UNO erklärt Ebola zur „Gefahr für Frieden und Sicherheit“
Obwohl der UN-Sicherheitsrat die Ebola-Seuche in Westafrika als
eine Bedrohung identifiziert hat, wird nur unzureichend dagegen
mobilisiert.
In der ersten Sondersitzung zu einer öffentlichen Gesundheitskrise in der
Geschichte des UN-Sicherheitsrats wurde am 18. September die westafrikanische
Ebola-Epidemie zu einer „Gefahr für Frieden und Sicherheit“ erklärt.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und die Direktorin der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) Dr. Margaret Chan präsentierten ihren
Vorschlag für einen internationalen Aktionsplan gegen die schlimmste
Ebola-Epidemie der Geschichte. 130 Mitgliedstaaten stimmten dann einhellig für
eine Resolution, die besagt, „daß das beispiellose Ausmaß des Ebola-Ausbruches
in Afrika, wo die Anzahl neuer Fälle schneller zunimmt, als Hilfskräfte damit
umgehen können, eine Gefahr für den internationalen Frieden und Sicherheit
darstellt“.
Dennoch übersteigt die Ausbreitung der Epidemie derzeit bei weitem die
Möglichkeiten der verspäteten internationalen Mobilisierung, die Krankheit
unter Kontrolle zu bringen. Einem neuen Modell zufolge, das von der
Zoologischen Abteilung der Universität Oxford entwickelt wurde, sind 15
afrikanische Nationen innerhalb eines stark bewaldeten grünen Gürtels quer
durch den Kontinent von Ebola bedroht, weil Urwaldtiere dem Virus als Träger
dienen.
Ban erklärte nach dem Treffen, daß die Vereinten Nationen eine
internationale Notsanitätsmission, die UN-Mission für Ebola-Gefahrenabwehr
(UNMEER), einsetzen werden. Diese habe fünf Prioritäten: „...den Ausbruch
aufhalten, die Infizierten behandeln, lebenswichtige Dienste gewährleisten,
Stabilität erhalten und weitere Ausbrüche verhindern“.
Einen Eindruck von den Schwierigkeiten bei dem Unterfangen, die Ausbreitung
der Krankheit aufzuhalten, geschweige denn sie zurückzudrängen, geben die
Äußerungen des stellvertretenden Generaldirektors der WHO für Polio, Notfälle
und Länderübergreifende Zusammenarbeit, Bruce Aylward, der in einer
Pressekonferenz am 16. September die UN-Erklärung erläuterte. Nur um die Zahl
der Ebola-Infizierten in der Größenordnung von „Zehntausenden“ zu halten,
würden Mittel von annähernd einer Milliarde US-Dollar benötigt, sagte Aylward.
„Offen gesagt, meine Damen und Herren“, sagte er, „ist diese Gesundheitskrise,
der wir gegenüberstehen, ohne Beispiel in der neueren Zeit... Wir wissen
nicht, in welche Richtung die Zahlen hier laufen werden.“
Außer Kontrolle
Auch wenn es einige Schlagzeilen über „gute Nachrichten“ gab - wie zum
Beispiel, daß in Senegal und Nigeria in den letzten Tagen keine neuen Fälle
gemeldet wurden, und daß die Krankheit keine Bedrohung für die USA darstelle
-, ist Ebola in Wahrheit außer Kontrolle. Wissenschaftler berichten, daß die
Zahl der Krankheitsfälle sich alle drei bis vier Wochen verdoppelt. Und es
herrscht kein Zweifel daran, daß die Anzahl der Krankheitsfälle, und damit
auch der Todesfälle, ungenügend erfaßt wird. Dabei liegt die berichtete
Sterberate weiter bei 50% und darüber. Von den mehr als 5000 gemeldeten Fällen
endeten über 2600 tödlich.
Hinzu kommt, daß die Ausbreitung der Krankheit und die damit einhergehenden
sozialen Unruhen dazu führen, daß eine ganze Reihe anderer Krankheiten, die in
den verarmten Ländern im Epizentrum des Ebola-Ausbruchs - Liberia, Sierra
Leone, Guinea - endemisch sind, wie z.B. Malaria, unzureichend behandelt
werden.
Dr. Kent Brantly, der sich in Liberia mit Ebola ansteckte und zur
Behandlung in die USA geflogen wurde, sagte vor beiden Anhörungen des
US-Kongresses aus. In der Anhörung im US-Senat sagte er, die Zahl der
Todesfälle habe sich „seit dem Zeitpunkt, als ich krank wurde, also vor zwei
Monaten, bereits verdreifacht“. Und er fügte hinzu: „In neun Monaten werden
wir mehrere Hunderttausend haben - nicht bloß Krankheitsfälle, sondern
Todesfälle.“
Obamas Ankündigung
Am 17. September kündigte Präsident Obama die vollkommen unzureichende
Initiative an, 3000 US-Soldaten, darunter auch Ärzte, für die Bekämpfung von
Ebola nach Liberia zu schicken - das Land, das am schlimmsten von der Epidemie
betroffen ist. Allein in Liberia könnten bis Weihnachten eine Viertelmillion
Menschen infiziert sein, so Laurie Garrett, leitende Mitarbeiterin für
Weltgesundheit beim Council on Foreign Relations und mit dem Pulitzer-Preis
ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin. Garrett schrieb am 17. September,
nur eine mit höchster Eile betriebene, weltweite Initiative könne die Lage
umkehren und verhindern, daß die Seuche sich noch weiter ausbreitet.
