„Jahrhundertabkommen“ mit China ermöglicht Afrikas Einigung
Von Douglas DeGroot
Durch ein Abkommen mit der Afrikanischen Union unterstützt
China den Ausbau der afrikanischen Infrastruktur nicht nur in einzelnen
Ländern, sondern erstmals für den gesamten Kontinent.
Am 27. Januar unterzeichneten Vertreter Chinas und der Afrikanischen Union
(AU) am Sitz der AU in Addis Abeba eine bahnbrechende Absichtserklärung: Sie
planen ein ganz Afrika umfassendes Abkommen zur Modernisierung und massiven
Ausweitung der Verkehrsverbindungen, u.a. moderne Eisenbahnen, Straßen und
Flugverbindungen, sowie andere Infrastruktur, die für die Industrialisierung
Afrikas notwendig ist. Diese Erklärung markiert eine wichtige und erfreuliche
Wende in der chinesischen Politik gegenüber Afrika, die sich seit dem
Amtsantritt von Präsident Xi Jinping im März 2013 angebahnt hat.
China pflegt zwar schon eine ausgedehnte bilaterale Zusammenarbeit mit
vielen afrikanischen Staaten, meist gegen Lieferung afrikanischer Rohstoffe,
aber jetzt will es dabei helfen, systematisch den ganzen Kontinent
wirtschaftlich zu entwickeln - auch Länder, die keine Rohstoffe haben, die
China brauchen kann. Dabei ist es bedeutsam, daß die Vereinbarung mit der AU
geschlossen wurde, der Nachfolgeorganisation der Organisation für Afrikanische
Einheit (OAU), die am 25. Mai 1963 von Kwame Nkrumah gegründet wurde. China
hat das neue AU-Gebäude in Äthiopien, das 2012 eröffnet wurde, als Geschenk an
Afrika gebaut.
Die Absichtserklärung unterzeichneten die Vorsitzende der AU-Kommission,
Nkosazana Dlamini-Zuma, und der chinesische Sondergesandte und
Vizeaußenminister, Zhang Ming, unmittelbar vor dem 29. Treffen der ständigen
Vertreter der AU-Mitgliedstaaten am 29. Januar.
Dlamini-Zuma sprach vom „umfassendsten Projekt, das die AU jemals mit einem
Partner unterzeichnet hat“. China und Afrika seien durch eine lange
historische und wachsende Beziehung miteinander verbunden. „Dies wird das
erste kontinentale Projekt, das Afrika und China in allen diesen Bereichen
unternehmen... Die Beziehung, insbesondere die Zusammenarbeit, erreicht eine
neue Höhe, eine neue Ebene und eine neue Dimension.“
Zhang bekräftigte nach der feierlichen Unterzeichnung: „Dies ist ein großes
und sehr ehrgeiziges Projekt, aber es ist auch ein machbares Projekt.“ Die
Vereinbarung sei ein „Jahrhundertdokument“. Er fuhr fort: „Das
Luftfahrt-Abkommen markiert einen neuen Bereich für die Zusammenarbeit
zwischen der AU und China... Afrika ist ein riesiger Kontinent, wo es möglich
sein muß, zu reisen, ohne in Paris oder London umzusteigen.“
Die abschließenden Verhandlungen über die Absichtserklärung fielen schon in
die neue Ära des weltweiten Entwicklungsparadigmas, die die BRICS-Staaten
Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika im vergangen Jahr eingeläutet
haben. China ist die mächtigste Kraft für Entwicklung innerhalb der
BRICS-Gruppe, und mit der Gründung der Neuen Entwicklungsbank beim
BRICS-Gipfeltreffen in Brasilien im vergangenen Sommer ist China, das beim
Aufbau der Infrastruktur in bilateraler Zusammenarbeit mit afrikanischen
Ländern schon sehr viel geleistet hat, nunmehr in einer idealen Position für
den großen Sprung zur Entwicklung im kontinentalen Maßstab. Somit bedeutet die
neue Vereinbarung, daß Afrika sich nicht allein auf China, sondern allgemein
auf die Alternativen im neuen Paradigma des BRICS-Systems stützt.
Ironischerweise hielt sich an dem Tag, als das Abkommen unterzeichnet
wurde, auch die IWF-Direktorin Christine Lagarde in Afrika auf. Sie versuchte
in der ruandischen Hauptstadt Kigali Angst zu schüren, daß die afrikanischen
Länder unter der „wirtschaftlichen Abschwächung“ in China und einer
bevorstehenden Zinsanhebung in den Vereinigten Staaten leiden müßten. Aber
weil nach dem Absturz des transatlantischen Finanzsystems 2007-08 der Bankrott
des IWF offensichtlich geworden ist, hat die alte Ordnung, die der IWF
vertritt, keine Druckmittel mehr gegenüber dem neuen Paradigma der BRICS.
Kontinentale Entwicklung
Das Abkommen ergänze die „Agenda 2063“ der AU für die kontinentale
Integration Afrikas, berichtete Xinhuanet. Die Vereinbarung bedeutet,
daß die AU und China Projekte auf dem ganzen Kontinent koordinieren werden, an
denen sich verschiedene afrikanische und asiatische Partner beteiligen
können.
