünen Bewegung. Die Fanatiker im World Wildlife Fund (der „Mutter“ der weltweiten Ökobewegung) und im britischen Königshaus haben öffentlich erklärt, unser Planet könne nicht mehr als ein bis zwei Milliarden Menschen tragen, weil die Ressourcen begrenzt seien - eine völlig unwissenschaftliche Behauptung. (Alleine Afrikas Bevölkerung hat gerade die Milliardengrenze überschritten.)

China und andere Nationen Asiens lehnen diese westliche Sichtweise ab und investieren lieber Milliarden in den Bau von Straßen, Häfen, Schulen, Eisenbahnen, Wohnungen und Krankenhäusern, und dies, ohne es an politische oder wirtschaftliche Bedingungen zu knüpfen, wie es der Westen seit 40 Jahren tut.

Eine historische Sicht

Es war faszinierend, aus China and Africa zu erfahren, wie die neuzeitliche Geschichte der Beziehungen Chinas zu Afrika mit den berühmten Reisen des muslimischen Entdeckers Zheng He vom Hof des Kaisers Yongle aus der Ming-Dynastie im 15. Jahrhundert begann. Zheng hat 1417-22 als erster chinesischer Seefahrer die Küsten Somalias und Tansanias erreicht. Zheng He bereiste von 1405-33 per Schiff Asien und Ostafrika, „vor Kolumbus, Vasco da Gama und Ferdinand Magellan“, wie die Autoren hervorheben. Im 21. Jahrhundert feiert die chinesische Regierung wieder seinen Forschungsgeist und seine friedlichen Reisen.

Die Autoren beschreiben dann die verschiedenen Phasen der chinesischen Außen- und Wirtschaftspolitik gegenüber Afrika seit der Gründung der Volksrepublik 1949. In den frühen Jahren der Ära Mao Zedongs unterstützte es auf dem afrikanischen Kontinent verschiedene Befreiungsbewegungen. Nach der Kulturrevolution der sechziger Jahre entwickelte China dann ab den siebziger Jahren einen pragmatischeren Ansatz in Verbindung mit seiner wirtschaftlichen Expansion in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, die sich im letzten Jahrzehnt zu einem exponentiellen Wachstum des Handels und der Wirtschaftsaktivität ausweitete.

Die „Fünf Prinzipien“ der friedlichen Koexistenz, die 1954 zwischen den damaligen chinesischen und indischen Premierministern Zhou Enlai und Jawaharlal Nehru vereinbart und zu den Gründungsprinzipien der Asiatisch-Afrikanischen Konferenz 1955 in Bandung/Indonesien (dem Vorläufer der Blockfreien Bewegung) wurden, bilden immer noch einen wesentlichen Aspekt der chinesischen Afrikapolitik. Diese Prinzipien sind: 1. gegenseitige Wahrung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit, 2. gegenseitiger Aggressionsverzicht, 3. Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, 4. Gleichberechtigung und gegenseitiger Nutzen und 5. friedliche Koexistenz.

Bei dieser Konferenz im Jahr 1955 traf Chinas Premierminister erstmals mit Vertretern sechs afrikanischer Nationen zusammen - Ägypten, Äthiopien, Liberia, Sudan, Libyen und Ghana. Keine zehn Jahre später machte Zhou Enlai 1963-64 seine historische Rundreise durch zehn afrikanische Staaten. Im Januar 1964 erweiterte er in einer Rede in Ghana die fünf Prinzipien auf acht Prinzipien der Wirtschaftshilfe, die noch heute Chinas Außenwirtschaftsbeziehungen und seine Haltung gegenüber Afrika prägen. Diese sind u.a.: China geht immer vom Prinzip der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Nutzens aus; China stellt nie Bedingungen und fordert keine Privilegien; China hilft den Empfängerländern, ihr Los möglichst zu erleichtern; China ist bestrebt, den Empfängerländern zu helfen, stufenweise wirtschaftliche Selbständigkeit und unabhängige Entwicklung zu erlangen.2