Experten machen darauf aufmerksam, daß man sich nun auf Neuland begebe,
weil Ebola sich zuvor noch nie in städtischen Gebieten ausgebreitet hatte, wie
es jetzt der Fall ist. Unter Hinweis auf Obamas Vorschlag warnte Stephen
Morrison, Hauptabteilungsleiter am Center for Strategic and International
Studies, am 21. September: „Die anstehende Mobilisierung kommt sehr spät und
zu einem Zeitpunkt, wo das exponentielle Wachstum des Virus allen
davonläuft.“
Obamas Plan sieht für die nächsten sechs Monate den Einsatz von 763 Mio.
Dollar vor, mit denen das Verteidigungsministerium 17 Behandlungszentren mit
je 100 Betten aufbauen soll, fünf davon in Liberias Hauptstadt Monrovia.
Weiter sieht er vor, daß medizinisches Personal der US-Armee so lange wie
nötig vor Ort wöchentlich 500 Pflegekräfte ausbildet. Außerdem will man
Behandlungspakete für den Hausgebrauch zur Verfügung zu stellen, um die
Familienangehörigen der Infizierten zu schützen und so die Ausbreitungsrate
der Infektion zu reduzieren. Damit wird allerdings praktisch zugegeben, daß
man mit Obamas Plan die Epidemie nicht, wie eigentlich versprochen wurde, auf
die neu zu errichtenden Kliniken beschränken kann.
Tatsache ist, daß Afrika ohne sofortige, angemessene Maßnahmen auf
Jahrzehnte hin von der Epidemie betroffen sein wird, was jegliche Möglichkeit
von Infrastrukturaufbau und Wirtschaftsentwicklung zunichte machen würde.
Garrett unterrichtete die Vereinigten Stabschefs der USA (JCS) darüber, was
notwendig wäre, um die Epidemie zu stoppen, und betonte die Notwendigkeit,
schnell zu handeln. Sie beschrieb in einem Artikel am 16. September, daß man
auch mit Obamas Vorschlag im September noch nichts erreichen wird und auch bis
Ende Oktober nur wenig einsatzbereit sein wird. Der Vorsitzende der
Vereinigten Stabschefs, Gen. Martin Dempsey, habe zwar höchste Eile
angeordnet, aber solche Mobilisierungen brauchen einfach Zeit.
Garrett meint, daß uns die Zeit davonläuft, und sie befürchte bis Ende des
Jahres gräßliche Konsequenzen. „Zu diesem späten Zeitpunkt der Epidemie ist
eine heldenhafte, Rekordmobilisierung notwendig.“
Die richtige Art der militärischen Mobilmachung
Es steht außer Frage, daß eine militärische Mobilmachung vonnöten ist, um
Ebola zu stoppen, so wie sie von Ärzte ohne Grenzen und EIR gefordert
wird. Man braucht dringend logistische Kapazitäten für die Lieferung mobiler
Schnelltests zur Identifizierung des Virus, für die Schaffung zusätzlicher
medizinischer Einrichtungen, für Beförderung und für weitere Unterstützung
aller Art für das medizinische Personal, und dazu bestens ausgebildetes
Personal, welches unter kriegsähnlichen Umständen arbeiten kann.
Der Sprecher von Ärzte ohne Grenzen, Bruce de la Vigne, beschrieb es am 19.
September so: Man brauche die gleichen Ressourcen (und die Leitung), als müsse
man auf eine Erdbebenkatastrophe mit einer Million Betroffenen koordiniert
reagieren. In den drei am meisten betroffenen Ländern leben insgesamt 20
Millionen Menschen.
Leider gibt es Anlaß zu Zweifeln, daß der von den USA eingeleitete
Militäreinsatz dieser Aufgabe gerecht werden wird. In einer Einsatzbesprechung
am 19. September wurde Pentagon-Sprecher Admiral John Kirby gefragt, welche
Rolle das US-Militär bei diesem Einsatz hat. Er betonte: „Derzeit sehen unsere
Anstrengungen keine Behandlung von Ebola-Patienten durch US-Militärpersonal
vor… Sie sind keine Ärzte. Sie sind keine Pflegekräfte. Sie wurden weder dazu
ausgebildet, noch sind sie dafür ausgerüstet.“
Die begonnene Mission unter Leitung von Gen. Darryl Williams bestehe im
Aufbau von Einrichtungen und weiterer logistischer Unterstützung. So
unterstütze das Militär u.a. die US-Entwicklungshilfebehörde USAID, das
US-Außenministerium und die Regierung Liberias. „Diese Operation wird nicht
vom Militär angeführt. Somit ist die Mission selbst, so wie sie definiert
wurde, auf diese Bereiche begrenzt und beinhaltet keine direkte medizinische
Versorgung von Patienten.“
Kirby gab zu verstehen, daß sich dies möglicherweise später ändern könnte.
Er sagte: „Wir haben einzigartige Fähigkeiten. Wir versuchen, in allen diesen
Fähigkeiten so bereit und vorbereitet wie möglich zu sein. Und sollte sich in
der Zukunft die Notwendigkeit zeigen, die Mission zu ändern, sie zu
modifizieren, dann werden wir diese Diskussion führen. Aber jetzt gibt es
keine Diskussion darüber.“
Aber wieso abwarten, wenn so viele Leben in Gefahr sind?
Douglas DeGroot und Nancy Spannaus