"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Den Krieg beenden durch den Aufbau des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße

Teil 4b: Regionale und kontinentale Verkehrskorridore

Von Hussein Askary und Dean Andromidas

Mit den in der letzten Ausgabe (Neue Solidarität 50/2014) beschriebenen neuen positiven Entwicklungen kann die Situation auf Dauer verändert werden. Es gibt eine ganze Reihe wichtiger Pläne für Entwicklungskorridore im Nilbecken, von denen einige schon verwirklicht werden, andere fertig vorliegen und wieder andere noch studiert werden. Einige davon sind nationale Pläne, wie der ägyptische Entwicklungskorridor, den wir in Teil 2 dieser Serie vorgestellt haben, andere haben einen regionalen oder sogar kontinentalen Charakter und werden in diesem Teil beschrieben.

Die wichtigste Vision der Afrikanischen Union (AU) ist es, durch die Transafrikanischen Autobahnen (Trans-African Highways, TAH) den Kontinent in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung zu vernetzen. Das TAH-Konzept wurde in den 1970er Jahren entwickelt. Es ist eine Kombination von neun großen Verkehrskorridoren in Afrika, welche mehreren Zwecken dienen sollen:

Bild: AU

Abb. 1: Die Transafrikanische Autobahn Kairo-Kapstadt


Karte: Dr. Farouk El-Baz

Abb. 2: Das von dem ägyptischen Wissenschaftler und Präsidentenberater Dr. Farouk El-Baz vorgeschlagene Projekt „Neues Tal“

    a) möglichst direkte Verkehrsverbindungen zwischen den wichtigsten Städten des Kontinents schaffen,

    b) politisch, wirtschaftlich und sozial die Integration und den Zusammenhalt Afrikas fördern,

    c) Straßenverbindungen zwischen wichtigen Regionen der Produktion und des Verbrauchs auf dem Kontinent verfügbar zu machen.

Vier dieser neun Korridore verlaufen durch die Nilregion: die Verbindungen Kairo-Kapstadt, Lagos-Mombasa, Dakar-N’Djamena-Dschibuti und Kairo-Dakar. Diese Strecken sind wichtig für die Verbindungen zwischen den Anliegerstaaten des Nil. Allerdings sind Straßen, wie schon (in Teil 4a) gesagt, kein effizientes Mittel für den Transport über mittlere und längere Distanzen, dazu müssen sie durch Eisenbahnen ersetzt oder ergänzt werden.

Wir geben im folgenden einen Überblick über die schon gebauten oder geplanten Korridore in dieser Region.

1. Ägyptens Nord-Süd-Entwicklungskorridor

Der ägyptisch-amerikanische Weltraumwissenschaftler Dr. Farouk El-Baz, der Ägyptens Präsident Abdul Fattah Al-Sisi als Wissenschafts- und Wirtschaftsberater dient, hat einen Entwicklungskorridor vorgeschlagen, den man als Startrampe für den Korridor Kairo-Kapstadt (Abbildung 1) betrachten kann.














































Die Ägypter sprechen bescheiden von einem „nationalen“ Entwicklungsprojekt - der Entlastung des dichtbevölkerten Niltals durch ein mehrschichtiges Verkehrsnetz parallel dazu in der Westlichen Wüste -, aber das Projekt hat regionale und kontinentale Bedeutung. Das „Neue Tal“ (Abbildung 2) sieht folgendes vor:

    a) eine 1200 km lange Autobahn nach modernstem internationalen Maßstab vom Westen Alexandrias bis zur Südgrenze Ägyptens;

    b) davon abzweigend zwölf Ost-West-Strecken mit einer Gesamtlänge von etwa 800 km, um die Autobahn mit den Bevölkerungszentren am Nil zu verbinden;

    c) eine Eisenbahn für den schnellen Transport, parallel zur Autobahn;

    d) eine vom Toschka-Kanal abzweigende Wasserpipeline, um die Trinkwasserversorgung entlang des Korridors sicherzustellen;

    e) eine Hochspannungsleitung für die Stromversorgung.

Dieser ägyptische Korridor läßt sich leicht nach Süden in den Sudan und bis zu den ostafrikanischen Großen Seen verlängern.