Als sich Chinas Beziehungen zu den afrikanischen Staaten vertieften, wurden die Fünf Prinzipien nach und nach erweitert und weiterentwickelt. In seiner Rede vor der Organisation für Afrikanische Einheit (dem Vorläufer der Afrikanischen Union) 1996 in Addis Abeba/Äthiopien nannte Präsident Jiang Zemin als Ziele, eine „wetterfeste Freundschaft“ zu schließen, Konsultation und Zusammenarbeit in den internationalen Angelegenheiten auszuweiten, auf die Zukunft zu schauen und eine glänzendere Welt zu schaffen.

Das „Forum für chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit“

Um die vielfältigen Aspekte seiner immer engeren Beziehungen zu Afrika zu koordinieren, hat China eine neue Institution geschaffen, das „Forum für chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit“ (FOCAC). Die erste FOCAC-Konferenz fand im Jahr 2000 unter Beteiligung höchster Vertreter von 40 afrikanischen Nationen in Beijing statt. Weitere Treffen folgten 2003 in Addis Abeba (Äthiopien), 2006 in Beijing, 2009 in Scharm el-Scheich (Ägypten) und 2012 wieder Beijing. Trotz einiger Differenzen um die Anerkennung der Republik China (Taiwan) waren alle gut besucht.3

Die FOCAC-Konferenzen übertreffen in Form und Inhalt alles, was je irgendein westliches Land versucht hat. Sie befassen sich auch nicht nur mit den Wirtschaftsbeziehungen, sondern sorgen für einen Austausch im Bereich der Kultur, des Journalismus und der Bildung.

Im Januar 2006 veröffentlichte Chinas Führung ein Weißbuch über Chinas Afrikapolitik, worin der zukünftige Kurs dieser Politik beschrieben wird. Zunächst werden nochmals die zentralen Aspekte dieser Politik - siehe oben - aufgezählt. Im Abschnitt über die Wirtschaftspolitik heißt es dann, China wolle die Zusammenarbeit an Projekten zum Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Wasser und Stromerzeugung, Verkehr und Kommunikation „zum gegenseitigem Nutzen und gemeinsamer Entwicklung und sinnvollen Nutzung ihrer Ressourcen“ ausweiten. China wolle „sein bestes tun, um den afrikanischen Nationen ohne politische Bedingungen Hilfe zu leisten und sie stufenweise auszuweiten“.

China, so die Autoren, preise sich weder als Vorbild für die afrikanischen Nationen an noch mache es (wie der heuchlerische Westen) sogenannte „gute Regierungsführung“ oder „Demokratie“ zur Vorbedingung für Hilfe und Investitionen. Seit mehr als 50 Jahren hält China an Zhou Enlais Fünf Prinzipien fest.

Im 4. Kapitel werden die Handelsbeziehungen zwischen China und Afrika gründlich untersucht, als Grundlage dienen Zahlen, die von 1948 bis 2010 reichen. Der Handel ist in dem Jahrzehnt von 2000 bis 2010 exponentiell gewachsen. Die Autoren weisen dabei darauf hin, daß in der Frühzeit der Volksrepublik der Handel nicht wirtschaftlich motiviert war, sondern als Mittel betrachtet wurde, Chinas politische Ziele international zu fördern.

Der wichtigste afrikanische Handelspartner war Ägypten. 1955 exportierte China Waren im Wert von 23 Mio.$ nach Afrika und importierte für 27 Mio.$ Waren aus Afrika. Zehn Jahre später erreichte der Handel mit Afrika ein Gesamtvolumen von 247 Mio.$.

Nach dem Ende der Kulturrevolution und dem Beginn der Wirtschaftsreformen und der Politik der „Öffnung“ wuchs Chinas Handel mit der übrigen Welt in den nächsten 20 Jahren um 2000%. Das gilt auch für Afrika, wenn auch ungleichmäßig. Bis 2000 erreichte Chinas Afrikahandel ein Volumen von 10 Mrd.$. In der „FOCAC-Dekade“ wuchs er dann um fast 1300% auf 128,5 Mrd.$ im Jahr 2010.

