"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Ägypten schließt sich der BRICS-Dynamik an

Von Hussein Askary

Wladimir Putins Besuch in Ägypten am 9.-10. Februar hat die Mächteverhältnisse im Nahen Osten verändert. Rußland und China haben das von Amerika hinterlassene Vakuum erkannt und drängen in die Region hinein.

Der außerordentlich herzliche Empfang, den die ägyptische Regierung und Bevölkerung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Besuch in Kairo am 9.-10. Februar haben zuteil werden lassen, und auch die dabei zwischen Rußland und Ägypten geschlossenen Abkommen zeigen die Entschlossenheit Ägyptens, ein wirklich souveräner Nationalstaat zu bleiben, der sein Recht auf Entwicklung und Sicherung seines Territoriums wahrnimmt.

Die neue ägyptische Regierung unter Präsident Abdul-Fattah Al-Sisi hat sich dazu entschieden, die realwirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben, und schickt sich an, den verhängnisvollen politischen und militärischen Entwicklungen Einhalt zu gebieten, die im Zuge der geopolitischen Interventionen der USA, Britanniens, der NATO und ihrer regionalen Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar und der VAE große Teile Südwestasiens und Nordafrikas verwüstet haben. Ägypten betreibt außerdem eine Politik des Dialogs für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas besonders in Sudan, Äthiopien und anderen Ländern des Niltals.

Kernkraftentwicklung

Das aus Sicht der ägyptischen Entwicklungsperspektive wichtigste Wirtschaftsabkommen, das während Putins Besuch abgeschlossen wurde, betrifft die Kernenergie. Nach Unterzeichnung einer umfangreichen Vereinbarung am 10. Februar erklärte Präsident Putin, daß Rußland Ägypten dabei helfen werde, „eine ganz neue Kernkraftindustrie“ aufzubauen. Laut Russia Today sagte Putin, Rußland werde nicht nur den Bau eines Kernkraftwerkes unterstützen, sondern auch Betriebs- und Forschungspersonal stellen.

Auf seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin teilte Präsident Al-Sisi mit, beide Seiten hätten eine Absichtserklärung für den Bau des ersten Kernkraftwerkes in Al-Dabaa unterzeichnet. „Wir sprachen heute über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit bei der Kernkrafttechnik“, sagte Putin. „Wenn die endgültigen Entscheidungen gefallen sind, beziehen sich diese nicht nur auf den Bau eines Kernkraftwerkes, sondern auch auf die Schaffung einer ganz neuen Kernkraftindustrie in Ägypten.“

RT zitierte Sergej Kirijenko, Chef des russischen Nuklearkonzerns Rosatom, mit den Worten: „Nach dem neuen Abkommen wird Rosatom zwei Reaktoren mit russischer Technologie bauen.“ In dem von beiden Seiten unterzeichneten Vertrag geht es jedoch insgesamt um den Bau von vier 1200-MW-Blöcken.

Das neue Kraftwerk, so Kirijenko, entspreche den „Nach-Fukushima“-Sicherheitsstandards. Verhandlungen über den tatsächlichen Bau begannen bereits in der Woche nach Putins Besuch.

In jedem gut durchdachten Nuklearprogramm sollten Kernkraftwerke, die dem Land große Mengen saubere Energie liefern, Teil eines umfassenden industriell-wissenschaftlichen Komplexes sein, der wiederum in die Gesamtentwicklung der Volkswirtschaft eingepaßt ist, da die Nuklearforschung und -entwicklung sämtliche Wirtschaftsbereiche wie Medizin, Landwirtschaft, Metallverarbeitung usw. betrifft.

In seinem Vorschlag für „Eine ägyptische Erklärung wirtschaftlicher Unabhängigkeit“, die der Autor unmittelbar nach dem Sturz der Moslembruderschaft im Juli 2013 veröffentlicht hatte,1 war der Ratschlag an Ägypten enthalten, zusammen mit Rußland ein neues Nuklearprogramm zu entwickeln:

„Ägypten hatte Probleme, im Westen Partner zu finden, um die Reaktoren zu bauen. In der jetzigen Situation wäre nur Rußland, China und wahrscheinlich Südkorea bereit, diese Fragen mit der ägyptischen Regierung zu diskutieren, und diese Möglichkeiten sollten sofort erkundet werden. Eine Wiederaufnahme des Nuklearprogramms sollte ein Kernelement in der Zukunftsplanung der neuen Regierung werden.“

Die ägyptische Tageszeitung Al-Ahram zitierte einen russischen Diplomaten, der sagte: „Energie ist eindeutig eine wichtige Frage für Ägypten, und wir sind bereit, zu helfen.“ Ägypten leidet unter einer akuten Energieknappheit. Im Sommer 2014 und bis in den Winter hinein kam es immer wieder zu Stromabschaltungen. Es ist dringend nötig, bestehende Gaskraftwerke, die sich in schlechtem Zustand befinden, zu modernisieren und neue zu bauen.

