Ägypten schließt sich der BRICS-Dynamik an
Von Hussein Askary
Wladimir Putins Besuch in Ägypten am 9.-10. Februar hat die
Mächteverhältnisse im Nahen Osten verändert. Rußland und China haben das von
Amerika hinterlassene Vakuum erkannt und drängen in die Region hinein.
Der außerordentlich herzliche Empfang, den die ägyptische Regierung und
Bevölkerung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Besuch in
Kairo am 9.-10. Februar haben zuteil werden lassen, und auch die dabei
zwischen Rußland und Ägypten geschlossenen Abkommen zeigen die
Entschlossenheit Ägyptens, ein wirklich souveräner Nationalstaat zu bleiben,
der sein Recht auf Entwicklung und Sicherung seines Territoriums
wahrnimmt.
Die neue ägyptische Regierung unter Präsident Abdul-Fattah Al-Sisi hat sich
dazu entschieden, die realwirtschaftliche Entwicklung des Landes
voranzutreiben, und schickt sich an, den verhängnisvollen politischen und
militärischen Entwicklungen Einhalt zu gebieten, die im Zuge der
geopolitischen Interventionen der USA, Britanniens, der NATO und ihrer
regionalen Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar und der VAE große Teile
Südwestasiens und Nordafrikas verwüstet haben. Ägypten betreibt außerdem eine
Politik des Dialogs für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas besonders in
Sudan, Äthiopien und anderen Ländern des Niltals.
Kernkraftentwicklung
Das aus Sicht der ägyptischen Entwicklungsperspektive wichtigste
Wirtschaftsabkommen, das während Putins Besuch abgeschlossen wurde, betrifft
die Kernenergie. Nach Unterzeichnung einer umfangreichen Vereinbarung am 10.
Februar erklärte Präsident Putin, daß Rußland Ägypten dabei helfen werde,
„eine ganz neue Kernkraftindustrie“ aufzubauen. Laut Russia Today sagte
Putin, Rußland werde nicht nur den Bau eines Kernkraftwerkes unterstützen,
sondern auch Betriebs- und Forschungspersonal stellen.
Auf seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin teilte Präsident Al-Sisi
mit, beide Seiten hätten eine Absichtserklärung für den Bau des ersten
Kernkraftwerkes in Al-Dabaa unterzeichnet. „Wir sprachen heute über die
Möglichkeit einer Zusammenarbeit bei der Kernkrafttechnik“, sagte Putin. „Wenn
die endgültigen Entscheidungen gefallen sind, beziehen sich diese nicht nur
auf den Bau eines Kernkraftwerkes, sondern auch auf die Schaffung einer ganz
neuen Kernkraftindustrie in Ägypten.“
RT zitierte Sergej Kirijenko, Chef des russischen Nuklearkonzerns
Rosatom, mit den Worten: „Nach dem neuen Abkommen wird Rosatom zwei Reaktoren
mit russischer Technologie bauen.“ In dem von beiden Seiten unterzeichneten
Vertrag geht es jedoch insgesamt um den Bau von vier 1200-MW-Blöcken.
Das neue Kraftwerk, so Kirijenko, entspreche den
„Nach-Fukushima“-Sicherheitsstandards. Verhandlungen über den tatsächlichen
Bau begannen bereits in der Woche nach Putins Besuch.
In jedem gut durchdachten Nuklearprogramm sollten Kernkraftwerke, die dem
Land große Mengen saubere Energie liefern, Teil eines umfassenden
industriell-wissenschaftlichen Komplexes sein, der wiederum in die
Gesamtentwicklung der Volkswirtschaft eingepaßt ist, da die Nuklearforschung
und -entwicklung sämtliche Wirtschaftsbereiche wie Medizin, Landwirtschaft,
Metallverarbeitung usw. betrifft.