Die Autoren erklären dies mit dem Aufblühen der chinesischen Wirtschaft und der „Nachfrage nach Rohstoffen und Exportmärkten für ihre Produkte“.

Eine anti-imperiale Vision für Afrika

Afrika ist ein Kontinent mit gewaltigen natürlichen Reichtümern, aber ohne Infrastruktur, und deshalb wirtschaftlich betrachtet immer noch eine britische Kolonie, die man verhungern läßt. US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte eine großartige anti-imperiale Vision, die nordafrikanischen Wüsten in einen Garten der Entwicklung zu verwandeln und die Welt von den „britischen Methoden des 18. Jahrhunderts“ zu befreien. Die USA hätten bei der Entwicklung Afrikas die Führung übernehmen können, durch die Vergabe langfristiger, niedrigverzinster Kredite für lebenswichtige Infrastruktur-Großprojekte.

Roosevelt hatte verstanden, daß der Ausbau der Infrastruktur die Produktivkräfte der Arbeit für die Gesellschaft insgesamt steigert und so zu einem Wachstum des realen, physischen Wohlstands führt - anders als bei der bloßen Ausfuhr von Rohstoffen. Roosevelt belehrte Churchill, die Kolonialpolitik, „die den Reichtum an Rohstoffen aus einem kolonialen Land herausholt, aber den Menschen dieses Landes nichts von Bedeutung dafür gibt“, sei falsch und nicht mehr zeitgemäß. Er fuhr fort: „Zu den Methoden des 20. Jahrhunderts gehört es, Industrie zu bringen..., die den Wohlstand eines Volkes vergrößert, indem sie seinen Lebensstandard verbessert, ... und sicherstellt, daß es für die Rohstoffe seiner Gesellschaft etwas bekommt.“4

Aber heute praktizieren die USA selbst die kolonialen Methoden der Briten. US-Regierungsvertreter reisen zusammen mit Vertretern der Privatwirtschaft durch den Kontinent und werben für Obamas gescheiterte Politik des „marktorientierten Freihandels“ und sein Programm mit dem irreführenden Namen „Nahrung für die Zukunft“ (Feed the Future), das offensichtlich keineswegs Afrika ernährt, denn noch immer hungern zig Millionen Afrikaner. Das Entwicklungshilfeprogramm US-AID baut zwar hier oder da eine Straße oder finanziert vielleicht ein kleines Abwasser- oder Wasserprojekt, aber all das ist vollkommen unzureichend. Außerdem fällt vielen auf, daß Obama im neuen „Wettlauf um Afrika“ Verbündete für seinen Drohnenkillerkrieg sucht, während China keine Militärstützpunkte in Afrika hat und auch keine anstrebt, was chinesische Regierungsvertreter im persönlichen Gespräch mit dem Verfasser betont haben und was auch Shinn und Eisenman bestätigen.

Die Autoren ziehen daraus ihre eigenen Schlüsse: „Die meisten afrikanischen Regierungen begrüßen chinesische Investitionen, insbesondere nach dem Rückgang der westlichen Investitionen nach dem Ende des Kalten Krieges. Chinesische Unternehmen investieren auch in Infrastruktur, Produktion und Landwirtschaft, Bereiche, die in den letzten Jahren von westlichen Unternehmen gemieden wurden.“