Handel, Investitionen und Tourismus

Neben der nuklearen Zusammenarbeit haben die Präsidenten Al-Sisi und Putin eine weitere Absichtserklärung zur Förderung des Handels und der Wirtschaftskooperation zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Nach Darstellung von Al-Ahram einigten sich beide Seiten auf die Einrichtung einer Freihandelszone für die russisch geführte Eurasische Wirtschaftsunion (EWU) und einer russischen Industriezone im Bereich des Suezkanals.

Zudem wurde ein Abkommen geschlossen, wonach Rußland Weizen nach Ägypten und Ägypten Obst und Gemüse nach Rußland exportieren wird. Aus dem Versorgungsministerium verlautete, die Lieferungen „sollten im Sommer eintreffen“.

Wie wir bereits berichteten, hat Ägypten ein umfangreiches Entwicklungsprogramm für die Region des Suezkanals eingeleitet, insbesondere den Bau eines neuen parallelen Kanals, der die Durchfahrt von mehr Schiffen erlaubt, und einer großen Industriezone, an der vor allem China, aber jetzt auch Rußland außerordentlich interessiert sind. Der neue Suezkanal wird ein wichtiger Teil der Maritimen Seidenstraße sein, die im letzten Jahr vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping vorgeschlagen wurde.

Die ägyptische Regierung hat für diese Projekte zwar einen nationalen Finanzfonds für ägyptische Institutionen und Privatpersonen eingerichtet, aber es besteht darüber hinaus ein massiver Bedarf an ausländischen Investitionen.

„Der Umfang russischer Investitionen in Ägypten ist begrenzt und die Handelsbilanz begünstigt Rußland. Die Lage könnte sich verbessern, wenn Rußland seinen Markt für ägyptische Agrarprodukte öffnet“, sagte ein ägyptischer Regierungsbeamter laut Al-Ahram. Handelsminister Mounir Fahkri Abdel-Nour führte Gespräche mit russischen Vertretern, und viele Geschäftsleute setzen sich für höhere ägyptische Exporte ein. Einer seiner Mitarbeiter erklärte, in den Gesprächen seien „genaue Bereiche der Zusammenarbeit in naher Zukunft“ festgelegt worden.

Laut RT bemühen sich Rußland und Ägypten darum, zahlreiche Investitionsprojekte in verschiedenen Bereichen auf den Weg zu bringen, darunter Verkehr, Produktion und chemische Industrie. Wie Putin mitteilte, sind bereits 400 russische Firmen in Ägypten tätig, und beide Seiten haben sich darauf verständigt, die Möglichkeiten für kleine und mittelständische Betriebe in Ägypten auszuweiten.

Ein wichtiger Tagesordnungspunkt der Gespräche war eine Vereinbarung zwischen dem Russischen Direktinvestmentfonds (RDIF) und dem ägyptischen Investitionsministerium zur Ausweitung der Investmentkooperation zwischen beiden Ländern. Der RDIF ist ein von der russischen Regierung eingerichteter 10-Mrd.$-Fonds für Kapitalinvestitionen vor allem in die russische Wirtschaft. Er dient aber auch als Instrument für die russisch-chinesische Zusammenarbeit. Der Chef der China Investment Corporation sitzt im Beirat des RDIF. Kirill Dmitrijew, Vorsitzender des RDIF, besuchte 2011 China und führte Verhandlungen zur Schaffung eines mit 4 Mrd.$ ausgestatteten russisch-chinesischen Fonds.