Wie in anderen afrikanischen Ländern herrscht auch im Güterverkehr zwischen Ägypten und dem Sudan der Straßenverkehr vor. Aber bis vor kurzem haben die politischen Differenzen zwischen den Regierungen der beiden Länder sogar dieses sehr teure Verkehrsmittel behindert. Erst im August dieses Jahres (2014) wurde der Grenzübergang Qastal fertiggestellt, über den Assuan in Ägypten durch eine moderne Schnellstraße mit Wadi Halfa im Sudan verbunden wird. Die Straße kreuzt den Toschka-Kanal, der ein Teil des projektierten „Neuen Tals“ ist, und führt weiter bis Wadi Halfa. Sie verläuft parallel zu der 550 km langen Fährverbindung zwischen Assuan und Wadi Halfa über den durch den Assuandamm aufgestauten Nassersee (siehe Abschnitt über die Binnenschiffahrt weiter unten). Nach ägyptischen Schätzungen kann der Handel zwischen den beiden Ländern dank der Straße von 850 Mio. $ auf 2 oder sogar 3 Mrd.$ gesteigert werden.

Die Kosten des Transports von einer Tonne Gütern mit dem Flugzeug sind sechsmal so hoch wie über die Straße. Aber der Bau von Eisenbahnen würde die Kosten noch weiter senken und die Entwicklung dieser abgelegenen und unterbevölkerten Regionen der beiden Länder beschleunigen. Das ägyptische Eisenbahnnetz endet bisher in Assuan, das des Sudan in Wadi Halfa. Die Eisenbahn nach Wadi Halfa ist eine Schmalspurbahn, die ursprünglich für die britische Invasion des Sudan 1897 gebaut wurde. Sie muß dringend modernisiert und auf die Standardspurweite umgestellt werden, um sie mit dem ägyptischen Streckennetz kompatibel zu machen. Sie verläuft über 600 km nach Atbara, wo eine 350 km lange Zweigstrecke nach Port Sudan am Roten Meer führt, und über weitere 330 km bis Khartum nach Süden. Sie bildet das Rückgrat des sudanesischen Eisenbahnnetzes. Die Strecke führt an mehreren Staudämmen und Landwirtschaftsprojekten vorbei - entweder schon fertiggestellt wie der Merowe-Damm, im Bau wie der Atbara-Damm, oder in Planung wie der Kajbar-Damm nahe der Grenze zu Ägypten. Das macht die Route zu einem unverzichtbaren Teil des Entwicklungskorridors, der die Wirtschaft des Landes und der Region auf eine neue Stufe heben wird.

Die Eisenbahnen südlich von Khartum sind in ähnlichem Zustand wie die Wadi-Halfa-Bahn. Die Hauptstrecke von Khartum nach Babanusa und Nyala im Süden und Südwesten, wo das Streckennetz des Sudan endet, ist schlecht erhalten und muß grundlegend erneuert werden. Die einzige Bahnverbindung in den Südsudan führt von Babanusa nach Wau. Der Ausbau der Verkehrsverbindungen in den Südsudan und die übrigen Nationen des Nilbeckens ist stark abhängig von den politischen Beziehungen zwischen beiden Seiten, von der inneren Lage zwischen den sich bekämpfenden Gruppen im Südsudan und ganz besonders von den neuen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, die durch die chinesische Investition in den Lamu-Korridor (s.u.) entstehen werden.

2. Der Sudan-Dakar-Korridor

Vor der Abspaltung des Südsudan von der Republik Sudan 2011 war der Sudan maßgeblich an den Bemühungen beteiligt, den Plan der Verbindung der ost- und westafrikanischen Nationen durch ein modernes Eisenbahnnetz wiederzubeleben. Das Projekt wurde vom Sudan 2005 beim Gipfeltreffen der Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC) vorgelegt und im Mai 2008 beim OIC-Gipfel in Dakar (Senegal) einstimmig beschlossen. Im Dezember 2009 gab es in Khartum eine Konferenz der Verkehrsminister der OIC-Mitgliedstaaten über den Bau der Dakar-Port Sudan-Bahn, wie sie inzwischen offiziell heißt. Aber fehlende finanzielle Mittel und die instabile politische Lage im Sudan haben die Umsetzung des Projekts bisher verhindert.