Führend bei den chinesischen Bauprojekten in China sind Unternehmen, die mehrheitlich in Staatbesitz sind, sog. SOEs (state-owned enterprises). Diese Unternehmen, die Vorzugskredite von Chinas staatlichen Banken und Finanzierungseinrichtungen erhalten, setzen oft chinesische Arbeitskräfte ein und machen Gewinn, streben aber keine unverhältnismäßig hohen Profite an. Anders als westliche Medien manchmal behaupten, ist nur ein sehr kleiner Teil der Kredite an Tauschgeschäfte mit Rohstoffen gebunden. Besonders günstig sind diese Geschäfte für die afrikanischen Länder, wenn sie die SOEs mit Vorzugskrediten aus China bezahlen können; diese sind oft nur mit 2 oder 3% verzinst und haben eine Laufzeit von 15-20 Jahren mit einer tilgungsfreien Zeit von 5-7 Jahren. 2007 vergab die chinesische Export-Import-Bank 24 Mrd.$ an Krediten nach Afrika, davon etwa 8-9 Mrd.$ als Vorzugskredite. Bei einigen Krediten wurde sogar ganz auf die Rückzahlung verzichtet. Obwohl Chinas Kredite an Afrika inzwischen ein Milliarden-Volumen erreicht haben, sind sie immer noch sehr gering im Vergleich zu den fast 300 Mrd.$, die Afrika den westeuropäischen Ländern und Finanzinstitutionen schuldet, ohne dafür eine dauerhafte Gegenleistung erhalten zu haben.

Bau von Infrastruktur

Eine auffällige Schwäche von Chinas Engagement in Afrika ist, daß es bisher noch keine überregionalen oder kontinentalen Projekte der Wasser-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur gibt, die einen echten Quantensprung in der wirtschaftlichen Produktivität bewirken. Einen solchen Sprung brauchen die Länder Afrikas, um das furchtbare Elend zu überwinden und angemessen für das Allgemeinwohl ihrer Bürger zu sorgen. Dazu wäre jedoch eine Änderung der weltweiten Finanzarchitektur erforderlich, an der sich auch die großen westlichen Industrienationen beteiligen müßten.

Trotzdem ist Chinas Beitrag beachtlich. Nach meiner groben Schätzung anhand der Weltbank-Zahlen, die in dem Buch angeführt werden, betrug Chinas finanzieller Aufwand für Infrastrukturprojekte in Afrika von 2001-07 ungefähr 16 Mrd. $. In diesen Jahren dienten 33% der Projekte der Stromerzeugung, insbesondere aus Wasserkraft, wobei China den Bau von 17 Staudämmen in 19 Staaten übernahm; weitere 33% gingen in die Verkehrsinfrastruktur, d.h. Straßen und Eisenbahnen; und 17% in den Informations- und Kommunikationssektor.

Die Autoren schreiben, die Vorwürfe gegen China, es erwerbe Landbesitz in Afrika, um seine eigenen 1,3 Mrd. Menschen zu ernähren, seien nicht zutreffend. Es gibt zwar eine beträchtliche Zusammenarbeit und Investitionen Chinas in Agrarprojekten in verschiedenen afrikanischen Ländern, aber der allergrößte Teil der erzeugten Nahrungsmittel ist für den örtlichen Verbrauch bestimmt. Chinas Regierung habe „ausdrücklich erklärt, der Ankauf von Grund und Boden im Ausland sei nicht Teil seiner Strategie“ zur Ernährung seiner Bevölkerung, obwohl China „20% der Weltbevölkerung mit nur 8% der Agrarflächen der Welt ernährt“.

Aber China schafft reale, physische Werte. Ein gutes Beispiel ist die Tansania-Sambia-Eisenbahn, das erste größere Infrastrukturprojekt, das China 1975 auf dem Kontinent fertigstellte. China begann dieses Projekt, das durch einen langfristigen und unverzinsten Kredit über 401 Mio.$ finanziert wurde, 1970 - nachdem die Weltbank die Finanzierung der Bahnstrecke verweigert hatte, weil diese sich angeblich „nicht rentieren“ würde. Ähnliches hat sich mehrfach wiederholt.