Der RDIF soll nun auch bei der Einrichtung eines ägyptischen Investmentfonds helfen, wie es in einem weiteren bei Putins Besuch unterzeichneten Abkommen vorgesehen ist. Danach wird der RDIF dem Investitionsministerium mit umfassender Beratung bei der Gründung des Fonds, bei Koinvestment-Modellen, der Managementstruktur und der Investitionsstrategie zur Seite stehen. Der RDIF wird mit seiner Erfahrung bei der Anbahnung von Partnerschaften mit anderen Anlagefonds auch dabei helfen, internationale Anleger für den Fonds zu gewinnen. Dmitrijew sagte gegenüber Al Ahram Weekly, Ägypten sei ein Land mit großem Anlagepotential in vielen Bereichen und einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Rußlands im Nahen Osten.

„Der geplante Fonds wird internationale Investoren aus Ländern auch außerhalb des Golfkooperationsrates (GKR) gewinnen, da Saudi-Arabien, die VAE und Kuwait bereits umfangreiche Geldanlagen in Ägypten haben“, sagte er.

Dem Beispiel anderer Länder folgend, die mit russischer Erfahrung Investmentfonds eingerichtet haben und das Koinvestment-Modell des RDIF anwenden, plant Ägypten, in Zusammenarbeit mit dem RDIF einen eigenen Staatsfonds zu gründen. „Über den neuen ägyptischen Investmentfonds wird die Regierung Geld in verschiedene Projekte stecken, was ausländische Anleger zu Partnerschaften mit der Regierung anregen wird, ihr Geld in Ägypten anzulegen“, sagte Dmitrijew.

Der bilaterale Handel zwischen Ägypten und Rußland ist in den letzten Jahren angestiegen; allein 2014 hat er sich fast um die Hälfte gegenüber dem Vorjahr erhöht und beträgt jetzt über 4,5 Mrd.$.

Dmitrijew sagte, in unmittelbarer Zukunft würden die größten Investitionen wahrscheinlich in die Landwirtschaft fließen.

Rußland und China sind die größten Anleger und Teilnehmer einer ägyptischen Wirtschaftsentwicklungs-Konferenz, die am 13.-15. März in Scharm-el-Scheich stattfinden soll. Es wird erwartet, daß Ägypten auf dieser Konferenz (www.egyptthefuture.com) milliardenschwere Projekte für ausländische Anleger in den Bereichen Verkehr, Energie, Industrie, Wasser und Landwirtschaft vorlegen wird.

Ein interessanter Aspekt in den neuen bilateralen Handels- und Investitionsabkommen ist, daß die Finanzierung nicht mehr in Dollar oder Euro, sondern in den nationalen Währungen abgewickelt werden soll - ein gezielter Schachzug gegen die amerikanische und europäische Finanzkriegführung gegen Rußland und den Rubel. „Der Mechanismus hat sich bereits bewährt, so daß es meines Erachtens nur eine Frage der Zeit ist, bis Rußland und Ägypten die nationalen Währungen zur Abrechnung des bilateralen Handels verwenden. Ägypten ist unser Haupthandelspartner in der Region und der größte Importeur russischen Weizens. Ich bin zuversichtlich, daß die Umsetzung des neuen Abrechnungsmechanismus den bilateralen Handel beleben wird“, sagte Dmitrijew.

Beide Präsidenten hoben auch die Bedeutung der Tourismusindustrie hervor und drückten ihre Bereitschaft aus, die Zusammenarbeit in diesem Bereich auszubauen, nachdem bereits im letzten Jahr eine Rekordzahl russischer Touristen Ägypten besucht hatte. Amer Mohamed, der den Russisch-Fachbereich an der Linguistikfakultät der Ain-Shams-Universität leitet, sagte, die wachsende Zahl von Studenten, die in den letzten Jahren Russisch studieren wollten, sei auch ein Ausdruck der wachsenden Bedeutung Rußlands auf dem ägyptischen Tourismusmarkt. Nach dem Putin-Besuch und dem Ausbau der ägyptisch-russischen Beziehungen erwarte Mohamed jetzt „eine noch größere Nachfrage“ für Studienplätze in seinem Fachbereich. Sherif Gad, Direktor des Russischen Kulturzentrums in Kairo, berichtete ebenfalls von steigendem Interesse an russischen Sprachkursen.

Die ägyptischen Urlaubsorte am Roten Meer sind beliebte Reiseziele für viele Russen. Nach ägyptischen Medienberichten besuchten 2014 mehr als drei Millionen russische Touristen die ägyptischen Urlaubsorte, 50% mehr als im Vorjahr. Die Abrechnung in nationalen Währungen wird dazu beitragen, günstigere Bedingungen für die Millionen Russen zu schaffen, die ihre Ferien in Ägypten verbringen, nachdem der Wertverfall des Rubels die Kaufkraft vieler Russen gesenkt hat.