Karte: EIR

Abb. 3: Die geplante Bahnverbindung von Dakar im Senegal im Westen Afrikas nach Port Sudan am Roten Meer






































Die Dakar-Port Sudan-Bahn (Abbildung 3) ist ein transkontinentales strategisches Verkehrs- und Infrastrukturnetz. Die Ost-West-Hauptstrecke verbindet den Sudan, Tschad, Niger, Mali und Senegal. Durch Abzweigungen sollen Dschibuti, Libyen, Uganda, Kamerun, Nigeria, Burkina Faso und Guinea mit dieser Hauptstrecke verbunden werden. Wenn die Strecken Kairo-Khartum und Dakar-Rabat fertiggestellt sind, besteht eine direkte Landverbindung zwischen dem Mittelmeer, dem Roten Meer, dem Atlantik und dem Indischen Ozean. Es wird eine integrierte wirtschaftlich-strategische Einheit für die Entwicklung des Kontinents gebildet.

Dieses Eisenbahnnetz wird sich über 14.000 km erstrecken und sich mit wichtigen Wasser- und Landwirtschaftsprojekten überschneiden, für die sich Lyndon LaRouche und seine Bewegung schon seit Jahrzehnten einsetzen - wie etwa das Transaqua-Projekt zur Leitung von Wasser aus dem Kongo über ein modernes Kanalnetz zum Tschadsee. Das Projekt ist auch ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der Region Darfur im westlichen Sudan, die unter dem Bürgerkrieg bzw. Stellvertreterkrieg mit den vom Westen und vom Tschad unterstützten sudanesischen Rebellen enorm gelitten hat. Mit der Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Tschad und dem Sudan und dem voranschreitenden Friedensprozeß mit den sudanesischen Rebellen in Darfur kann auch diese Region in den Genuß der Vorteile dieses Entwicklungskorridors gelangen.

Aber dazu müssen die Eisenbahnen des Sudan gründlich modernisiert und das bestehende, kaum funktionsfähige Schmalspursystem auf die internationale Standardspurweite umgestellt werden. Die Priorität muß dabei sein, die Strecke Khartum-Port Sudan zu erneuern und weiter nach Babanusa und zur Hauptstadt der Provinz Süddarfur - Nyala nahe der Grenze zum Tschad - auszubauen. Es laufen schon in verschiedenen Teilen des Sudan mit chinesischer Unterstützung Arbeiten zur Modernisierung des 5000 km langen Eisenbahnnetzes des Sudan, einem der größten in Afrika. Aber bisher ist nicht geplant, es von der Schmalspur auf die Standardspur umzustellen. Angesichts des enormen internationalen politischen und wirtschaftlichen Drucks, der seit 30 Jahren auf den Sudan ausgeübt wird, kann der Sudan diese gigantische Aufgabe nicht mit eigenen Mitteln erfüllen, internationale Unterstützung ist unbedingt notwendig.

Im März 2011 unterzeichnete der Tschad einen 7-Mrd.-$-Vertrag mit dem chinesischen Konzern China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC), um eine 1340 km lange Bahnstrecke zu bauen, die den Tschad mit Kamerun und dem Sudan verbinden soll. Der Tschad begann 2003, mit Hilfe der US-Konzerne ExxonMobil und Chevron und des malaysischen Ölkonzerns Petronas Rohöl zu fördern. Eine 1070 km lange Pipeline wurde gebaut, um Öl durch Kamerun auf den Weltmarkt zu exportieren. 2011 betrug die Rohölförderung 115.000 Faß täglich, 2012 etwa 105.000 Faß, wovon der größte Teil exportiert wird, um dem verarmten Land dringend benötigte Einnahmen zu verschaffen.

Die China National Petroleum Corp. (CNPC) und die Regierung des Tschad bauten gemeinsam die Raffinerie in N’Djamena mit einer Kapazität von 20.000 Faß Öl täglich, die 2011 den Betrieb aufnahm und den lokalen Markt mit Erdölprodukten versorgt.