In seinem Vorschlag für „Eine ägyptische Erklärung wirtschaftlicher
Unabhängigkeit“, die der Autor unmittelbar nach dem Sturz der
Moslembruderschaft im Juli 2013 veröffentlicht hatte,1 war der
Ratschlag an Ägypten enthalten, zusammen mit Rußland ein neues Nuklearprogramm
zu entwickeln:
„Ägypten hatte Probleme, im Westen Partner zu finden, um die Reaktoren zu
bauen. In der jetzigen Situation wäre nur Rußland, China und wahrscheinlich
Südkorea bereit, diese Fragen mit der ägyptischen Regierung zu diskutieren,
und diese Möglichkeiten sollten sofort erkundet werden. Eine Wiederaufnahme
des Nuklearprogramms sollte ein Kernelement in der Zukunftsplanung der neuen
Regierung werden.“
Die ägyptische Tageszeitung Al-Ahram zitierte einen russischen
Diplomaten, der sagte: „Energie ist eindeutig eine wichtige Frage für Ägypten,
und wir sind bereit, zu helfen.“ Ägypten leidet unter einer akuten
Energieknappheit. Im Sommer 2014 und bis in den Winter hinein kam es immer
wieder zu Stromabschaltungen. Es ist dringend nötig, bestehende Gaskraftwerke,
die sich in schlechtem Zustand befinden, zu modernisieren und neue zu
bauen.
Handel, Investitionen und Tourismus
Neben der nuklearen Zusammenarbeit haben die Präsidenten Al-Sisi und Putin
eine weitere Absichtserklärung zur Förderung des Handels und der
Wirtschaftskooperation zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Nach Darstellung
von Al-Ahram einigten sich beide Seiten auf die Einrichtung einer
Freihandelszone für die russisch geführte Eurasische Wirtschaftsunion (EWU)
und einer russischen Industriezone im Bereich des Suezkanals.
Zudem wurde ein Abkommen geschlossen, wonach Rußland Weizen nach Ägypten
und Ägypten Obst und Gemüse nach Rußland exportieren wird. Aus dem
Versorgungsministerium verlautete, die Lieferungen „sollten im Sommer
eintreffen“.
Wie wir bereits berichteten, hat Ägypten ein umfangreiches
Entwicklungsprogramm für die Region des Suezkanals eingeleitet, insbesondere
den Bau eines neuen parallelen Kanals, der die Durchfahrt von mehr Schiffen
erlaubt, und einer großen Industriezone, an der vor allem China, aber jetzt
auch Rußland außerordentlich interessiert sind. Der neue Suezkanal wird ein
wichtiger Teil der Maritimen Seidenstraße sein, die im letzten Jahr vom
chinesischen Präsidenten Xi Jinping vorgeschlagen wurde.
Die ägyptische Regierung hat für diese Projekte zwar einen nationalen
Finanzfonds für ägyptische Institutionen und Privatpersonen eingerichtet, aber
es besteht darüber hinaus ein massiver Bedarf an ausländischen
Investitionen.
„Der Umfang russischer Investitionen in Ägypten ist begrenzt und die
Handelsbilanz begünstigt Rußland. Die Lage könnte sich verbessern, wenn
Rußland seinen Markt für ägyptische Agrarprodukte öffnet“, sagte ein
ägyptischer Regierungsbeamter laut Al-Ahram. Handelsminister Mounir
Fahkri Abdel-Nour führte Gespräche mit russischen Vertretern, und viele
Geschäftsleute setzen sich für höhere ägyptische Exporte ein. Einer seiner
Mitarbeiter erklärte, in den Gesprächen seien „genaue Bereiche der
Zusammenarbeit in naher Zukunft“ festgelegt worden.
Laut RT bemühen sich Rußland und Ägypten darum, zahlreiche
Investitionsprojekte in verschiedenen Bereichen auf den Weg zu bringen,
darunter Verkehr, Produktion und chemische Industrie. Wie Putin mitteilte,
sind bereits 400 russische Firmen in Ägypten tätig, und beide Seiten haben
sich darauf verständigt, die Möglichkeiten für kleine und mittelständische
Betriebe in Ägypten auszuweiten.