Politische und militärische Abkommen

Unter einsichtigen strategischen Denkern herrscht die korrekte Auffassung vor, daß Ägypten der entscheidende Faktor ist, um den sogenannten islamistischen Terror zu besiegen und Südwestasien und Nordafrika zu stabilisieren, Regionen, die spätestens seit der illegalen amerikanisch-britischen Invasion des Irak, der Invasion Libyens durch die NATO und die ausländischen Übergriffe auf Syrien 2011 zur offenen Zielscheibe dieses Terrorismus geworden sind. Ägypten allein wird jedoch mit diesem massiven Problem nicht fertig werden können, insbesondere wenn Weltmächte wie die USA, Großbritannien und ihre Verbündeten in der Region der Ausschaltung dieses Problems im Wege stehen, da sie mit Nachdruck eine Politik des Regimewechsels u.a. gegen die syrische Regierung unter Präsident Baschar Al-Assad betreiben.

Vor dem Sturz der Moslembruderschaft-Regierung von Mohammed Mursi am 30. Juni 2013 war Ägypten zur Drehscheibe hinter der Verschwörung gegen Syrien geworden. Die Arabische Liga mit Sitz in Kairo wurde von Katar und Saudi-Arabien kontrolliert. Syrien wurde die Mitgliedschaft in der Liga entzogen, und die Kataris und Saudis übergaben den Sitz Syriens an die in Fünf-Sterne-Hotels untergebrachte Oppositionsgruppe Syrische Nationalkoalition.

Ohne eine Zusammenarbeit zwischen Ägypten, Assads Syrisch-Arabischer Armee und dem Iran läßt sich der in der ganzen Region tobende Religionskrieg nicht beenden. Auch wenn sie sicher schwer zu erreichen sein wird, ist die Zusammenarbeit besonders zwischen Ägypten, dem größten sunnitischen Land Arabiens, und dem Iran, dem größten schiitischen Land, entscheidend, um den von anglo-saudischen Terrorgruppen und religiösen Einrichtungen geschürten Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zu entschärfen. Bei einem Besuch des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney in der saudischen Hauptstadt Riad 2006 war die Idee geboren worden, ein saudisch-ägyptisch-jordanisches „Sunniten-Dreieck“ zu schaffen, um dem angeblichen „Schiiten-Halbmond“ von Iran, Syrien und der Hisbollah in Libanon etwas entgegenzusetzen. Ägyptische Kenner glauben, daß der einzige Grund, warum die saudische Monarchie Al-Sisi finanziell und politisch unterstützt, darin liegt, Ägypten in diesem „Dreieck“ zu halten und jede Annäherung zwischen Syrien und Iran zu verhindern.

Die Intellektuellen Ägyptens unterstützen die saudische Strategie jedoch nicht mehr und sehen Syriens nationale Integrität als wichtige Voraussetzung für Ägyptens Sicherheit und Position in der Region. Dies war sicherlich auch ein wichtiger Aspekt in den Diskussionen zwischen Putin und Al-Sisi.

Al-Sisi war zuvor bereits zweimal mit Putin in Moskau zusammengetroffen, und zwar 2013 als Verteidigungsminister und 2014 als Präsident. Er hatte Putins Unterstützung bei seinem Bestreben, Ägyptens Präsident zu werden, während die amerikanische Regierung Al-Sisis Amtsantritt nach wie vor als „Putsch“ bezeichnet. Bei beiden Besuchen sprachen Al-Sisi und Putin über militärische Zusammenarbeit und den Kampf gegen den Terrorismus.

In Kairo unterstrichen beide erneut die Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung. Das bedeutet, wie Quellen auf beiden Seiten versicherten, vor allem einen intensiveren Informationsaustausch besonders mit Blick auf große Gruppierungen wie den Islamischen Staat (IS). Noch während die beiden Staatschefs über den Krieg gegen den Terror sprachen, kam es in Alexandria zu einer Serie von Bombenexplosionen, bei denen zehn Zivilisten verwundet wurden. Eine mit IS verbündete Gruppe namens Ansar Beit al-Maqdis verübt schon seit längerem Terroranschläge gegen zivile wie militärische Ziele in Ägypten.

