"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Den Krieg beenden durch den Aufbau des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße

- Teil 3 -

Von Hussein Askary und Dean Andromidas

    „Ihr seid alle jung im Geiste“, erwiderte der [ägyptische] Priester, „denn ihr tragt in ihm keine Anschauung, welche aus alter Überlieferung stammt, und keine mit der Zeit ergraute Kunde. Der Grund hiervon aber ist folgender: Es haben schon viele und vielerlei Vertilgungen der Menschen stattgefunden und werden auch fernerhin noch stattfinden, die umfänglichsten durch Feuer und Wasser...

    Von derselben [Vernichtung durch Feuer] werden dann die, welche auf Gebirgen und in hochgelegenen und wasserlosen Gegenden wohnen, stärker betroffen als die Anwohner der Flüsse und des Meeres, und so rettet auch uns der Nil, wie aus allen andern Nöten, auch dann, indem er uns auch aus dieser befreit. Wenn aber wiederum die Götter die Erde, um sie zu reinigen, mit Wasser überschwemmen, dann bleiben die, so auf den Bergen wohnen, Rinder- und Schafhirten, erhalten; die aber, welche bei euch in den Städten leben, werden von den Flüssen ins Meer geschwemmt; dagegen in unserem Lande strömt weder dann noch sonst das Wasser vom Himmel herab auf die Fluren, sondern es ist so eingerichtet, daß alles von unten her über sie aufsteigt. Daher und aus diesen Gründen bleibt alles bei uns erhalten und gilt deshalb für das Älteste...“
    – Platon, Timaios1
Karte: UNEP/Philippe Rekacewicz

Abb. 1: Im Einzugsbereich des Nil liegen acht afrikanische Staaten

Es hat seine Gründe, daß die Ägypter besorgt sind, wenn von Staudämmen oder anderer Wasserinfrastruktur in der Region der Großen Seen Ostafrikas und am Oberlauf des Nil die Rede ist. Diese Wiege der antiken Zivilisation verdankte ihre Existenz schon immer dem Wasser des Nil, und das wird auch so bleiben. Wie schon im zweiten Teil dieser Serie erwähnt wurde (Neue Solidarität 38/2014), sind die Ägypter daher auch besorgt über die Entscheidung Äthiopiens, am größten Quellfluß des Nil, dem Blauen Nil, den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm (GERD) zu bauen.

Ägypten ist fast völlig vom Nilwasser abhängig; das teilt es sich mit sieben anderen afrikanischen Staaten (Abb. 1), von denen jeder seinen eigenen Bedarf und seine eigenen Entwicklungspläne hat. Das Abkommen von 1959 über die Nutzung des Nilwassers zwischen dem Sudan und Ägypten gibt diesen beiden Ländern das Recht, 85% der jährlichen Wasserführung des Nil am Zusammenfluß von Weißem Nil und Blauem Nil (bei der sudanesischen Hauptstadt Khartum) zu nutzen. Demnach kann der Sudan 18,5 Mrd. m3 Wasser nutzen, und Ägypten 55,5 Mrd. m3. Die Zahlen sind jedoch irreführend, weil fast achtmal mehr Wasser verdunstet oder ungenutzt abfließt.

Dieses Abkommen wurde zu einem Streitpunkt, denn die anderen Anliegerstaaten des Nil fordern ein neues Abkommen, das die Nutzungsrechte gerechter zwischen den Staaten aufteilt. Das eigentlich Entscheidende ist aber nicht „gerechte Aufteilung“, sondern die richtige Entwicklung der Wasserressourcen, damit der Wasserbedarf und die zukünftigen Entwicklungsbedürfnisse aller Anliegerstaaten gedeckt werden.

Das Abkommen von 1959 kam zustande, nachdem Ägypten und der Sudan sich von der Kolonialherrschaft des Britischen Empire befreit hatten, und folgte dem Vorbild, das die Verwaltung des anglo-ägyptischen Sudan 1929 mit der ebenfalls unter britischer Oberherrschaft stehenden Regierung des Königreichs Ägypten geschlossen hatte. Darin war nicht nur festgelegt, daß Ägypten und der Sudan 48 Mrd. m3 bzw. 4 Mrd. m3 des Nilwassers nutzen durften, Ägypten wurde auch das Recht vorbehalten, die Wasserführung des Nil in den Staaten am Oberlauf zu beobachten und „gegen jedes Bauprojekt, das seine Interessen beeinträchtigen würde, ein Veto einzulegen“.

1999 einigten sich alle Anlegerstaaten des Nil auf die Nilbecken-Initiative (NBI),2 die einen partnerschaftlichen Mechanismus schaffen soll, um den Strom in kooperativer Art und Weise zu entwickeln, substantiellen wirtschaftlichen Nutzen zu teilen und regionalen Frieden und Sicherheit zu fördern. Aber der Mangel an Entwicklung und die zahlreichen politischen Konflikte in dieser Region behinderten diese Initiative.