2007 gab Chinas Export-Import-Bank der Demokratischen Republik Kongo einen Kredit über 6,5 Mrd.$ (ursprünglich waren 9 Mrd. vorgesehen, aber die Summe wurde auf Druck des IWF und westlicher Finanzinteressen reduziert) für den Bau von rund 3000 km Bahnlinien, Gesundheitszentren, Universitäten und 5000 Wohneinheiten. Wie bei anderen derartigen Geschäften sind chinesische Unternehmen beteiligt, und Kongo bezahlt einen Teil des Kredits mit Rohstoffen - Kupfer, Kobalt und Gold.

2009 schlossen China und Äthiopien ein 1,9-Mrd.$-Abkommen über den Bau zweier Staudämme und Wasserkraftwerke. Ein weiterer Milliardenkredit wurde 2010 vergeben, um den Bau einer Straßenbahn in der Hauptstadt Addis Abeba und einer neuen Bahnstrecke von der Hauptstadt nach Dschibuti zu finanzieren.

In Mosambik finanzierte Chinas Export-Import-Bank 2007 durch einen Kredit über 2,3 Mrd.$ den Bau des Mpanda-Nkua-Staudamms und einer Hochspannungsleitung, um die Hauptstadt Maputo mit Strom zu versorgen. 2010 kündigte China an, daß es in den kommenden fünf Jahren weitere 13 Mrd.$ in Industrie-, Bergbau-, Tourismus- und Energieprojekte investieren will.

2010 unterzeichnete Chinas Export-Import-Bank einen Vorzugskredit über 10,4 Mrd.$ mit einer 20jährigen Laufzeit an Ghana; davon sollen fast 3 Mrd.$ in den Bau von Straßen und 6 Mrd.$ in den Bau von Eisenbahnen fließen. Chinas Entwicklungsbank bot weitere 3 Mrd.$ an, um den neuen Erdöl- und Erdgassektor zu entwickeln.

Ein anderer amerikanischer Experte für die chinesisch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen schätzt, daß China jährlich Infrastrukturprojekte in Afrika in der Größenordnung von 40 Mrd.$ finanziert.

Leider gibt es heute im Westen einige gefährliche Narren, die China zum neuen Feindbild aufbauen wollen und wegen seiner Wirtschaftspolitik als „gefährlichen Konkurrenten“ des Westens und besonders der USA in Afrika hinstellen. In Wirklichkeit holt China in Afrika nur einen kleinen Teil von dem auf, was der Westen schon seit einem halben Jahrhundert hätte tun sollen. Statt die Chinesen zu bekämpfen, sollten wir uns mit ihnen verbünden, um dem britischen Imperialismus in Afrika ein Ende zu setzen.


Anmerkungen

1. Das Buch besteht im wesentlichen aus zwei Abschnitten. Die ersten sieben Kapitel behandeln die chinesisch-afrikanischen Beziehungen im Bereich des Handels, der Investitionen, der Medien, des Militärs, der Bildung, chinesische Bevölkerungsgruppen in Afrika und den kulturellen Austausch. Der zweite Abschnitt besteht aus vier Kapiteln, in denen die Beziehungen Chinas zu den 54 Nationen Afrikas in unterschiedlicher Ausführlichkeit „schnappschußartig“ beleuchtet werden. Dieser Abschnitt hat auch einen sehr nützlichen Anhang. Eine Schwäche ist das Fehlen eines Indexes der zahlreichen Abkürzungen, die in dem Buch verwendet werden.

2. China Daily. Alle Zitate und Hinweise stammen, wenn nicht anders angegeben, aus China and Africa.

3. 50 der 54 afrikanischen Nationen haben Beijing anerkannt, aber wie in den Kapiteln zu den einzelnen Nationen und im ersten Anhang ausgeführt wird, nahmen die diplomatischen Beziehungen zu Beijing keinen einheitlichen, geraden Weg.

4. Elliott Roosevelt berichtet in seinem Buch As He Saw It (Wie er es sah) über die Gespräche seines Vaters mit Churchill, in denen F.D. Roosevelt seine Einwände gegen Churchills kolonialistische Politik vorbrachte.