Ein wichtiger Tagesordnungspunkt der Gespräche war eine Vereinbarung
zwischen dem Russischen Direktinvestmentfonds (RDIF) und dem ägyptischen
Investitionsministerium zur Ausweitung der Investmentkooperation zwischen
beiden Ländern. Der RDIF ist ein von der russischen Regierung eingerichteter
10-Mrd.$-Fonds für Kapitalinvestitionen vor allem in die russische Wirtschaft.
Er dient aber auch als Instrument für die russisch-chinesische Zusammenarbeit.
Der Chef der China Investment Corporation sitzt im Beirat des RDIF. Kirill
Dmitrijew, Vorsitzender des RDIF, besuchte 2011 China und führte Verhandlungen
zur Schaffung eines mit 4 Mrd.$ ausgestatteten russisch-chinesischen
Fonds.
Der RDIF soll nun auch bei der Einrichtung eines ägyptischen
Investmentfonds helfen, wie es in einem weiteren bei Putins Besuch
unterzeichneten Abkommen vorgesehen ist. Danach wird der RDIF dem
Investitionsministerium mit umfassender Beratung bei der Gründung des Fonds,
bei Koinvestment-Modellen, der Managementstruktur und der
Investitionsstrategie zur Seite stehen. Der RDIF wird mit seiner Erfahrung bei
der Anbahnung von Partnerschaften mit anderen Anlagefonds auch dabei helfen,
internationale Anleger für den Fonds zu gewinnen. Dmitrijew sagte gegenüber
Al Ahram Weekly, Ägypten sei ein Land mit großem Anlagepotential in
vielen Bereichen und einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Rußlands im
Nahen Osten.
„Der geplante Fonds wird internationale Investoren aus Ländern auch
außerhalb des Golfkooperationsrates (GKR) gewinnen, da Saudi-Arabien, die VAE
und Kuwait bereits umfangreiche Geldanlagen in Ägypten haben“, sagte er.
Dem Beispiel anderer Länder folgend, die mit russischer Erfahrung
Investmentfonds eingerichtet haben und das Koinvestment-Modell des RDIF
anwenden, plant Ägypten, in Zusammenarbeit mit dem RDIF einen eigenen
Staatsfonds zu gründen. „Über den neuen ägyptischen Investmentfonds wird die
Regierung Geld in verschiedene Projekte stecken, was ausländische Anleger zu
Partnerschaften mit der Regierung anregen wird, ihr Geld in Ägypten
anzulegen“, sagte Dmitrijew.
Der bilaterale Handel zwischen Ägypten und Rußland ist in den letzten
Jahren angestiegen; allein 2014 hat er sich fast um die Hälfte gegenüber dem
Vorjahr erhöht und beträgt jetzt über 4,5 Mrd.$.
Dmitrijew sagte, in unmittelbarer Zukunft würden die größten Investitionen
wahrscheinlich in die Landwirtschaft fließen.
Rußland und China sind die größten Anleger und Teilnehmer einer ägyptischen
Wirtschaftsentwicklungs-Konferenz, die am 13.-15. März in Scharm-el-Scheich
stattfinden soll. Es wird erwartet, daß Ägypten auf dieser Konferenz (www.egyptthefuture.com) milliardenschwere Projekte für
ausländische Anleger in den Bereichen Verkehr, Energie, Industrie, Wasser und
Landwirtschaft vorlegen wird.