Diese zusätzlichen Einnahmen halfen dem Tschad, 2009 ein Programm zum Bau von Infrastrukturprojekten einzuleiten. Aber das nationale Eisenbahnprogramm mit den Verbindungen nach Kamerun und in den Sudan wird von China finanziert. Der 5,6-Mrd.$-Plan sieht den Bau eines 1364 km langen Streckennetzes nach chinesischen Standards vor, auf dem Dieselzüge mit Tempo 120 km/h fahren sollen. China liefert auch die Lokomotiven und Waggons, die Arbeiten sollen vier Jahre dauern.

Es sind zwei Strecken vorgesehen. Die östliche Linie wird 836 km lang sein und von N’Djamena nach Adré an der Grenze zum Sudan führen. Im vergangenen Jahr unterzeichneten China und der Sudan eine Vereinbarung über den Bau einer rund 300 km langen Strecke über die Marra-Ebene im Westen Darfurs, um die bisherige Endstelle Nyala mit dem Tschad zu verbinden. Die Südstrecke wird über 528 km von der Hauptstadt N’Djamena nach Moundou an der Grenze zu Kamerun führen. In Kamerun müssen dann weitere 250 km gebaut werden, um in Ngaoundéré die Verbindung zum Eisenbahnnetz Kameruns herzustellen. Dem Vernehmen nach hat Kamerun inzwischen einen nationalen Eisenbahn-Entwicklungsplan ausgearbeitet, um ein modernes Bahnnetz mit Standardspurweite zu schaffen. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit den südkoreanischen Unternehmen Korpec und Chunsuk Engineering ausgearbeitet, nun sollen Machbarkeitsstudien durchgeführt werden. Ein wesentliches Element des Programms sind Verbindungen zu den Nachbarländern Nigeria, Tschad und Kongo.

3. Der Lamu-Korridor

Der Lamu-Korridor - seine offizielle Bezeichnung ist Transportkorridor Lamu-Südsudan-Äthiopien (LAPSSET) - ist ein regionales Verkehrsinfrastrukturprojekt, das die landeingeschlossenen Staaten Südsudan und Äthiopien in das ostafrikanische Verkehrsnetz einbindet. Das Projekt umfaßt eine ganze Reihe von Komponenten, darunter:

Karte: Wikimedia Commons

Abb. 4: Der Verkehrskorridor Lamu-Südsudan-Äthiopien (LAPSSET)

  • ein Tiefseehafen mit 32 Liegeplätzen in Manda Bay bei Lamu in Kenia;

  • eine Eisenbahn mit Standardspurweite von Lamu nach Juba im Südsudan mit einer Abzweigung von Isiolo über Moyale nach Addis Abeba;

  • zweispurige Autobahnen von Lamu über Isiolo nach Juba und von Isolo über Moyale nach Addis Abeba;

  • Ölpipelines vom Südsudan nach Lamu und von Äthiopien nach Lamu, die dem Südsudan eine Alternative zum Export von Rohöl durch den Sudan zum Hafen Port Sudan am Roten Meer eröffnen;

  • eine Ölraffinerie in Lamu;

  • Glasfaserkabel;

  • drei Flughäfen (in Lamu, Isiolo und Turkana) sowie

  • drei Ferienzentren (in Lamu, Isiolo und Turkana).

Der Lamu-Korridor (Abbildung 4) gehört zu den größten Infrastrukturprojekten in Afrika, die Kosten werden auf 24,5 Mrd.$ geschätzt, was hauptsächlich die Regierungen von Kenia, Äthiopien und Südsudan finanzieren werden. Ein Teil des Projekts soll durch internationale Kredite finanziert werden, doch angesichts der ablehnenden Haltung des Westens gegenüber solchen Entwicklungsprojekten werden die Gelder vermutlich aus China und den BRICS-Staaten kommen. Das Projekt soll 2018 fertiggestellt werden.

Im neuen Hafen von Lamu werden extrem große („Capesize“) Frachtschiffe ankern können. Er wird den überfüllten Hafen Mombasa entlasten und den Warenstrom im Im- und Export erleichtern.

Am 2. August unterzeichneten die Kenia Ports Authority und die China Communications Construction Co. (CCCC) einen Vertrag über den Bau des neuen Hafens Lamu. Am Vortag waren die Regierungschefs von Kenia, Uganda, Südsudan und Äthiopien in Nairobi zusammengekommen, um über die Finanzierung des Lamu-Korridors zu sprechen. Die Bauarbeiten haben im September begonnen.

