Ein neues Ägypten nimmt Gestalt an
Von Hussein Askary
Der EIR-Korrespondent Hussein Askary war vom 9.-16. März in
Ägypten, um über die Ägyptische Wirtschafts-Entwicklungskonferenz (EEDC) und
die Internationale Wassertechnologiekonferenz zu berichten, die beide parallel
in Scharm El-Scheich im Süden der Halbinsel Sinai stattfanden.
Die große Ägyptische Wirtschafts-Entwicklungskonferenz (EEDC) Mitte März
war für die ägyptische Nation sowohl emotional als auch wirtschaftlich ein
durchschlagender Erfolg. Ägypten hat sich verjüngt und den Weg in seine
Zukunft klar abgesteckt. Etwa 2000 Delegierte aus 112 Nationen, darunter 30
Staatsoberhäupter und viele Vorstandschefs multinationaler Konzerne, nahmen an
der Konferenz teil.
Der Konferenztitel „Das Ägypten der Zukunft“ setzte den Ton: nicht
kurzfristiger Vorteil, sondern die Zukunft ist das Ziel. Darin sind sich das
Volk und die Regierung in Ägypten einig, und sie demonstrierten der Welt, daß
das neue Ägypten bereits existiert. Selbst wenn etliche wichtige Fragen noch
ungelöst sind - die alten Handlungsweisen in wirtschaftlichen und politischen
Angelegenheiten gelten nicht mehr. 30 Jahre wirtschaftliche Verheerung durch
die Freihandelspolitik von IWF, Weltbank, USA und EU haben die Realwirtschaft
des Landes in die Knie gezwungen, aber jetzt beginnt die Arbeit, um sie wieder
aufzubauen. Das war die wichtigste Botschaft.
Die Konferenz hatte drei Komponenten:
- Erstens eine Geberkonferenz, in der Saudi-Arabien, die VAE und Kuwait
12 Mrd.$ zusagten, die bei der ägyptischen Zentralbank deponiert und zur
Finanzierung staatlicher Infrastrukturprojekte verwendet werden.
- Zweitens stellte die ägyptische Regierung den Investoren ihre Visionen
und Projekte vor.
- Drittens wurden bei der Konferenz zahlreiche Verträge und
Absichtserklärungen mit ausländischen Unternehmen zur Verwirklichung dieser
Pläne unterzeichnet.
Das größte Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekt der Regierung Al-Sisi ist
der Ausbau des Suezkanals. Dieses Projekt wird nach der Fertigstellung 30-35%
der ägyptischen Volkswirtschaft umfassen.
Der geschäftsführende Direktor von Dar Al-Handasah Egypt, Yehia Zahi,
stellte das Megaprojekt bei der Konferenz vor. Das internationale Industrie-
und Logistikzentrum von Suez wird sich über drei Regierungsbezirke erstrecken
- Port Said, Ismailia und Suez - und sechs Seehäfen einschließen. Das Projekt
erfordert 15 Mrd.$ Investitionen in Wasserinfrastruktur und 6 GW
Stromerzeugung. Es schließt drei Wirtschaftssonderzonen auf einer Fläche von
500 km2 ein:
- die Wirtschaftssonderzone East Port Said, u.a. mit einem
Umschlagshafen und einem 40 km2 großen Industriegebiet für
mittelständische Industriebetriebe. Zu ihr gehört auch der neue Hafen East
Port Said, dessen erste Bauphase bereits abgeschlossen ist;
- die Quantara-Zone, in der aufgrund ihrer Nähe zu landwirtschaftlichen
Produktionszentren insbesondere nahrungsmittelverarbeitende Betriebe und
Textilindustrie sowie Wohnsiedlungen vorgesehen sind;
- die Wirtschaftssonderzone Ain Al-Sochna nordwestlich von Suez, die 80
km2 umfaßt, mit einem Hafen, der Ägyptens Tor zu den Golfstaaten,
Afrika und Asien bilden wird. Hier sollen Mittelstand und Schwerindustrie
angesiedelt werden. Diese Zone wird durch eine 60 km lange Güterbahn und eine
Hochgeschwindigkeitsbahn mit der Industriestadt Helwan südöstlich von Kairo
verbunden werden. Helwan, inzwischen fast schon ein Vorort von Kairo, hat
650.000 Einwohner. Es wurde in der Nasser-Ära zum industriellen Zentrum
Ägyptens ausgebaut, mit großen Stahl-, Zement- und Automobilfabriken sowie
Rüstungsbetrieben und den damit verbundenen Maschinenbau- und
Dienstleistungsbetrieben.
Verkehr und Logistik
Am zweiten Tag der Konferenz kündigte Verkehrsminister Hani Dhahi einige
der großen Verkehrs- und Logistikpläne an. Sein Ministerium hat insgesamt
sechs Abkommen im Gesamtwert von 2,2 Mrd.$ geschlossen, darunter ein Abkommen
mit dem chinesischen AVIC-Konzern zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens
für Eisenbahnbau (500 Mio.$), einen Vorvertrag über den Bau einer
elektrifizierten Bahnstrecke von Alexandria nach Abukir mit der italienischen
Firma Trenitalia (10 Mio.$), eine Güterbahnlinie vom Hafen Ain Suchna am Golf
von Suez nach Helwan südlich von Kairo, ein Abkommen mit Dubai Ports World aus
den Vereinigten Arabischen Emiraten über den Bau eines Lagers und Terminals
für flüssiges Massengut bei Ain Suchna und ein Vertrag über 250 Mio.$ für ein
neues Mehrzweckterminal am Hafen von Alexandria.
Landwirtschaft
Präsident Al-Sisi gab bei der EEDC bekannt, daß seine Regierung einen Plan
zur Erschließung und Urbarmachung von rund 4 Mio. Feddan (ca. 17.000
km2) landwirtschaftlicher Nutzfläche in der Wüste westlich des
Niltals beschlossen hat. In der ersten Phase sollen 1,2 Mio. Feddan (5000
km2) erschlossen werden. Die Entwicklung der Wüstengebiete und der
Aufbau einer Kette neuer agroindustrieller und städtischer Zentren ist ein
Schlüsselelement für die Lösung des demographischen Ungleichgewichts. Bisher
leben die 89 Millionen Ägypter auf lediglich 6% der Fläche des Landes, während
weite Teile der Wüste zwar fruchtbare Böden haben, aber immer noch
unerschlossen sind.
Landwirtschaftsminister Dr. Salah Hilal kündigte bei der EEDC an, daß
Absichtserklärungen und Protokolle mit Investoren unterzeichnet wurden, um
sofort 218.000 Feddan (920 km2) urbar zu machen und zu kultivieren.
Das Nationale Landwirtschaftliche Forschungsinstitut werde den Investoren
wissenschaftliche Studien liefern, und er werde die Projekte persönlich
betreuen. Des weiteren habe er eine Vereinbarung mit den Vereinigten
Arabischen Emiraten geschlossen, 220.000 Feddan in Kom Ombo für
landwirtschaftliche Projekte und Nahrungsmittelverarbeitung zur Verfügung zu
stellen, unter der Bedingung, daß das Unternehmen innerhalb von drei Monaten
eine Machbarkeitsstudie vorlegt. Weitere 1,2 Mio. Feddan würden zur
Erschließung zur Verfügung gestellt in Al-Mughara, Ost-Oweinat, Ost-Sewah,
Alt-Farafra, südöstlich der Kattarasenke, westlich von Al-Minia, Toschki
Wells, am Toschki-Kanal und westlich von Kom Ombo. Hilal erklärte außerdem:
„Präsident Al-Sisi hat angeordnet, daß alle diese Projekte integrierte
agroindustrielle Komplexe sein müssen, um zur wirtschaftlichen
Gesamtentwicklung des Landes beizutragen.“
Auslandsinvestitionen
Eine große Frage ist, woher die Energieversorgung für diese industrielle
Revolution kommen soll. Ende 2013 hatte Ägypten Kraftwerke mit 31 GW Kapazität
zur Stromerzeugung. Neben dem 1000-MW-Kernkraftwerk, das Rußland im Nordwesten
Ägyptens bei Al-Dhabaa an der Mittelmeerküste bauen wird, erhielten der
deutsche Siemens-Konzern und General Electric (GE) aus den USA die größten
Aufträge. Diese werden die bestehenden Kapazitäten in den kommenden 2-3 Jahren
um mehr als 10 GW, also um ein Drittel, vergrößern.
Erdöl und Erdgas
Ägypten hat jedoch keine Gas-, Öl- oder Kohlevorkommen, um diese
zusätzlichen Kraftwerke zu betreiben, und es wäre zu teuer, diese Rohstoffe
auf dem Weltmarkt zu kaufen. Daher gingen die nächstgrößten Aufträge an BP
(British Petroleum, 14 Mrd.$) und den italienischen Konzern ENI (5 Mrd.$), um
vor der Küste im Mittelmeer neue Erdgas- und Erdölfelder zu suchen und zu
erschließen. BP schätzt, daß im Nordwesten der Deltaregion etwa 143 Mrd.
m3 Erdgas und etwa 55 Mio. Faß Kondensat gefördert werden
können.
Wenn sich diese Zahlen als richtig erweisen, dann läßt sich Ägyptens
Erdgasförderung damit um 25% steigern. BP erwartet, daß die Förderung schon
2017 beginnen kann. Die neuen Förderstellen werden in den
Offshore-Konzessionsgebieten Nord-Alexandria und West Mediterranean Deepwater
liegen, in denen das Unternehmen bereits tätig ist. Durch zukünftige
Explorationen können die verfügbaren Vorkommen möglicherweise um weitere 200
Mrd. m3 gesteigert werden. ENI seinerseits rechnet mit weiteren 200
Mio. Faß Öl und 37 Mrd. m3 Erdgas.
Aus einer Woche Aufenthalt in Ägypten mit vielen Gesprächen auf allen
gesellschaftlichen Ebenen ist deutlich geworden, daß das ganze Land in die
Zukunft blickt und die notwendige Dynamik existiert, um die Zukunft
aufzubauen. Notwendig sind nun weitsichtige Entscheidungen und ein breiter
Blick auf die Weltlage, in der Ägypten existiert, und ein klares Verständnis
der sozialen Prozesse und der physischen Wirtschaft.