Ein interessanter Aspekt in den neuen bilateralen Handels- und
Investitionsabkommen ist, daß die Finanzierung nicht mehr in Dollar oder Euro,
sondern in den nationalen Währungen abgewickelt werden soll - ein gezielter
Schachzug gegen die amerikanische und europäische Finanzkriegführung gegen
Rußland und den Rubel. „Der Mechanismus hat sich bereits bewährt, so daß es
meines Erachtens nur eine Frage der Zeit ist, bis Rußland und Ägypten die
nationalen Währungen zur Abrechnung des bilateralen Handels verwenden. Ägypten
ist unser Haupthandelspartner in der Region und der größte Importeur
russischen Weizens. Ich bin zuversichtlich, daß die Umsetzung des neuen
Abrechnungsmechanismus den bilateralen Handel beleben wird“, sagte
Dmitrijew.
Beide Präsidenten hoben auch die Bedeutung der Tourismusindustrie hervor
und drückten ihre Bereitschaft aus, die Zusammenarbeit in diesem Bereich
auszubauen, nachdem bereits im letzten Jahr eine Rekordzahl russischer
Touristen Ägypten besucht hatte. Amer Mohamed, der den Russisch-Fachbereich an
der Linguistikfakultät der Ain-Shams-Universität leitet, sagte, die wachsende
Zahl von Studenten, die in den letzten Jahren Russisch studieren wollten, sei
auch ein Ausdruck der wachsenden Bedeutung Rußlands auf dem ägyptischen
Tourismusmarkt. Nach dem Putin-Besuch und dem Ausbau der ägyptisch-russischen
Beziehungen erwarte Mohamed jetzt „eine noch größere Nachfrage“ für
Studienplätze in seinem Fachbereich. Sherif Gad, Direktor des Russischen
Kulturzentrums in Kairo, berichtete ebenfalls von steigendem Interesse an
russischen Sprachkursen.
Die ägyptischen Urlaubsorte am Roten Meer sind beliebte Reiseziele für
viele Russen. Nach ägyptischen Medienberichten besuchten 2014 mehr als drei
Millionen russische Touristen die ägyptischen Urlaubsorte, 50% mehr als im
Vorjahr. Die Abrechnung in nationalen Währungen wird dazu beitragen,
günstigere Bedingungen für die Millionen Russen zu schaffen, die ihre Ferien
in Ägypten verbringen, nachdem der Wertverfall des Rubels die Kaufkraft vieler
Russen gesenkt hat.
Politische und militärische Abkommen
Unter einsichtigen strategischen Denkern herrscht die korrekte Auffassung
vor, daß Ägypten der entscheidende Faktor ist, um den sogenannten
islamistischen Terror zu besiegen und Südwestasien und Nordafrika zu
stabilisieren, Regionen, die spätestens seit der illegalen
amerikanisch-britischen Invasion des Irak, der Invasion Libyens durch die NATO
und die ausländischen Übergriffe auf Syrien 2011 zur offenen Zielscheibe
dieses Terrorismus geworden sind. Ägypten allein wird jedoch mit diesem
massiven Problem nicht fertig werden können, insbesondere wenn Weltmächte wie
die USA, Großbritannien und ihre Verbündeten in der Region der Ausschaltung
dieses Problems im Wege stehen, da sie mit Nachdruck eine Politik des
Regimewechsels u.a. gegen die syrische Regierung unter Präsident Baschar
Al-Assad betreiben.
Vor dem Sturz der Moslembruderschaft-Regierung von Mohammed Mursi am 30.
Juni 2013 war Ägypten zur Drehscheibe hinter der Verschwörung gegen Syrien
geworden. Die Arabische Liga mit Sitz in Kairo wurde von Katar und
Saudi-Arabien kontrolliert. Syrien wurde die Mitgliedschaft in der Liga
entzogen, und die Kataris und Saudis übergaben den Sitz Syriens an die in
Fünf-Sterne-Hotels untergebrachte Oppositionsgruppe Syrische
Nationalkoalition.