Mit dem Plan der AU und Chinas, moderne Verkehrsverbindungen über den
ganzen Kontinent zu schaffen, wird Nkrumahs großes Ziel, ein geeintes Afrika
zu schaffen, endlich wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Afrikaner sagen zu
dem Mangel an Entwicklung seit der Unabhängigkeit, die für die meisten
afrikanischen Staaten bis Anfang der 1960er Jahre zurückreicht, ohne die
Hindernisse, die Afrika bei der Entwicklung in den Weg gelegt wurden, hätte es
heute mindestens ein vergleichbares Entwicklungsniveau erreicht wie
Malaysia.
Die Aufgabe ist gewaltig, wenn man die Größe des Kontinents bedenkt. Der
Kontinent ist größer als die USA, China, Indien, Japan und Europa zusammen.
Die Schaffung von Infrastrukturverbindungen zwischen den Nationen des
Kontinents ist eine wesentliche Voraussetzung für seine Entwicklung.
Angesichts dieser enormen Herausforderung muß die Finanzierung auf eine
breitere Basis gestellt werden. Chinas Premier Li Keqiang hat im vergangenen
Jahr die Schaffung eines multilateralen „Fonds Afrika wächst zusammen“ (Africa
Growing Together Fund, AGTF) im Umfang von 2 Mrd.$ angekündigt, der Projekte
nichtchinesischer Unternehmen finanzieren soll.
Für die Beteiligung Dlamini-Zumas beim Zustandekommen der Vereinbarung ist
zusätzlich von Bedeutung, daß sie aus dem BRICS-Land Südafrika kommt, wo sie
früher Außenministerin war. Das Abkommen beruht auf ihren Gesprächen mit
Premier Li während dessen Besuchs am AU-Sitz im Mai 2014. Li legte besonderes
Gewicht auf den Ausbau der transnationalen Verkehrs- und Fluginfrastruktur. Er
sprach von dem Traum, alle afrikanischen Hauptstädte durch
Hochgeschwindigkeitsbahnen miteinander zu verbinden. Sein Besuch bei der AU
war die erste Station einer Reise durch vier afrikanische Nationen (siehe
Neue Solidarität 21/2014).
Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, sagte am
Tag nach der Unterzeichung vor der Presse in Beijing, die Absichtserklärung
„zeigt, daß China das Konzept von Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang
für die Kooperation mit Afrika in die Realität umsetzen will, indem es
Eisenbahnen, Straßen und regionale Luftfahrtnetze aufbaut... Es ist auch
unsere feste Zusage, die Verbindungen und die Integration des Kontinents zu
verbessern, den Engpaß seiner Entwicklung zu beseitigen und nachhaltige
Entwicklung zu verwirklichen.“
China habe bereits 1046 Projekte in Afrika abgeschlossen und 2233 km
Eisenbahnen und 2520 km Straßen gebaut. Weitere chinesische Projekte betreffen
den Bau von Wasserkraftwerken. Elektrizität ist wie die Verkehrsinfrastruktur
eine unverzichtbare Voraussetzung für die Industrialisierung. Hua rief dazu
auf, daß andere Länder Chinas Vorbild folgen und zusagen, zusammen mit China
die Infrastruktur in Afrika auszubauen.
Die früheren europäischen Kolonialmächte und die Vereinigten Staaten haben
seit einem halben Jahrhundert nichts in dieser Richtung getan.
Die Maritime Seidenstraße
Bezeichnend für die ehrgeizigen Entwicklungspläne Chinas und der
BRICS-Staaten sind die Ausführungen in einem Artikel des Xinhua-Autoren
Cheng Lu, der am 12. Februar in ShanghaiDaily erschien und worin betont
wird, daß Chinas „Maritime Seidenstraße“ Afrika nicht außen vor läßt. Cheng
erinnert daran, daß der chinesische Seefahrer Zheng He schon vor 600 Jahren
Mombasa in Kenia besuchte. Heute baue China eine Eisenbahn in der
Standardspurweite von Mombasa zur Hauptstadt Nairobi, das Projekt liege vor
dem Zeitplan und werde 30.000 Menschen Arbeit verschaffen. Die Bahn wird in
drei Jahren fertiggestellt sein, letztendlich wird sie Nairobi mit Uganda,
Ruanda, Burundi und dem Südsudan verbinden, womit das „weite ostafrikanische
Hinterland“ Zugang zum Indischen Ozean erhält. Auf diese Weise wird die 2013
wiederbelebte Maritime Seidenstraße im 21. Jahrhundert über Asien hinaus bis
nach Afrika reichen.
Neben dem Ausbau des Hafens von Mombasa finanziert und baut China auch
andere afrikanische Häfen in Kenia (Lamu), Dschibuti, Tansania und
Nigeria.
Das afrikanisch-chinesische Handelsvolumen belief sich 2014 auf mehr als
220 Mrd.$, seit fünf Jahren ist China Afrikas größter Handelspartner. Cheng
schreibt, der Schwerpunkt der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts
liege genauso wie bei der Neuen Seidenstraße zu Lande auf dem Ausbau der
Infrastruktur. Dazu habe China die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank
(AIIB) und einen „Seidenstraßenfonds“ im Umfang von 40 Mrd.$ gegründet. Die
verbesserte Infrastruktur erleichtere den Handel, wovon Afrika profitieren
werde. Und ohne moderne Infrastruktur sei die Industrialisierung Afrikas
unmöglich.
Der frühere ägyptische Botschafter in China, Mohamed Noman Galal, sagte
gegenüber Xinhua, die beteiligten Länder hätten eine historische
Chance, von der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts zu profitieren.
„Aber das ist nicht nur Chinas Aufgabe. Man braucht Kooperation“, sagte er.
Damit alle profitieren - er nannte den englischen Ausdruck „Win-Win“, den die
Chinesen gerne verwenden -, müßten auch alle etwas tun: „Do-Do“.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi erkennt die Chancen, die China und
die BRICS-Staaten eröffnen, und besuchte im Dezember vier Tage lang China.
Seine erklärte Absicht war, Ägypten „zu einer der Hauptstützen in der
Initiative des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zur Erneuerung des
Handelsweges der antiken Seidenstraße zu machen“. Die beiden Nationen
unterzeichneten 25 Vereinbarungen, insbesondere im Bereich der Stromerzeugung
und des Verkehrswesens.
Seit seiner Rückkehr hat Al-Sisi verschiedene Initiativen ergriffen, um
Konflikte in der Region beizulegen und so Wirtschaftsentwicklung zu
ermöglichen, und er hat mehrere Entwicklungsinitiativen in Ägyptens und in der
Region gestartet.
Er konnte Differenzen mit Äthiopien über den Bau des Großen Äthiopischen
Renaissance-Damms beilegen, und er traf sich mit dem somalischen Präsidenten
Hassan Scheich Mohamoud, dem er Beteiligung am Wiederaufbau des vom Krieg
zerstörten Landes zusagte. Schon vor seiner Reise nach China hatte er die
Präsidenten des Sudan, Omar Baschir, und des Tschad, Idriss Déby,
getroffen.
Äthiopiens Premierminister Hailemariam Desalegn bestätigte in einem
Interview mit einem ägyptischen Fernsehsender, die Beziehungen zu Ägypten
hätten sich verbessert, seit Al-Sisi Präsident wurde.
Ägypten und Südafrika setzen sich für die Schaffung eines Handelsblocks
„von Kairo zum Kap“ mit 27 Nationen ein - ein Gebiet mit 626 Millionen
Einwohnern, das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afrikas.
Ein besonderes Entwicklungsprojekt, das bereits im Gang ist, ist das
Lapsset-Projekt zur Schaffung von Verkehrsverbindungen zwischen Kenia, dem
Südsudan und Äthiopien. Manche nennen es „die Mutter aller
Infrastrukturprojekte“. Die Idee stammt aus der Region selbst, China wurde
eingeladen, sich daran zu beteiligen. Vorgesehen ist ein neuer Hafen in Lamu
an der Nordküste Kenias, der größer sein wird als der Hafen von Mombasa,
weiter Eisenbahnen, Straßen und Pipelines von Lamu durch Nordkenia mit
Abzweigungen zur Hauptstadt des Südsudan, Juba, und seinen beiden Ölfeldern.
Dazu kommt eine Erweiterung der Bahn- und Straßenverbindungen vom östlichen
Zweig im Südsudan über die Westgrenze in das landeingeschlossene
Äthiopien.
Später soll die Pipeline auch mit in jüngerer Zeit entdeckten Ölvorkommen
in Kenia und Uganda verbunden werden. Uganda hat sich dem Projekt, das
ursprünglich am 2. März 2012 von Kenia, dem Südsudan und Äthiopien vereinbart
worden war, angeschlossen. Die Bahn von Lamu soll am Ende eine Landbrücke von
Ostafrika durch die Zentralafrikanische Republik bis zum Hafen Douala in
Kamerun schaffen.
Die kenianische Regierung finanziert 25% des ursprünglichen Projekts, auch
China stellt günstigen Kredit zur Verfügung, weitere Mittel sollen
unbestätigten Berichten zufolge von Südkorea, Katar, Brasilien und Südafrika
kommen.
Beim Gipfeltreffen der AU, das auf die Unterzeichnung der Vereinbarung
folgte, erhielt Dlamini-Zuma eine besondere Botschaft des Staatschefs eines
weiteren BRICS-Landes: Rußlands Präsident Putin. Darin bekräftigte Putin
Rußlands Interesse, die Verbindungen zu Afrika zu stärken. Die Botschaft wurde
vom Sondergesandten des Präsidenten der Russischen Föderation für die Länder
des Nahen Ostens und Afrikas, Vizeaußenminister Michail Bogdanow,
übermittelt.