4. Die Nord-Süd-Wirtschaftsachse

Neben Straßen und Eisenbahnen bildet der Transport durch See- und Binnenschiffahrt das dritte Standbein des kombinierten Frachtverkehrs. Man sieht in entwickelten Regionen der Welt wie Europa, daß dort die Küsten- und Binnenschiffahrtswege eine wesentliche Rolle für die Effizienz eines Wirtschaftssystems spielen. Die entwickeltsten Länder Europas profitieren von ihrem dichten Netz von Kanälen und Flüssen, die diese miteinander und mit den großen Häfen des Kontinents wie Rotterdam, Antwerpen und Hamburg verbinden.

Obwohl es sich um eine langsamere Form des Verkehrs handelt als der Transport über Straßen und Eisenbahnen, ist der Transport entlang der Küsten, über Flüsse und Kanäle äußerst effizient - die Kosten liegen bei nur einem Zehntel des LKW-Transports und sind nur halb so hoch wie bei im Bahnverkehr. Die für den Nil geeigneten Schiffstypen erlauben den Transport von 40 LKW-Ladungen und mehr.

Wegen der mangelnden Infrastrukturentwicklung in der Nilregion ist die Flußschiffahrt dort stark unterentwickelt und wird viel zu wenig genutzt, was zu den hohen Transportkosten in der Region beiträgt. Der Ausbau der Fluß- und Kanalinfrastruktur für die Binnenschiffahrt ergänzt sich mit Projekten zur Nutzung des Wassers im Nilbecken für landwirtschaftliche, urbane und industrielle Zwecke. Ein offensichtliches Beispiel ist der 60 km lange Hauptbewässerungskanal des Toschka-Projekts, dessen Querschnitt doppelt so groß ist wie der des Rhein-Main-Donau-Kanals. Die Sperrwerke, die die Wasserzufuhr für die Bewässerung regeln, regeln gleichzeitig auch den Wasserstand des Flusses, was für die Schiffahrt notwendig ist. Auch Wasserkraftwerke bilden einen integralen Bestandteil dieser Strukturen.

Die Seefahrtkomponente beginnt an der Mittelmeerküste und dem Eingang zum Suezkanal und führt 2200 km weit durch das Rote Meer und 8000 km weiter vom Golf von Aden entlang der afrikanischen Küste des Indischen Ozeans. Die zahlreichen Häfen entlang dieser Küste bilden nicht nur Tore nach Asien und anderen Kontinenten, sondern auch eine Nord-Süd-Achse, die zur Vernetzung der Volkswirtschaften der Region beiträgt.

An dieser Küste gibt es relativ gute Häfen, wie etwa Port Suez am südlichen Eingang zum Suezkanal, den Hafen Sochna am Roten Meer in Ägypten und Port Sudan im Sudan, und Dschibuti am Eingang zum Roten Meer, dem wichtigsten Hafen für den Handel mit dem landeingeschlossenen Äthiopien. Mombasa in Kenia und Daressalam in Tansania sind moderne Häfen, die Häfen in Eritrea und Somalia sind jedoch schlechter ausgebaut. Wie oben erläutert, bauen die Chinesen gerade in Lamu in Kenia nahe der somalischen Grenze einen neuen Hafen.

Viele dieser Häfen haben zwar relativ moderne Anlagen, sind aber überlastet, und sie müssen erweitert und modernisiert werden. Das größere Problem ist jedoch die schlechte Infrastruktur, insbesondere bei den Bahnverbindungen ins Binnenland, weshalb sich die Fracht in den Häfen staut und eine schnelle Be- und Entladung der Schiffe verhindert wird.

Nur die ägyptischen Häfen Alexandria und Damiette am Nildelta liegen an schiffbaren Flüssen, in diesem Falle dem Nil.

Der längste Fluß der Welt

Der Nil ist mit mehr als 6800 km Länge der längste Fluß der Welt, er ist fast dreimal so lang wie die gesamte Rhein-Main-Donau-Wasserstraße von Rotterdam an der Nordsee bis zum Schwarzen Meer. Das Nilbecken geht im Süden in die Region der Großen Seen in Ostafrika über.