Ohne eine Zusammenarbeit zwischen Ägypten, Assads Syrisch-Arabischer Armee
und dem Iran läßt sich der in der ganzen Region tobende Religionskrieg nicht
beenden. Auch wenn sie sicher schwer zu erreichen sein wird, ist die
Zusammenarbeit besonders zwischen Ägypten, dem größten sunnitischen Land
Arabiens, und dem Iran, dem größten schiitischen Land, entscheidend, um den
von anglo-saudischen Terrorgruppen und religiösen Einrichtungen geschürten
Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zu entschärfen. Bei einem Besuch des
früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney in der saudischen Hauptstadt Riad 2006
war die Idee geboren worden, ein saudisch-ägyptisch-jordanisches
„Sunniten-Dreieck“ zu schaffen, um dem angeblichen „Schiiten-Halbmond“ von
Iran, Syrien und der Hisbollah in Libanon etwas entgegenzusetzen. Ägyptische
Kenner glauben, daß der einzige Grund, warum die saudische Monarchie Al-Sisi
finanziell und politisch unterstützt, darin liegt, Ägypten in diesem „Dreieck“
zu halten und jede Annäherung zwischen Syrien und Iran zu verhindern.
Die Intellektuellen Ägyptens unterstützen die saudische Strategie jedoch
nicht mehr und sehen Syriens nationale Integrität als wichtige Voraussetzung
für Ägyptens Sicherheit und Position in der Region. Dies war sicherlich auch
ein wichtiger Aspekt in den Diskussionen zwischen Putin und Al-Sisi.
Al-Sisi war zuvor bereits zweimal mit Putin in Moskau zusammengetroffen,
und zwar 2013 als Verteidigungsminister und 2014 als Präsident. Er hatte
Putins Unterstützung bei seinem Bestreben, Ägyptens Präsident zu werden,
während die amerikanische Regierung Al-Sisis Amtsantritt nach wie vor als
„Putsch“ bezeichnet. Bei beiden Besuchen sprachen Al-Sisi und Putin über
militärische Zusammenarbeit und den Kampf gegen den Terrorismus.
In Kairo unterstrichen beide erneut die Bedeutung der Zusammenarbeit bei
der Terrorismusbekämpfung. Das bedeutet, wie Quellen auf beiden Seiten
versicherten, vor allem einen intensiveren Informationsaustausch besonders mit
Blick auf große Gruppierungen wie den Islamischen Staat (IS). Noch während die
beiden Staatschefs über den Krieg gegen den Terror sprachen, kam es in
Alexandria zu einer Serie von Bombenexplosionen, bei denen zehn Zivilisten
verwundet wurden. Eine mit IS verbündete Gruppe namens Ansar Beit al-Maqdis
verübt schon seit längerem Terroranschläge gegen zivile wie militärische Ziele
in Ägypten.
Die beiden Staatschefs diskutierten auch über regionale Entwicklung, wobei
vor allem Syrien im Vordergrund stand. In einer Presseerklärung hieß es, Putin
habe seinen ägyptischen Gastgeber von den Gesprächen unterrichtet, die
zwischen Teilen der syrischen Opposition und Vertretern der Regierung Assad am
26.-29. Januar in Moskau stattfanden. Al-Sisi seinerseits informierte seinen
Gast über die Ergebnisse einer Konferenz am 18. Januar in Kairo, auf der
versucht wurde, die Grundlage für eine politische Lösung der Syrienkrise zu
schaffen.
„Wir waren uns einig, unsere Anstrengungen zu koordinieren. Das Problem
ist, daß wir zwar die gemeinsame Absicht haben, die Regierung Assad irgendwie
in einem abschließenden politischen Abkommen zu berücksichtigen, doch wir
gehen nicht so weit wie unsere russischen Freunde in ihrem Versuch, Assad zu
retten“, sagte ein informierter ägyptischer Diplomat.
„Ägypten betrachtet Rußland als strategischen Partner bei seinem Streben
nach ausgewogenen auswärtigen Beziehungen“, erklärte Al-Sisi am 10. Februar in
seiner Erklärung gegenüber der Presse.