Die beiden Staatschefs diskutierten auch über regionale Entwicklung, wobei vor allem Syrien im Vordergrund stand. In einer Presseerklärung hieß es, Putin habe seinen ägyptischen Gastgeber von den Gesprächen unterrichtet, die zwischen Teilen der syrischen Opposition und Vertretern der Regierung Assad am 26.-29. Januar in Moskau stattfanden. Al-Sisi seinerseits informierte seinen Gast über die Ergebnisse einer Konferenz am 18. Januar in Kairo, auf der versucht wurde, die Grundlage für eine politische Lösung der Syrienkrise zu schaffen.

„Wir waren uns einig, unsere Anstrengungen zu koordinieren. Das Problem ist, daß wir zwar die gemeinsame Absicht haben, die Regierung Assad irgendwie in einem abschließenden politischen Abkommen zu berücksichtigen, doch wir gehen nicht so weit wie unsere russischen Freunde in ihrem Versuch, Assad zu retten“, sagte ein informierter ägyptischer Diplomat.

„Ägypten betrachtet Rußland als strategischen Partner bei seinem Streben nach ausgewogenen auswärtigen Beziehungen“, erklärte Al-Sisi am 10. Februar in seiner Erklärung gegenüber der Presse.

Moskau hat schon seit einiger Zeit die Moslembruderschaft auf die Liste terroristischer Gruppen gesetzt, womit die Amerikaner weiterhin zögern. Seit Mitte November 2013 haben ägyptische und russische Kreise konkrete Schritte unternommen, um die militärische Zusammenarbeit auszubauen. Moskau hat angeboten, Ägypten moderne Waffensysteme zu verkaufen, darunter Hubschrauber, MIG-29-Kampfflugzeuge und Kornet-Panzerabwehrraketen. Bei seinem Besuch in Kairo drückte Putin das beiderseitige Interesse an militärischer Zusammenarbeit dadurch aus, daß er Al-Sisi ein AK47-Automatikgewehr als Geschenk überreichte.

Eine neue Ära der Beziehungen

Ägyptische und russische Diplomaten gehen zwar nicht davon aus, daß die Beziehungen zwischen beiden Ländern eine Blütezeit wie zu Sowjetzeiten in den 1950er und 60er Jahren erreichen werden, doch Putins Besuch eröffnet sicherlich eine neue Ära der Beziehungen, die die gesamte Region beeinflussen wird. Die Sowjetunion hatte beim Bau des Assuandamms und bei Dutzenden Industrieprojekten wie Stahl- und Zementwerken geholfen, was für den Wirtschaftsaufschwung unter dem großen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser entscheidend war. Viele sehen in Al-Sisi heute in vielerlei Hinsicht eine Art Wiedergeburt Nassers.

Über die militärischen Abmachungen zwischen beiden Seiten wurden zwar keine Einzelheiten bekannt, aber ägyptische Sprecher waren sehr darauf bedacht, deutlich zu machen, daß die neuen Beziehungen zu Rußland keinen Rückzug aus der strategischen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten bedeuteten. Ägypten wolle seine militärischen und sicherheitspolitischen Angelegenheiten diversifizieren, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. Allerdings hat die von US-Präsident Obama betriebene Politik einen tiefen Riß zwischen Ägypten und den USA erzeugt, so daß ägyptische Politiker bereits davor warnen, daß „die USA riskieren, Ägypten als strategischen Verbündeten zu verlieren“.

Am 12. Februar erschien bei Breitbart News ein Interview mit dem ägyptischen Politiker Moustafa Al-Gindy, der bei den Erhebungen gegen Präsident Hosni Mubarak 2011 und gegen Mursi 2013 eine wichtige Rolle gespielt hatte. Gindy fand für die Krise zwischen Obamas USA und Ägypten sehr klare Worte: „Unter Obama hatte sich die amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten auf die Moslembruderschaft in Machtpositionen eingestellt. Als das ägyptische Volk die Bruderschaft entmachtete, blieb von Amerikas Strategie nicht viel übrig. Amerika verliert Ägypten. Wir sehen, wie ihr Israel behandelt, das 50 Jahre lang euer engster Verbündeter war. Wir sehen, wie ihr mit denen umspringt und wie ihr jetzt mit uns umspringt. Rußland und China sehen das auch.“

Al-Gindy sagte weiter gegenüber Breitbart: „Schauen Sie, wo Ägypten Putin hinführte. Sie brachten ihn in ,den Tower' [wo Putin und Al-Sisi gemeinsam aßen - die Red.]. Das war gegen die Amerikaner gezielt.“ Zur Erläuterung schreibt Breitbart, daß der Kairo-Tower in den 1960er Jahren von Nasser gebaut wurde. Dieses höchste Gebäude in Ägypten wurde teilweise mit den 6 Mio. $ errichtet, die die USA Nasser als persönliches Geschenk zugedacht hatten, um sich seiner Gunst zu versichern. Doch Nasser fühlte sich durch das Geschenk brüskiert, empfand es als Bestechung und widmete die Gelder öffentlich für den Bau des Towers um.

Al-Gindy sagte, die USA hätten Ägypten verloren, als Präsident Obama und andere amerikanische Regierungsmitglieder die Revolution des Landes gegen die Moslembruderschaft einen „Putsch“ nannten. „Es ist kein ,Putsch', wenn 40 Mio. Leute auf der Straße sind. Putsche finden nachts statt, nicht am Tage“, stellte Al-Gindy fest.

„Doch Obama nennt unsere Revolution einen ,Putsch’?“, fragte Al-Gindy. Ich verstehe den Kerl nicht. In einer Minute ist er gut, in der nächsten Minute ist er böse.“

Im Nahen Osten sei eine Machtumverteilung im Gang, so Al-Gindy. Rußland und China sähen das von Amerika hinterlassene Vakuum und drängen in die Region hinein. „Rußland baut Ägypten ein Kernkraftwerk“, sagte er. „Es bietet uns Waffen an, und die [Vereinigten Arabischen] Emirate stellen den Scheck dafür aus. Unser Handel wird in Rubeln und ägyptischen Pfund, nicht in Dollar abgewickelt.“

„Al-Sisi hat sich an die ägyptische Bevölkerung gewendet, und in einer Woche gab sie ihm 60 Mrd.$, um den Suezkanal auszubauen,“ fügte Al-Gindy hinzu. „Nicht die Weltbank, Nicht der IWF. Das Volk hat ihm das Geld gegeben.“ Und Al-Gindy achselzuckend am Ende: „Und das nennt man einen ,Putsch’.“

Was in Washington vorgeht

Während Ägypten dank chinesischer und russischer Unterstützung mit einer Hand seine Wirtschaft aufbaut und mit der anderen gegen den Terrorismus kämpft, gibt sich die amerikanische Regierung alle Mühe, diesen Kampf zu unterlaufen. Nach amerikanischen Presseberichten treffen sich führende Mitglieder der entmachteten Moslembruderschaft, deren Organisation in Ägypten und vielen anderen Ländern zur terroristischen Gruppe erklärt wurde, regelmäßig mit Leuten aus dem State Department, um sich über angebliche Vergehen der Regierung Al-Sisis auszulassen.

In einem jüngsten Facebook-Eintrag von Waleed Sharaby, einem Richter mit engen Beziehungen zur Bruderschaft, ist ein Foto von ihm vor dem Emblem des State Departments zu sehen, und in der Bildunterschrift wendet er sich auf Arabisch an seine Anhänger in Ägypten: „Heute ins State Department. Eure Widerstandskraft ist erstaunlich!“ Dazu macht er das Vier-Finger-Zeichen, ein Symbol für den Protest der Bruderschaft gegen Al-Sisis angeblichen „Putsch“.

Die ägyptische Bevölkerung und Führungsschicht ist sich über die Gefahren sehr wohl bewußt, die ihrem Land droht, und sie sehen in der jetzigen amerikanischen Regierung und ihren Institutionen keinen Freund und Verbündeten mehr. Sie sehen jedoch mit Optimismus in die Zukunft und kämpfen hart darum, diese Gefahren zu überwinden und ihr Land aufzubauen. Rußland und China haben unter Beweis gestellt, daß sie in schwierigen Zeiten wahre Freunde Ägyptens sind. Es ist höchste Zeit, daß die USA und Westeuropa die Bedeutung Ägyptens im regionalen und globalen Kontext erkennen. Sie müssen außerdem die Dynamik hinter der BRICS-Entwicklung erkennen, der sich Ägypten jetzt nachdrücklich angeschlossen hat.


Anmerkung

1. http://www.larouchepub.com/other/2013/4029egypt_decl_indep.html