Der Nil hat zwei Quellflüsse, den Blauen Nil und den Weißen Nil, die bei Khartum im Sudan zusammenfließen. Der Blaue Nil entspringt dem Tanasee, der in 1829 m Höhe im abessinischen Hochland im Nordosten Äthiopiens liegt, und fließt von dort aus durch steile Schluchten zunächst nach Südosten, dann nach Süden und schließlich nach Nordwesten in den Sudan, wo er bei Khartum in den Weißen Nil mündet, von wo aus der Nil weiter nordwärts in Richtung Mittelmeer fließt. Aufgrund der zahlreichen Wasserfälle und Stromschnellen im Hochgebirge ist der Blaue Nil nicht schiffbar.

Karte: UN

Abb. 5: Die Region der Großen Seen im Osten Afrikas

Der Weiße Nil entströmt dem Victoriasee im Grenzgebiet zwischen Uganda, Tansania und Kenia. Er ist mit 68.000 km2 Fläche der größte See Afrikas und der zweitgrößte Süßwassersee der Welt, und er gehört zu den Großen Seen Ostafrikas, die wiederum Teil des Systems des Großen Afrikanischen Grabens sind (Abbildung 5).

Westlich und südlich des Victoriasees liegt eine Kette von Seen, von Norden nach Süden: der Kyogasee, der Albertsee, der Edwardsee, der Kivusee, der Tanganjikasee und weiter südlich der Malawisee. Durch diese Seen ist das Nilbecken verbunden mit Uganda, der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda, Burundi, Kenia, Tansania und sogar Malawi und Sambia.

Der Tanganjikasee reicht mehr als 600 km weit nach Süden, wo er an den Nordosten Sambias grenzt. Wenn man der Grenze zwischen Tansania und Sambia 300 km weiter nach Osten folgt, gelangt man nach Malawi und zur Nordspitze des Malawisees, der sich weitere 600 km nach Süden erstreckt und dort direkt an Mosambik grenzt, das ebenfalls am Indischen Ozean liegt und eine Landbrücke nach Südafrika darstellt.

Anders als die Großen Seen in Nordamerika sind diese Seen nicht durch Kanäle miteinander verbunden. Aber sie liegen in einer der fruchtbarsten Regionen Afrikas und bilden daher Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie dienen schon jetzt als regionale Schiffahrtswege, aber sie müssen durch Ausbau und moderne Häfen aufgewertet und an das Straßen- und Bahnnetz angeschlossen werden, damit sie Teil des Nord-Süd- und Ost-West-Verkehrsnetzes werden können.

Kommen wir zurück zum Weißen Nil, der in der Nähe von Jinga am Nordufer des Victoriasees dem See entströmt und von dort, verstärkt durch Zuflüsse von Westen und Osten, nach Norden fließt. Er überschreitet bei Nimule die Grenze zum Südsudan und fließt dann weiter nach Norden, bis bei Khartum der Blaue Nil in ihn mündet. Der Nil fließt dann weiter nach Norden durch den Nassersee und vom Assuandamm weiter durch Ägypten nach Kairo und zu seinem riesigen Delta am Mittelmeer. Leider ist der Nil nicht auf der ganzen Länge schiffbar. Ihn komplett schiffbar zu machen, wäre wegen der topographischen Gegebenheiten eine sehr große Herausforderung für die Ingenieurskunst.

Die Schiffahrt auf dem Nil beginnt erst in der südsudanesischen Hauptstadt Juba und führt von dort bis Khartum. Im weiteren Verlauf verhindern Stromschnellen und Wasserfälle sowie der Merowedamm die Schiffahrt, bis zum südlichen Ende des Nassersees. Dieser Südabschnitt des Nil, wie er genannt wird, ist mehr als 1700 km lang. Für den Südsudan, der kaum Straßen oder Eisenbahnen hat, ist er der verläßlichste Verkehrsweg. Sein Ausbau wäre eine große Hilfe beim Bau der Straßen und Eisenbahnen, die entlang seines Laufs benötigt werden.

Die Fertigstellung des 370 km langen Jongleikanals zur Umgehung der Sudd-Sümpfe zwischen Bor und Malakai würde die Schiffbarkeit enorm verbessern. Wie schon in Teil 3 unserer Serie (Neue Solidarität 42-43/2014) beschrieben, soll der Kanal den Sudd teilweise entwässern und die Region in einen Brotkorb verwandeln, wobei das Fluß- und Kanalnetz als wichtige Verkehrsarterie dienen würde.