Moskau hat schon seit einiger Zeit die Moslembruderschaft auf die Liste
terroristischer Gruppen gesetzt, womit die Amerikaner weiterhin zögern. Seit
Mitte November 2013 haben ägyptische und russische Kreise konkrete Schritte
unternommen, um die militärische Zusammenarbeit auszubauen. Moskau hat
angeboten, Ägypten moderne Waffensysteme zu verkaufen, darunter Hubschrauber,
MIG-29-Kampfflugzeuge und Kornet-Panzerabwehrraketen. Bei seinem Besuch in
Kairo drückte Putin das beiderseitige Interesse an militärischer
Zusammenarbeit dadurch aus, daß er Al-Sisi ein AK47-Automatikgewehr als
Geschenk überreichte.
Eine neue Ära der Beziehungen
Ägyptische und russische Diplomaten gehen zwar nicht davon aus, daß die
Beziehungen zwischen beiden Ländern eine Blütezeit wie zu Sowjetzeiten in den
1950er und 60er Jahren erreichen werden, doch Putins Besuch eröffnet
sicherlich eine neue Ära der Beziehungen, die die gesamte Region beeinflussen
wird. Die Sowjetunion hatte beim Bau des Assuandamms und bei Dutzenden
Industrieprojekten wie Stahl- und Zementwerken geholfen, was für den
Wirtschaftsaufschwung unter dem großen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel
Nasser entscheidend war. Viele sehen in Al-Sisi heute in vielerlei Hinsicht
eine Art Wiedergeburt Nassers.
Über die militärischen Abmachungen zwischen beiden Seiten wurden zwar keine
Einzelheiten bekannt, aber ägyptische Sprecher waren sehr darauf bedacht,
deutlich zu machen, daß die neuen Beziehungen zu Rußland keinen Rückzug aus
der strategischen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten bedeuteten.
Ägypten wolle seine militärischen und sicherheitspolitischen Angelegenheiten
diversifizieren, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. Allerdings hat die von
US-Präsident Obama betriebene Politik einen tiefen Riß zwischen Ägypten und
den USA erzeugt, so daß ägyptische Politiker bereits davor warnen, daß „die
USA riskieren, Ägypten als strategischen Verbündeten zu verlieren“.
Am 12. Februar erschien bei Breitbart News ein Interview mit dem
ägyptischen Politiker Moustafa Al-Gindy, der bei den Erhebungen gegen
Präsident Hosni Mubarak 2011 und gegen Mursi 2013 eine wichtige Rolle gespielt
hatte. Gindy fand für die Krise zwischen Obamas USA und Ägypten sehr klare
Worte: „Unter Obama hatte sich die amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten
auf die Moslembruderschaft in Machtpositionen eingestellt. Als das ägyptische
Volk die Bruderschaft entmachtete, blieb von Amerikas Strategie nicht viel
übrig. Amerika verliert Ägypten. Wir sehen, wie ihr Israel behandelt, das 50
Jahre lang euer engster Verbündeter war. Wir sehen, wie ihr mit denen
umspringt und wie ihr jetzt mit uns umspringt. Rußland und China sehen das
auch.“
Al-Gindy sagte weiter gegenüber Breitbart: „Schauen Sie, wo Ägypten
Putin hinführte. Sie brachten ihn in ,den Tower' [wo Putin und Al-Sisi
gemeinsam aßen - die Red.]. Das war gegen die Amerikaner gezielt.“ Zur
Erläuterung schreibt Breitbart, daß der Kairo-Tower in den 1960er
Jahren von Nasser gebaut wurde. Dieses höchste Gebäude in Ägypten wurde
teilweise mit den 6 Mio. $ errichtet, die die USA Nasser als persönliches
Geschenk zugedacht hatten, um sich seiner Gunst zu versichern. Doch Nasser
fühlte sich durch das Geschenk brüskiert, empfand es als Bestechung und
widmete die Gelder öffentlich für den Bau des Towers um.