2010 unterzeichneten auf Initiative Äthiopiens vier der acht Staaten des Nilbeckens - Äthiopien, Ruanda, Tansania und Uganda - trotz hartnäckigen Protestes Ägyptens und des Sudan einen neuen Vertrag über eine gerechtere Aufteilung des Nilwassers. „Dieses Abkommen nützt uns allen und schadet keinem von uns“, sagte Äthiopiens Minister für die Wasservorkommen, Asfaw Dingamo. „Ich bin fest davon überzeugt, daß alle Länder des Nilbeckens das Abkommen unterzeichnen werden.“ Burundi und die Demokratische Republik Kongo waren bei den Treffen nicht vertreten, die kenianische Regierung übermittelte eine Unterstützungserklärung.

Damit Afrika und speziell die Nationen des Nilbeckens die Hoffnung ihrer Völker auf Frieden und Entwicklung erfüllen, die zu geringe Modernisierung überwinden und die durch Armut, Mangel an Bildung und Kämpfe um „begrenzte Ressourcen“ verursachten Kriege (die nur anglo-amerikanischen und anderen fremden Interessen dienen) beenden können, muß sich die Beziehung der menschlichen Gesellschaft zu der sie umgebenden Natur ändern. Die Zivilisation darf nicht länger der Willkür der „Götter“ und den Kräften der Natur ausgeliefert sein. Die Menschheit ist die einzige bekannte kreative Gattung im Universum, und sie ist mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, mit denen sie die Naturkräfte beherrschen und zu ihrem legitimen Vorteil nutzen kann.

Außerdem haben diese Nationen jetzt dank dem Entstehen einer neuen, gerechten Weltwirtschaftsordnung unter dem gewachsenen Einfluß der BRICS-Gruppe - Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika - und der von ihr gegründeten Neuen Entwicklungsbank (NDB) und dem damit eingeläuteten Ende der Vorherrschaft der rassistischen Politik der Briten und anderer westlicher Einflüsse eine wirkliche Chance, aus der Asche der jahrzehntelangen Bürgerkriege und der Unterentwicklung aufzuerstehen.

Geometrische statt lineare Entwicklung

So wird beispielsweise in fast allen „akademischen“ Schriften und Berichten internationaler Organisationen, darunter die Vereinten Nationen, das Nilwasser als ein geschlossenes System mit einer begrenzten Wassermenge und einem begrenzten Entwicklungspotential behandelt. Bei diesen linearen Berechnungen der Wasser- und Landressourcen wird ignoriert, daß der Mensch mit entsprechendem Wissen schöpferisch eingreifen und mit Hilfe der Technik diese Ressourcen verändern und ihre Wirkung vervielfachen kann. Man sieht im Gegenteil in den Menschen, deren Anzahl und Bedürfnisse geometrisch zunehmen, eine Belastung der natürlichen Ressourcen, welche nach der menschenfeindlichen Theorie von Thomas Malthus, dem Hauswissenschaftler des Britischen Empires, höchstens arithmetisch zunehmen. Das spiegelte sich, meist unbewußt, in vielen „wissenschaftlichen“ Papieren wider, die bei Konferenzen zur Wasserfrage, an denen der Verfasser teilgenommen hat,3 vorgetragen wurden.

Die Bevölkerung der Nationen des Nilbeckens und Ostafrikas hat sich seit den 1960er Jahren von rund 100 Mio. auf heute rund 400 Mio. Menschen vervierfacht. Internationale Umwelt- und Finanzinstitutionen sehen darin eine Katastrophe, aber ein denkender Mensch sollte es als eine große Quelle des Wohlstands betrachten.

Die linearen „Fakten“ sind folgende, nimmt man die üblichen Angaben, etwa von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO):

Der Nil ist mit einer Länge von schätzungsweise 6852 km der längste Fluß der Welt, er fließt von Süden nach Norden und quert auf diesem Weg 35 Breitengrade. Er speist sich aus zwei Flußsystemen: zum einen dem Weißen Nil, dessen Quellen auf dem Plateau der äquatorialen Seen liegen (Burundi, Ruanda, Tansania und Uganda, manchmal werden auch Kenia und die Demokratische Republik Kongo hinzugerechnet), und zum anderen dem Blauen Nil, dessen Quellen im äthiopischen Hochland und am Tanasee in 2100 m Höhe liegen.

Die Quellen des Weißen und des Blauen Nil liegen in Feuchtregionen, in denen die Niederschläge zwischen 1200 und 2600 mm im Jahr schwanken, was im Vergleich zu anderen Regionen der Welt ziemlich viel ist. Aber der jährliche Durchschnitt für das gesamte Nilbecken liegt nur bei 650 mm/Jahr. Das liegt daran, daß hier auch die Trockenregion miteingeschlossen ist, die im Sudan (bis zur Abspaltung des Südsudan durch das Referendum von 2011 das der Fläche nach größte Land Afrikas) beginnt und sich bis zur Mittelmeerküste Ägyptens hinzieht.

Der Sudan läßt sich in drei Niederschlagsregionen einteilen: den extrem feuchten Süden, wo die jährlichen Niederschläge zwischen 1200 und 1500 mm im Jahr betragen, die fruchtbaren Lehmebenen, in denen jährlich zwischen 400 und 800 mm Regen fallen, und die Wüste im Norden des Sudan, wo jährlich im Schnitt bloß 20 mm Niederschlag fallen. Weiter im Norden, in Ägypten, liegen die Niederschläge sogar unter 20 mm - oder wie der ägyptische Priester in Platons Timaios sagt: Das Wasser kommt von unten, aber niemals von oben.

Die Gesamtfläche des Einzugsbereichs des Nil beträgt 3,2 Mio. km2, das entspricht 10,3% der gesamten Fläche Afrikas. Wie schon erwähnt, fällt der größte Teil der Niederschläge in der Region der äquatorialen Seen, im Südsudan sowie im äthiopischen Hochland. Die Gesamtniederschläge über dem Einzugsgebiet werden auf 800-1000 Mrd. m3 geschätzt. Davon gehen fast 70% durch Verdunstung wieder verloren. Der Anteil von Sudan und Ägypten zusammen liegt unter 10%.

Was bei diesen „linearen“ Fakten neben der enormen Verdunstung ebenfalls nicht berücksichtigt wird, ist die Tatsache, daß es bei den Regenfällen und der Wasserführung des Blauen Nil und anderer Nebenflüsse wie dem Atbara - im Gegensatz zur fast gleichmäßigen Wasserführung des Weißen Nil - zwischen der Regenzeit (Juli-September) und der Trockenzeit (November-Juni) dramatische Unterschiede gibt. Die steigende Wasserführung des Blauen Nil verursacht gewöhnlich katastrophale Überschwemmungen im Sudan und eine zunehmende Verschlammung der Staubecken hinter Staudämmen wie Roseires und Chaschm Al-Girba. Die Wasserführung des Blauen Nil muß also dringend reguliert werden, um die mit diesen starken Schwankungen verbundenen Risiken zu reduzieren und das Wasser an sich und die Stromerzeugung daraus besser zu nutzen.

Außerdem würde der Bau von Staudämmen am Blauen Nil und am Atbara (auch Schwarzer Nil genannt) die für Ägypten verfügbare Wassermenge letztendlich sogar vergrößern, weil in dieser Region mit ihrem gemäßigten Klima nur 3% der Wassermenge verdunsten, während es am Assuan-Stausee fast 16% sind. Anderseits hätte Ägypten nicht mehr den Vorteil des zusätzlichen Wassers in den Hochwasserjahren, das dann nicht mehr im Assuansee zurückgehalten würde, sondern in den Reservoirs am Blauen Nil, d.h. dem derzeit im Bau befindlichen Großen Äthiopischen Renaissance-Damm.

Der Mangel an Wasserinfrastruktur hat ironischerweise zur Folge, daß es in dieser wasserreichen Region wegen der starken jahreszeitlichen Schwankungen der Niederschläge immer wieder zu großer Wasserknappheit kommt. Es fehlt an Möglichkeiten, Wasser in den Zeiten des Überflusses zurückzuhalten, um es in Zeiten der Knappheit nutzen zu können. Die künstlich angelegten Wasservorräte beliefen sich nach Angaben der Nilbecken-Initiative bis vor kurzem in Äthiopien auf bloß 47 m3 pro Einwohner, in Kenia auf 114 m3 und in Tansania auf 142 m3 - im Vergleich zu 6150 m3 in Nordamerika oder 4100 m3 in Australien.

Auch hier ist also das eigentliche Problem nicht, wieviel „natürliche Ressourcen“ verfügbar sind, sondern, wie die Gesellschaft diese Ressourcen durch Anwendung von Wissenschaft und Technik optimal nutzen kann. Die technischen Methoden sind nichts neues, sie existieren in der industrialisierten Welt seit mehr als hundert Jahren, aber in Afrika hat man sie nicht zugelassen. Sogenannte Umweltschutzorganisationen, Nichtregierungsorganisationen sowie Finanzinstitutionen wie Weltbank und Weltwährungsfonds wurden in den letzten Jahrzehnten dazu benutzt, solche Entwicklungsmaßnahmen in Afrika systematisch zu verhindern - genauso wie es im 19. und 20. Jahrhundert die Kolonialmächte getan hatten.

Verluste durch Verdunstung

Eine weitere nichtlineare Betrachtungsweise, um die Verfügbarkeit von Wasser für die flußabwärts gelegenen Nationen wie Ägypten und den Sudan zu verbessern, ist die Möglichkeit, die Verdunstung von Wasser aus der Region der äquatorialen Seen zu reduzieren, bevor es den Nordsudan erreicht. Die Verdunstung und die Transpiration (Freisetzung von Wasserdampf durch Pflanzen), beispielsweise am Victoriasee und am Albertsee (Mobutu-Sese-Seko-See), sind zwar natürliche Mittel zur Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufs, doch die Verdunstung in den Sümpfen und Feuchtgebieten ist eher als Verlust von Wasser und kultivierbarem Land zu betrachten.

Der Kagera fließt in den Victoriasee, aus dem dann das Nilwasser durch den Kyogasee und Albertsee nordwärts zur ugandisch-südsudanischen Grenze strömt. Bei der Stadt Bor im Südsudan ändert sich das Gefälle, und hier beginnt der große Sumpf - der Sudd. Der Umfang des Sudd verändert sich stark, je nachdem, wieviel Wasser ihm zugeführt wird. In der Zeit der großen Regenfälle von 1961-1964 erreichte der Sudd eine Fläche von 29.800 km2, das entspricht fast der Größe Belgiens.

In anderen Jahren lag die Größe des Sudd im Schnitt bei 16.000 km2, was immer noch eine ganze Menge ist. Der Nil durchströmt den Sudd in zahlreichen Armen. Charakteristisch für diesen Sumpf sind schwimmende oder angeschwemmte „Inseln“ - in Arabisch „Sudd“ genannt - von Marsch-Vegetation in unterschiedlichen Zersetzungszuständen; manche davon sind bis zu 30 km lang. In diesen trüben Gewässern leben auch zahlreiche Stechmücken und andere Parasiten, die Krankheiten wie die Malaria übertragen. Es ist fast unmöglich, den Sudd mit einem Fahrzeug oder einem Boot zu durchqueren.

Im Sudd geht ein großer Teil des Nilwassers durch Verdunstung verloren. Der durchschnittliche Wasserverlust durch Verdunstung wird für die Zeit von 1905 bis 1980 auf 16,9 Mrd. m3 jährlich geschätzt. In manchen Jahren können es bis zu 20 Mrd. m3 sein, das ist fast ein Drittel der jährlichen Wasserführung des Nil in Assuan.

Ein weiteres Beispiel sind die Sümpfe in Uganda, einem Land mit zahlreichen Seen und Feuchtgebieten, in dem die erneuerbaren Wasservorkommen auf 39 Mrd. m3 im Jahr geschätzt werden. Aber der Zustrom in das Land (an den Ripon-Wasserfällen und aus der Demokratischen Republik Kongo) ist fast genauso groß wie der Abfluß in den Südsudan, was bedeutet, daß eine Menge Wasser innerhalb des Landes durch die Verdunstung aus den Seen und Feuchtgebieten verloren geht. Fast 10% der Landfläche Ugandas sind Feuchtgebiete.

Wie viele andere Länder Afrikas, die vom Britischen Empire formal in die Unabhängigkeit entlassen wurden, hat Uganda, das 1962 unabhängig wurde, mehrere große Programme zur Trockenlegung von Sümpfen gestartet, insbesondere in den 70er Jahren. Aber ein blutiger Bürgerkrieg, der 1979 mit der Absetzung Idi Amins endete, und ein späterer Aufstand der Nationalen Widerstandsbewegung, der 1985 zum Sturz Milton Obotes führte, haben diese Pläne zunichte gemacht.

1986 verbot die Regierung weitere große Drainage-Projekte und schuf das Nationale Programm zur Erhaltung und Verwaltung der Feuchtgebiete. Es unterwarf sich der britisch inspirierten und gesteuerten Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, die von den früheren Kolonialmächten benutzt wird, um unter dem Deckmantel von Umweltschutz und Artenvielfalt die Entwicklung der Wasserressourcen in Afrika zu blockieren. So wurde der direkte britische Kolonialismus durch den „grünen Kolonialismus“ (und Völkermord) des IWF und der Weltbank abgelöst. Nur kleine Projekte wurden zugelassen, und dem Land wurde nahegelegt, seine Wasser- und Landressourcen für die Produktion von Exportwaren wie Kaffee zu nutzen.

Die Ramsar-Konvention besagt, daß jedes Land eine Liste bestimmter Gebiete auf seinem Territorium - die Ramsar-Liste - zusammenstellen muß, die dann von einem Sekretariat im Büro der Weltnaturschutzunion (IUCN) in Gland in der Schweiz verwaltet wird. 1999 wurde ein „strategischer Rahmen“ ausgearbeitet, „um ein internationales Netzwerk von Feuchtgebieten zu entwickeln und zu erhalten, die für die Erhaltung der globalen Artenvielfalt und die Erhaltung von Menschenleben durch die von ihnen erfüllten ökologischen und hydrologischen Funktionen wichtig sind“.

Auch wesentliche Teile des Sudd stehen auf dieser Ramsar-Liste. Durch die Fertigstellung des Jonglei-Kanals (s.u.) könnte man große Teile dieses gewaltigen Marschgebiets, das durch den Weißen Nil entsteht, in fruchtbares Ackerland verwandeln. Aber fast 5,7 Mio. ha dieses Sumpfgebiets sind als „Ramsar-Gebiet“ ausgewiesen, welches für alle Ewigkeit unverändert bleiben soll.

Auch große Teile des Tschadsee-Beckens sind in den Listen der IUCN und von Prinz Philips World Wildlife Fund (WWF) als unantastbar ausgewiesen - obwohl es für die ganze Welt sehr wichtig wäre, den Tschadsee durch die Umleitung von Wasser aus dem Kongo wieder aufzufüllen, weil er immer mehr austrocknet. Als Vorwand wird angeführt, daß es sich um ein Biosphären-Reservat handele, das dazu diene, die Vögelbestände am Tschadsee vor Eingriffen durch den Menschen zu schützen. 160 Nationen haben die Ramsar-Konvention unterzeichnet, und weltweit sind 1896 Gebiete ausgewiesen, mit einer Gesamtfläche von 186 Mio. ha, mehr als die fünffachen Fläche Deutschlands.

Aufgrund der Ramsar-Konvention führte Ugandas Regierung 1995 eine „Nationale Politik zur Erhaltung und Verwaltung der Feuchtgebiete“ ein. Darin heißt es: „7.1: Trockenlegung von Feuchtgebieten: Uganda hat erlebt, daß in großem Umfang Feuchtgebiete zur Entwicklung menschlicher Aktivitäten trockengelegt wurden. Die Wirkung dieser Trockenlegung ist in vielen Teilen des Landes zu sehen.“

Die „Strategie“ zum Umgang mit dieser Frage ist nicht Entwicklung, sondern das Gegenteil: „1. Es wird keine weitere Trockenlegung von Feuchtgebieten geben, wenn nicht andere, wichtigere Erfordernisse im Umweltmanagement Vorrang haben.“ In der Erläuterung dazu heißt es: „Die künstliche Entfernung oder Fernhaltung von Wasser aus einem Feuchtgebiet mit welchen Mitteln auch immer stellt eine Trockenlegung dar. Dies kann durch Pumpen, durch Ausheben von Wasserkanälen und möglicherweise in Verbindung mit übermäßigem Wachstum von Bäumen geschehen. Eine weitere Methode der Trockenlegung kann der Bau von Dämmen an den Zuläufen sein. Solche Veränderungen sind zu vermeiden.“

Aber jetzt, da das transatlantische System des Britischen Empire im Bankrott versinkt, wird das Leiden der Menschen unter den gnadenlosen Naturkräften die Regierungen in Uganda und anderswo zwingen, mit Unterstützung durch das System der BRICS-Staaten diese Politik zu ändern.

Karte: FAO

Abb. 2: Der Jonglei-Kanal soll einen Teil der Wasserführung des Nil um die Sudd-Sümpfe herumleiten und dadurch einerseits Tausende Quadratkilometer Land landwirtschaftlich nutzbar machen und andererseits mehrere Millionen Kubikmeter Wasser vor der Verdunstung bewahren

Der Jonglei-Kanal

Eines der wichtigsten Drainageprojekte in Afrika ist der Bau des Jonglei-Kanals, der den Zweck hat, einen Teil der Sudd-Sümpfe trockenzulegen (Abbildung 2). Die Idee reicht noch in die britische Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, die ersten ernsthaften Studien wurden 1946 von der ägyptischen Regierung durchgeführt, noch vor der endgültigen Unabhängigkeit von den Briten.

Konkrete Pläne wurden dann aber erst unter der progressiven republikanischen Regierung von Präsident Gamal Abdel Nasser 1954-59 ausgearbeitet. Eine Vereinbarung mit der Regierung des Sudan 1976 machte den Weg frei für den Beginn der Bauarbeiten 1978. Doch eine von den Briten inszenierte und von den USA unterstützte Rebellion brachte die Arbeiten 1984 zum Stillstand. Das erste große Ziel der Militäraktionen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) unter John Garang war der aus Deutschland stammende riesige Bagger „Sarah“, mit dem der Kanal ausgehoben wurde. Als die Arbeiten eingestellt wurden, waren bereits 240 der 360 km des Kanals fertiggestellt.

Dieser Kanal soll einen Teil des Wassers, das jetzt in den Sudd fließt, vorher ablenken und direkt in Süd-Nord-Richtung von Bor nach Malakal leiten, was sowohl der Region in der unmittelbaren Umgebung als auch den weit flußabwärts gelegenen Regionen große ökologische und wirtschaftliche Vorteile verschaffen würde.

Der Schaufelradbagger Sarah war ursprünglich in Pakistan im Einsatz gewesen, wo er mit Erfolg die 101 km lange, 1970 fertiggestellte Kanalverbindung zwischen Indus und Jhelam gegraben hatte. Er wurde dann demontiert, in den Sudan geschafft und dort wieder zusammengebaut. Er ist der größte Bagger der Welt mit einem Gewicht von 2100 Tonnen. 1981, als er im vollen Einsatz war, grub er täglich eine Strecke von 2 km aus und bewegte dabei 2500-3500 m3 Erde in der Stunde. Die gigantische Maschine benötigt dabei pro Arbeitstag 40.000 Liter Treibstoff.

Mit dem Kanal sollen etwa 25 Mio. m3 Wasser täglich aus dem Nil bei Bor unmittelbar oberhalb des Sudd entnommen und über seine 360 km lange Strecke am Sudd vorbei nach Malakal geleitet werden - jährlich rund 4,7 Mrd. m3. Dadurch würden (Verluste entlang des Verlaufs eingerechnet) dem Unterlauf des Nil jährlich 3,8 Mrd. m3 mehr zugeleitet als bisher, gemessen am Assuan-Damm. Durch die Entnahme der 25 Mio. m3 täglich würde der Sudd um schätzungsweise 36% schrumpfen, von derzeit 16.900 km2 auf etwa 10.800 km2. Die Breite des Kanals beträgt zwischen 28 und 50 Meter, seine Tiefe 4 bis 7 Meter.

Parallel zum Kanal sollten eine ganzjährig befahrbare Straße und weitere ergänzende Projekte entstehen: Ablaufbahnen, Brücken, Fähren, Übergänge, Bauten zur Regulierung der Wasserhöhe und andere Infrastruktur.

Als im Jahr 2000 im Sudan der Süd-Nord-Friedensprozeß in Gang kam, gab es insbesondere in Ägypten Spekulationen und Vorstöße, den Bau des Kanals fortzusetzen. Die Regierungen in Ägypten und im Sudan waren und sind sich einig, das Projekt wieder aufzunehmen, aber den neuen Machthabern im Südsudan war die „Unabhängigkeit“ und Abspaltung vom Norden wichtiger. Sie wurden von den USA und Großbritannien unterstützt und dazu verleitet, eine Konfrontationshaltung gegenüber der Zentralregierung in Khartum einzunehmen. Den Politikern und der Bevölkerung im Südsudan wurde auch eingeredet, der Jonglei-Kanal sei „imperialistisches“ Projekt Ägyptens, das den Menschen im Südsudan keinen Nutzen brächte.

Als 2011 die Unabhängigkeit gewährt wurde, wurde der Südsudan von allen früheren Unterstützern mit seinen massiven wirtschaftlichen und sozialen Problemen im Stich gelassen. Deshalb kam es 2014 zu inneren Konflikten zwischen rivalisierenden Stämmen und Milizen. Die Ölförderung des Südens, die in den Friedensjahren zwischen 2000 und 2010 von der sudanesischen Regierung aufgebaut worden war und die einzige Einkommensquelle des Landes bildet, wurde wegen Grenzkonflikten mit dem Norden eingestellt. Der einzige Zugang zum Weltmarkt für dieses Öl sind die existierenden Pipelines des Sudan nach Khartum und Port Sudan am Roten Meer.

Die Regierung und politische Führung des Südsudan sind jetzt mit ihrem neuen Staat hilflos gefangen, mit einer großen Hungerkrise, Bürgerkrieg, und geographisch isoliert. Der einzige Ausweg aus dieser Lage ist, mit den Nachbarn im Norden zusammenzuarbeiten und gleichzeitig neue Verbindungen für Austausch und Handel mit den Nachbarn im Süden und Osten zu schaffen. Letzteres hat erfreulicherweise inzwischen begonnen, dank der Kooperation Chinas mit den Nationen Ostafrikas beim Bau von Verkehrskorridoren durch Kenia in die landeingeschlossenen Nationen Südsudan, Äthiopien, Uganda, Ruanda, Burundi und Demokratische Republik Kongo.4

Eine Entscheidung der südsudanesischen Regierung, in Zusammenarbeitet mit Ägypten und dem Sudan den Bau des Jonglei-Kanals wiederaufzunehmen, wäre ein sicheres Signal, daß der Südsudan bereit ist, sich an der kommenden wirtschaftlichen und sozialen Renaissance Afrikas zu beteiligen.

Wasserkraft, Wasserregulierung und Entwicklung der Landwirtschaft

Derzeit sind mehrere sehr wichtige Staudammprojekte im Bau oder geplant, die den Nilstaaten ein ganz neues Verhältnis zur Biosphäre bringen können. Der Sudan hat kürzlich im Norden des Landes den Merowe-Damm fertig gestellt, ein bedeutendes Projekt zur Stromerzeugung und Bewässerung.5 Außerdem plant der Sudan noch weiter nördlich am 3. Katarakt den Kajbar-Damm. Am Atbara und am Setit, zwei kleineren Zuflüssen des Nil, die im Norden Äthiopiens entspringen, sind zwei weitere Staudämme im Bau. An fast allen diesen Projekten sind chinesische Baufirmen und Finanzierung beteiligt.

Bild: http://grandmillenniumdam.net

Abb. 3: Bauarbeiten am Renaissance-Staudamm

Das größte Dammprojekt im Becken des Nil und in Afrika überhaupt ist jedoch der Große Äthiopische Renaissance-Damm am Blauen Nil (Abbildung 3).

In den letzten Jahrzehnten war der Name Äthiopien oft mit Hunger, Armut und Konflikten verbunden. Das wird sich nun ändern. Äthiopien mit seiner Bevölkerung von mehr als 96 Millionen Menschen, einem historisch tief verwurzelten Selbstbewußtsein der Bevölkerung und einem gewaltigen Wirtschaftspotential war bisher nicht in der Lage, seine Potentiale zur Entwicklung der Menschen, des Landes und seiner Ressourcen auszuschöpfen. Dafür ist die Wasserkraft ein treffendes Beispiel.

Äthiopiens langfristiges Potential zur Stromerzeugung aus Wasserkraft liegt bei 45.000 MW, davon werden aber bisher ganze 2000 MW genutzt! 2009 hatte weniger als ein Zehntel der Äthiopier Anschluß an die Stromversorgung. Seit 2004 der Bau der „Gilgel Gibe“-Staustufen am Omo-Fluß begann, wird Äthiopiens Stromerzeugung jedoch vervielfacht. Und wenn der Renaissancedamm 2018 fertiggestellt sein wird, wird er die Kapazität um weitere 6000 MW erweitern. Die Gilgel-Gibe-Dämme wurden von China mit gebaut oder finanziert, während westliche Umweltschutzorganisationen und Finanzinstitutionen die Projekte mit einer großen Propagandakampagne und finanzieller Sabotage zu verhindern suchten. Aber der Renaissancedamm beweist, welche Möglichkeiten die Alternative des nationalen Kredits bietet, denn der Damm wird (abgesehen von einer Sondersteuer) ausschließlich durch staatliche Anleihen finanziert, die nur an äthiopische Staatsbürger im In- und Ausland verkauft werden. Die gleiche Methode benutzt die neue ägyptische Regierung unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, um nationale Entwicklungsprojekte wie den Bau des Neuen Suezkanals oder das Toschka-Projekt (vgl. Neue Solidarität 37, 38/2014) zu finanzieren.

Der Bau des Renaissancedamms (kurz GERD) wurde 2011 vom damaligen Premierminister Meles Zinawi gestartet. Der Auftrag für den Bau für über 4,3 Mrd.$ ging an den italienischen Baukonzern Salini Impregilo. Chinesische Banken sollen den Bau des Wasserkraftwerks und seiner Komponenten finanzieren, das sind weitere 1,8 Mrd.$. Äthiopien hat den Nachbarstaaten angeboten, sich an der Finanzierung des Baus zu beteiligen und im Gegenzug dafür Strom zu erhalten. Der bisher größte ausländische Käufer von GERD-Bonds ist Dschibuti. Ägypten und der Sudan halten sich zurück, weil sie die politischen und technischen Entscheidungen einer Kommission der drei Länder abwarten wollen, die derzeit die Auswirkungen des Staudamms auf den Sudan und Ägypten untersucht.

Die Gewichtsstaumauer wird 170 m hoch und 180 m lang werden und aus verdichtetem Beton bestehen. Der Damm wird zwei Generatorhäuser haben, jeweils eines auf beiden Seiten des Überlaufs. Diese beiden Kraftwerke werden jeweils acht 350-MW-Francis-Turbinengeneratoren enthalten. Der Damm wird seitlich ergänzt durch einen 50 m hohen und 5 km langen Satteldamm. Das Reservoir wird ein Volumen von rund 63 Mrd. m3 haben - das entspricht der gesamten Wassermenge, die innerhalb eines Jahres des Assuan-Damm passiert. Dies ist, wie schon erwähnt, eine große Sorge Ägyptens, weil nach der Fertigstellung des Damms die Wasserführung des Nil mehrere Jahre lang um 10-15% geringer sein wird, bis das Staubecken gefüllt ist.

Vorteile und Einwände

Wie schon erwähnt, ist die Wasserführung des Blauen Nil großen jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen, und der Damm würde dazu beitragen, Überschwemmungen flußabwärts zu reduzieren - sowohl entlang der 40 km des weiteren Flußlaufs in Äthiopien als auch im Sudan, wo es praktisch alljährlich zu großen Überschwemmungen kommt.

Früher betrachtete man diese Überschwemmungen als nützlich für die Landwirtschaft, weil der Fluß die Felder düngte und half, neue Flächen zu bewässern. Aber mit der Einführung moderner Landwirtschafts- und Bewässerungsmethoden müssen die alten Methoden weichen.

Auch wenn der Renaissancedamm nicht in einer dichtbesiedelten Region liegt, wird er einen Teil der Infrastruktur für moderne agroindustrielle Zentren bilden. Gleichzeitig wird der Damm eine Brücke über den Blauen Nil sein, und mit den Straßen, Zementfabriken und Werkstätten, die für die Bauarbeiten geschaffen wurden, wird diese Region zu einer der wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Regionen Afrikas.

Die Idee, Elektrizität über große Distanzen in andere Landesteile zu leiten und Strom in den Sudan und nach Ägypten zu exportieren, bietet sich aus monetaristischer Sicht natürlich an, um dem Land als Einkommensquelle zu dienen. Langfristig aber wird man, wenn sich Äthiopien als agroindustrielles Land angemessen entwickelt, fast diesen gesamten Strom und vielleicht noch mehr im Inland benötigen. Für Ägypten und den Sudan ist die Nutzung von Kernkraft und Kernfusion die richtige Alternative für die Zukunft.

Die Auswirkungen des Damms auf die stromabwärts gelegenen Länder sind derzeit im einzelnen noch nicht klar, weil man noch zu keiner Einigung gelangt ist. Ägypten befürchtet eine zeitweilige Reduzierung der verfügbaren Wassermenge während der Auffüllung des Stausees, dessen Volumen fast der gesamten durchschnittlichen Wasserführung des Nils (65,5 Mrd. m3) an der ägyptisch-sudanesischen Grenze entspricht. Diese Verluste für die stromabwärts gelegenen Länder würden sich vermutlich über mehrere Jahre verteilen. Hinzu kommt eine dauerhafte Reduzierung der Wasserführung wegen der Verdunstung aus dem Stausee.

Dem Vernehmen nach sollen während des Auffüllens des Reservoirs jährlich zwischen 11 und 15 Mrd. m3 Wasser zurückgehalten werden. Es wird auch befürchtet, daß dies sich negativ auf Ägyptens Stromerzeugung am Assuandamm auswirken würde. Der Renaissancedamm würde auch den Wasserpegel des Nasser-Stausees auf Dauer senken, wenn das Hochwasser statt dessen in Äthiopien zurückgehalten wird. Der Vorteil wäre, daß die Verdunstung, gegenwärtig rund 10 Mrd. m3 im Jahr, verringert wird, aber der Nachteil wäre, daß die Kapazität des Assuandamms zur Stromerzeugung sänke.

Aus dem bis zu 200 m tiefen Stausee im äthiopischen Hochland würde weit weniger Wasser verdunsten als aus den weiter flußabwärts gelegenen Stauseen wie dem Nassersee in Ägypten, der 12% des Wassers durch Verdunstung verliert, weil das Wasser dort bis zu zehn Monate lang zurückgehalten wird. Indem bei Bedarf Wasser aus dem Stausee abgelassen wird, läßt sich Ägyptens Wasserzufuhr um bis zu 5% erhöhen, und die des Sudan ebenso.

Außerdem wird der Renaissancedamm auch Schlick zurückhalten und dadurch die Nutzungsdauer der Staudämme im Sudan - wie dem Roseires-, dem Sennar- und dem Merowe-Damm - sowie des Assuandamms in Ägypten verlängern.

Die Beziehungen zu Ägypten

Während die sudanesische Regierung den Bau des Renaissance-Damms seit 2011 unterstützt, ist die Lage in Ägypten etwas anders. Unter der kurzen Herrschaft der Muslim-Bruderschaft 2013 lief eine massive Propagandakampagne gegen das Projekt, es wurde behauptet, der Damm würde den Nil austrocknen lassen und die Existenz Ägyptens bedrohen. Die Spannungen unterbrachen die Verhandlungen und gemeinsamen Studien, die ein gemeinsames Expertengremium der drei Länder begonnen hatte.

Die jetzige ägyptische Führung unter Al-Sisi entwickelt nun einen neuen Ansatz. Während eines Besuchs in Äthiopien am 4. September sprach Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry mit seinem äthiopischen Amtskollegen Tedros Adhanom über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, und eines der wichtigsten Themen war die Wiederaufnahme der Arbeit dieser trilateralen gemeinsamen Kommission von Experten aus Ägypten, dem Sudan und Äthiopien zur Untersuchung des Projektes. Shoukry sagte, Ägypten betrachte die Beziehungen zu Äthiopien als ein entscheidendes Element der Außenpolitik seiner Regierung.

Ende September besuchte der ägyptische Bewässerungs- und Wasserminister Hossam Al-Moghasi mit einer Delegation Khartum, um dort mit seinen Kollegen aus Äthiopien und dem Sudan zusammenzutreffen und die Arbeit der Kommission wiederaufzunehmen.

Al-Moghasi besuchte anschließend die Baustelle des Damms und berichtete in ägyptischen Medien, er habe neue Dokumente, Karten und technische Studien erhalten, die er zum weiteren Studium an ägyptische Experten weiterleiten wolle, um sicherzustellen, daß der Damm keine negativen Wirkungen auf Ägypten haben werde. Er forderte bei dieser Gelegenheit auch die ägyptischen Medien auf, in den Berichten über das Projekt und seine Folgen für Ägypten auf Gründlichkeit und Objektivität zu achten, um die friedlichen Beziehungen zu Äthiopien nicht zu gefährden. Er betonte auch, der Renaissancedamm werde die Wasserzufuhr nach Ägypten nicht beeinträchtigen, da der Hauptzweck des Damms die Stromerzeugung sei, und nicht der, Wasser in andere Regionen zu leiten oder es für die Landwirtschaft in Äthiopien zu nutzen.

Präsident Al-Sisi traf im Juni während des Gipfeltreffens der Afrikanischen Union in Äquatorialguinea und dann erneut Ende September während der UN-Vollversammlung in New York mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Hailemariam Delasegn zusammen. Al-Sisi will Äthiopien noch vor Ende des Jahres besuchen.

Es wäre ein wichtiger Schritt in die beste Richtung, wenn diese beiden afrikanischen Giganten zusammenarbeiten. Politische Differenzen und Intrigen zwischen den Nationen des Kontinents behindern schon seit Jahrzehnten Afrikas Entwicklung. Nur durch solide wissenschaftliche Studien und kreatives wirtschaftliches Denken können diese Länder die Kolonialära endgültig hinter sich lassen und in die Ära von Souveränität und Entwicklung eintreten.


Anmerkungen

1. http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Timaios

2. Die Nilbecken-Initiative ist eine politische Vereinbarung zwischen zehn Nationen: Tansania, Uganda, Ruanda, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Kenia, Äthiopien, Südsudan, Sudan und Ägypten. Das physische Becken oder Einzugsgebiet des Nil erstreckt sich auch bis nach Eritrea, das aber kein Mitgliedstaat der NBI ist. Die acht Staaten, die einen spürbaren Einfluß auf die Wasserführung des Nil nehmen könnten, wenn sie die Wasserinfrastruktur auf ihrem Territorium ausbauen würden, sind Tansania, Uganda, Ruanda, Burundi, Äthiopien, Südsudan, Sudan und Ägypten.

3. Siehe Hussein Askary, „Zwei Welten auf der Weltwasserwoche: Entwicklung oder Tod“, Neue Solidarität 39/2012.

4. Im nächsten Teil dieser Serie werden wir auf Verkehrsprojekte für Afrika eingehen.

5. Siehe Hussein Askary, „Baut tausend Merowe-Dämme!“, Neue Solidarität 11/2009.