Unterhalb von Khartum bis zur Südspitze des Nassersees verhindern mehrere Stromschnellen die Schiffbarkeit. Der Nassersee selbst ist auf 550 km Länge bis zum Assuandamm schiffbar, und hinter diesem ist der Strom auf weiteren 1200 km Länge schiffbar bis zum Mittelmeer.

In Ägypten bildet der Nil drei Hauptwasserstraßen. Die erste ist der 960 km lange Stromabschnitt von Assuan bis Kairo, der am Fuß des Assuandamms beginnt. Bei Kairo tritt der Nil in sein Delta ein und teilt sich. Ein Arm des Stroms fließt nach Nordosten zum Hafen Damiette am Mittelmeer, von wo die Schiffe leicht nach Port Said am Suezkanal gelangen.

Der zweite Arm führt über den 118 km langen Nubariakanal nach Alexandria, Ägyptens wichtigstem Hafen, über den zwei Drittel der Ex- und Importe abgewickelt werden. Die Verbesserung dieser Wasserstraße steht weit oben auf der Prioritätsliste, nicht bloß für den Verkehr, sondern auch zur Bewässerung von Teilen des Deltas.

Schließlich gibt es noch den Ismailiakanal, der vom Norden Kairos nach Ismailia direkt am Suezkanal führt. Er dient vor allem der Bewässerung und bringt außerdem Süßwasser in die Kanalzone. Er ist für die auf dem Nil verwendeten Schiffstypen zu schmal, aber derzeit wird untersucht, wie man den Kanal beträchtlich ausbauen könnte. Wenn man ihn für die Schiffahrt ausbaut, würde Ismailia zu einem wichtigen Umschlagsplatz für Fracht, die für Kairo oder andere Orte am Nil bestimmt ist.

Der Neue Suezkanal

In Ägypten werden derzeit innerhalb des Landes mehr als 90% der Güter auf Straßen transportiert. Die Ägypter wissen, daß sich das ändern muß und daß der einzige Weg dazu im Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Entwicklung der Schiffahrt liegt. Die ägyptische Regierung ist entschlossen, den Nil ganz zu einer Nord-Süd-Achse zu entwickeln, nicht nur innerhalb Ägyptens, sondern auch weiter nach Süden, um ihn in den großen Industrie- und Logistikkomplex zu integrieren, der mit dem Projekt des Neuen Suezkanals entsteht.

Am Roten Meer und an der Küste des Indischen Ozeans wird die regionale Küstenschiffahrt weiterentwickelt. Es werden neue Schiffahrtsverbindungen geschaffen, um die Region zu vernetzen. So hat die ägyptische Regierung beispielsweise die Fährverbindungen von Port Suez über das Rote Meer nach Saudi-Arabien wieder aufgenommen.

Für den Nil hat die Regierung einen umfassenden nationalen Plan ausgearbeitet, um ihn auf der gesamten Länge innerhalb des Landes auszubauen und zu entwickeln, um die Bewässerung, Trinkwasserversorgung und die Schiffbarkeit zu verbessern. Entlang des gesamten Stroms sind zahlreiche neue Binnenhäfen geplant.

Der Investmentfonds Qalaa Holdings, der hierbei die Führung übernommen hat, konzentriert sich auf Investitionen in die Infrastruktur und will das gesamte Becken bis hinab nach Uganda entwickeln. Der Fonds hat eine Konzession erworben, um die Rift-Valley-Eisenbahn in Kenia, Uganda und Tansania zu betreiben. Diese noch von den britischen Kolonialherren gebaute Eisenbahn war völlig verwahrlost, aber das Unternehmen hat sie deutlich verbessert und erwägt sogar ihre Verlängerung bis Juba, wo ein Anschluß an die Binnenschiffahrt auf dem Weißen Nil möglich ist.

In Ägypten baut Qalaa eine Handelsflotte von 100 motorisierten Frachtern auf in der Absicht, die Binnenschiffart auf dem Strom und den Kanälen stark auszuweiten.