Al-Gindy sagte, die USA hätten Ägypten verloren, als Präsident Obama und
andere amerikanische Regierungsmitglieder die Revolution des Landes gegen die
Moslembruderschaft einen „Putsch“ nannten. „Es ist kein ,Putsch', wenn 40 Mio.
Leute auf der Straße sind. Putsche finden nachts statt, nicht am Tage“,
stellte Al-Gindy fest.
„Doch Obama nennt unsere Revolution einen ,Putsch’?“, fragte Al-Gindy. Ich
verstehe den Kerl nicht. In einer Minute ist er gut, in der nächsten Minute
ist er böse.“
Im Nahen Osten sei eine Machtumverteilung im Gang, so Al-Gindy. Rußland und
China sähen das von Amerika hinterlassene Vakuum und drängen in die Region
hinein. „Rußland baut Ägypten ein Kernkraftwerk“, sagte er. „Es bietet uns
Waffen an, und die [Vereinigten Arabischen] Emirate stellen den Scheck dafür
aus. Unser Handel wird in Rubeln und ägyptischen Pfund, nicht in Dollar
abgewickelt.“
„Al-Sisi hat sich an die ägyptische Bevölkerung gewendet, und in einer
Woche gab sie ihm 60 Mrd.$, um den Suezkanal auszubauen,“ fügte Al-Gindy
hinzu. „Nicht die Weltbank, Nicht der IWF. Das Volk hat ihm das Geld gegeben.“
Und Al-Gindy achselzuckend am Ende: „Und das nennt man einen ,Putsch’.“
Was in Washington vorgeht
Während Ägypten dank chinesischer und russischer Unterstützung mit einer
Hand seine Wirtschaft aufbaut und mit der anderen gegen den Terrorismus
kämpft, gibt sich die amerikanische Regierung alle Mühe, diesen Kampf zu
unterlaufen. Nach amerikanischen Presseberichten treffen sich führende
Mitglieder der entmachteten Moslembruderschaft, deren Organisation in Ägypten
und vielen anderen Ländern zur terroristischen Gruppe erklärt wurde,
regelmäßig mit Leuten aus dem State Department, um sich über angebliche
Vergehen der Regierung Al-Sisis auszulassen.
In einem jüngsten Facebook-Eintrag von Waleed Sharaby, einem Richter
mit engen Beziehungen zur Bruderschaft, ist ein Foto von ihm vor dem Emblem
des State Departments zu sehen, und in der Bildunterschrift wendet er sich auf
Arabisch an seine Anhänger in Ägypten: „Heute ins State Department. Eure
Widerstandskraft ist erstaunlich!“ Dazu macht er das Vier-Finger-Zeichen, ein
Symbol für den Protest der Bruderschaft gegen Al-Sisis angeblichen
„Putsch“.
Die ägyptische Bevölkerung und Führungsschicht ist sich über die Gefahren
sehr wohl bewußt, die ihrem Land droht, und sie sehen in der jetzigen
amerikanischen Regierung und ihren Institutionen keinen Freund und Verbündeten
mehr. Sie sehen jedoch mit Optimismus in die Zukunft und kämpfen hart darum,
diese Gefahren zu überwinden und ihr Land aufzubauen. Rußland und China haben
unter Beweis gestellt, daß sie in schwierigen Zeiten wahre Freunde Ägyptens
sind. Es ist höchste Zeit, daß die USA und Westeuropa die Bedeutung Ägyptens
im regionalen und globalen Kontext erkennen. Sie müssen außerdem die Dynamik
hinter der BRICS-Entwicklung erkennen, der sich Ägypten jetzt nachdrücklich
angeschlossen hat.
Anmerkung
1. http://www.larouchepub.com/other/2013/4029egypt_decl_indep.html