Entwicklung statt Krieg: Ägypten eröffnet den Neuen Suezkanal
Ägyptens Präsident Al-Sisi betrachtet den nun fertiggestellten
Bau des Neuen Suezkanals als ein „Geschenk an die Menschheit“.
Am 6. August – genau ein Jahr nach dem Beginn der von Präsident
Abdel-Fattah Al-Sisi angeordneten Bauarbeiten – wurde der Neue Suezkanal
in Ägypten feierlich eröffnet. Zu den Rednern gehörten Präsident Al-Sisi und
der Vorsitzende der Suezkanal-Behörde (SCA), Admiral Mohab Mamisch, der das
Projekt leitet. Die Feier wurde live in alle Welt übertragen und
beispielsweise in New York und Washington, Beijing, Tokyo und London auf
Großbildschirmen vorgeführt.
Präsident Al-Sisi eröffnete den Kanal, indem er in seiner Militäruniform
mit der 150 Jahre alten Dienst-Yacht des Präsidenten, der El-Mahroussa,
den Kanal durchfuhr. Die El-Mahroussa war auch schon das erste Schiff
gewesen, das den Kanal befuhr, als dieser 1869 eröffnet wurde.
Al-Sisi wechselte dann in Zivilkleidung, bevor er in Ismailia an Land ging,
wo die Eröffnungsfeier stattfand. „Mit Gottes Segen gebe ich, Abdel-Fattah
Al-Sisi, die Erlaubnis zum Betrieb des Kanals“, sagte er und fuhr fort:
„Innerhalb eines Jahres haben die Ägypter gewaltige Anstrengungen unternommen,
um der Welt und Ägypten ein Geschenk für die Menschheit zu machen, für
Entwicklung, für den Bau und den Aufbau...
Diese Arbeiten fanden unter ungewöhnlichen Bedingungen statt, und diese
Bedingungen bestehen weiter. Wir kämpfen gegen sie an und werden sie
überwinden. Das Böse versucht, Ägypten und den Ägyptern zu schaden und ihre
Entwicklung aufzuhalten...
Ägypten stand in diesem Jahr der Bedrohung durch die gefährlichsten
Terroristen gegenüber, die die Welt niederbrennen würden, wenn sie es
könnten.“
Al-Sisi unterbrach seine Rede, als sich im Hintergrund unter dem gewaltigen
Applaus der Zuschauer zwei gigantische Schiffe auf dem Kanal begegneten, die
den Kanal in entgegengesetzter Richtung durchfuhren - was erst durch die jetzt
fertiggestellte Erweiterung des Kanals möglich wurde.
Man dürfe das Projekt des Neuen Suezkanals nicht nur als eine Leistung von
Ingenieuren betrachten, sagte der Präsident. „Die Ägypter müssen fühlen, daß
sie innerhalb eines Jahres mehr Selbstvertrauen und Sicherheit gewonnen haben.
Wie die heutige Freude der Menschen zeigt, mußten sie sich selbst und der Welt
zeigen, daß sie ein solches Projekt bewältigen können.“
„Wir müssen ein Block sein, um uns den Herausforderungen zu stellen“, sagte
er unter Hinweis auf den Groß-Imam von Al-Azhar, Ahmed El-Tayyeb, und den
Papst der koptisch-orthodoxen Christen, Tawadros II., die Seite an Seite im
Publikum saßen. Al-Sisi dankte „den Märtyrern, die sich für Ägypten und seine
Stabilität geopfert haben... Soldaten, Polizisten und unschuldige Bürger.“ Er
dankte auch allen, die am Projekt des Neuen Suezkanals mitgearbeitet haben,
darunter der Pionier-Division der Streitkräfte und der Suezkanal-Behörde.
Neben mehr als 70 Staatsoberhäuptern, Regierungsvertretern und anderen
Würdenträgern waren auch Vertreter aller Schichten der ägyptischen
Gesellschaft anwesend, einschließlich der Beduinen und Nubier. Es war
tatsächlich eine Feier der ganzen Nation. Ehrengast der Feier war Frankreichs
Präsident Francois Hollande, aus Rußland war eine große Delegation unter
Premierminister Dmitrij Medwedjew angereist, auch Griechenlands
Premierminister Alexis Tsipras war unter den internationalen Gästen. Aus
England kam Verteidigungsminister Michael Fallon, aus Deutschland Vizekanzler
Sigmar Gabriel. US-Präsident Barack Obama hingegen ließ sich lediglich von
seinem Botschafter in Ägypten vertreten, der US-Kongreß schickte eine
Delegation, die vom Abgeordneten Darrel Issa geleitet wurde.
Neben der zentralen Feier in Ismailia gab es weitere Feierlichkeiten in
Alexandria, Kairo und anderen Städten in ganz Ägypten. Musiker der Kairoer
Oper führten, begleitet von internationalen Solisten, den Triumphmarsch aus
Verdis Oper Aida auf, die ursprünglich in Auftrag gegeben worden war,
um sie 1869 anläßlich der Feierlichkeiten zur Eröffnung des ursprünglichen
Suezkanals im Opernhaus des Khediven aufzuführen (auch wenn die Uraufführung
der Oper dann erst im Dezember 1871 in Kairo stattfand).
Wie die Tageszeitung Al-Ahram schrieb, war auch die
Eröffnungszeremonie selbst ein Großprojekt. „Es ist eine Botschaft an die
ganze Menschheit“, erklärte Sami Abdel-Asis, ein Medienexperte und Mitglied
der Planungsgruppe für die Veranstaltung, vor der Eröffnung. Sie beruhe auf
der Tatsache, daß der Suezkanal „ein einzigartiges Unternehmen“ sei: „Es gibt
zwei Kernbotschaften, die wir übermitteln wollen. Auf der lokalen Ebene wollen
wir ein Gefühl des Stolzes und des Vertrauens in das Projekt aufbauen - daß
die Menschen ihr Geld richtig angelegt haben.“ Gleichzeitig „wollen wir der
Welt die Wirkung des neuen Kanals auf die globale Wirtschaft zeigen, was die
Minimierung von Dauer und Kosten der Schiffahrt angeht“.
Die Feier wurde finanziert durch private Spenden wohlhabender Ägypter und
Unternehmen.
Bereits nach der ersten Testfahrt mehrerer großer Containerschiffe durch
den Kanal hatte Mamisch bei einer Pressekonferenz am 31. Juli erklärt: „Nun
kann jeder eine Realität sehen, die die Fähigkeit der Ägypter demonstriert,
Fortschritte zu machen und Wunder zu vollbringen... Die Idee, Planung,
Finanzierung und Ausführung des Projektes sind vollständig ägyptisch, mit
Hilfe der patriotischen Jugend Ägyptens. Dieses Unternehmen ist eine
Wiedergeburt für Ägypten.“
Durch die Verbreiterung des südlichen Kanalabschnitts und den Bau eines
neuen parallelen Kanals im nördlichen Abschnitt verringert sich die
Durchfahrzeit auf dem Kanal von 22 auf nur noch 11 Stunden. Die erwartete
Verdoppelung des Schiffsaufkommens wird die Einnahmen aus den Transitgebühren
von derzeit 5 Mrd. $ auf voraussichtlich 13,2 Mrd.$ steigern.
Aber mit der Eröffnung des Kanals ist das Projekt natürlich noch nicht
abgeschlossen. „Wir müssen die Bewegung für all die anderen Projekte in Gang
halten, die den Neuen Suezkanal umgeben werden“, sagte Abdel-Asis. Mamisch gab
bei seiner Pressekonferenz am 31. Juli bekannt, daß Präsident Al-Sisis die SCA
angewiesen hat, die Umsetzung der Entwicklungspläne für East Port Said zu
beaufsichtigen. Diese Arbeiten würden gleich am 7. August - am Morgen nach der
Eröffnungsfeier - beginnen.
Der Containerterminal von East Port Said an der nördlichen Einfahrt zum
Kanal ist eine Erweiterung des bestehenden Containerterminals. Er ermöglicht
es auch größten Containerschiffen, Container zu laden und zu löschen. Das
Projekt wird realisiert von der China Harbour Engineering Co. Ltd. (CHEC),
während Planung und Entwicklung von AECOM übernommen worden war, einem
amerikanischen Unternehmen, das auf Infrastruktur- und Großbauprojekte
spezialisiert ist. Zu dem Projekt gehört auch der Bau einer 1200 m langen
Verlängerung des bestehenden Ankerplatzes für Containerschiffe der nächsten
Generation.
Dieses große Projekt steht exemplarisch für die Herangehensweise der Neuen
Weltwirtschaftsordnung der BRICS-Nationen und ihrer Alliierten, der sich die
bankrotte transatlantische Welt baldmöglichst anschließen sollte.
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