Zusätzlich zur Entwicklung des großen Industrie- und Logistikkomplexes in der Suezkanal-Zone, worüber wir im 1. Teil dieser Serie (Neue Solidarität 37/2014) berichteten, hat die ägyptische Regierung soeben angekündigt, daß sie in Damiette ein Zentrum für die Getreide- und Nahrungsmittellogistik von Weltrang aufbauen will, das die gesamte Region beliefern soll. Premierminister Ibrahim Mehleb nannte es „ein nationales Großprojekt, das nicht weniger wichtig ist als das Suezkanal-Projekt“. Geplant ist, den Hafen so auszubauen, daß dort Schiffe mit einer Ladung von 150.000 t Getreide abgefertigt werden können, hinzu kommen Anlegestellen für die kleineren Fluß- und Kanalschiffe. Das Projekt soll die Kapazität der ägyptischen Häfen von heute 2,5 Mio. t auf 10 Mio. t vergrößern. Gleichzeitig sollen dort nahrungsmittelverarbeitende Betriebe angesiedelt werden.

Schlußbemerkung

Indem die ägyptische Regierung längst aufgegebene Entwicklungsprogramme wieder anpackt, hat sie im Land eine Welle des Optimismus ausgelöst, die ganz Afrika erfassen kann. Aber das läßt sich von der gewaltigen weltweiten Veränderung, die sich seit einigen Jahren vollzieht, nicht trennen. Die Initiativen Chinas und der BRICS-Gruppe zur Schaffung der Grundlage für eine neue Weltordnung auf der Grundlage wirtschaftlicher Kooperation und Achtung der Souveränität und Unabhängigkeit aller Nationen haben den Weg für diese wichtigen Entwicklungen bereitet.

Wie die hier berichteten Fakten deutlich machen, hat China vor Ort bereits zahlreiche bahnbrechende bilaterale und multilaterale Verträge über Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung der Nationen des Nilbeckens und Ostafrikas geschlossen. Leider verfolgen die Vereinigten Staaten, Großbritannien und ihre Verbündeten in Europa schon lange eine Politik der „kreativen Zerstörung“ gegenüber Afrika. Der Krieg in Libyen 2011, in dem von Saudi-Arabien und Katar unterstützte Al-Kaida-Gruppen Seite an Seite mit der NATO kämpften, hat dieses Land in Schutt und Asche gelegt, und die Kämpfe haben sich inzwischen auf Mali, Algerien und Nigeria ausgeweitet.

Die Unterstützung der Regierung Obama für die Muslimbruderschaft in Ägypten hätte auch dieses Land beinahe in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt. Nun kämpft Ägypten im Sinai im Osten gegen die Terroristen und muß gleichzeitig die von Libyen ausgehende Terrorgefahr abwehren.

Die gescheiterte Politik des Westens am Horn von Afrika hat in den letzten Jahrzehnten mit Somalia einen gescheiterten Staat hervorgebracht, der nicht nur im Innern blutet, sondern auch international zu einer Bedrohung für die Sicherheit geworden ist, besonders für Kenia, aber auch für die internationalen Handelsrouten im Arabischen Meer und im Golf von Aden vor der somalischen Küste, wo Piratenbanden operieren. Die mit Al-Kaida verbundene somalische Terrorgruppe Al-Schabab hat ihre Terroranschläge in Kenia verstärkt, seit dieses Land mit China Verträge über den Bau des Hafens von Lamu und des Lamu-Korridors abgeschlossen hat. Somalia ist kein hoffnungsloser Fall, aber seine Rettung ist nur im Rahmen der Wende in den internationalen Beziehungen und der realen Entwicklung der umliegenden Region erreichbar.

Der Optimismus in Ostafrika muß auch nach Westafrika und in den ganzen übrigen Kontinent verbreitet werden - und dazu muß verhindert werden, daß sich das Ebola-Virus von Westafrika nach Osten ausbreitet. Alle internationalen Bemühungen sind darauf auszurichten, die Bedrohung durch Ebola einzudämmen und zu beseitigen - zusammen mit der eigentlichen Ursache, nämlich der Unterentwicklung der Region. Und dazu brauchen wir, wie Helga Zepp-LaRouche kürzlich bei der Konferenz des Schiller-Instituts in Deutschland wieder erklärte, eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung.