Afrikanische Regierungen stoßen Merkel mit der Nase auf die Realität
Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste vom 9.-11. Oktober nach Niger, Mali
und Äthiopien, vor allem, um über Möglichkeiten zu sprechen, die Migration
nach Europa zurückzudrängen. Anschließend empfing sie in Berlin am 12. Oktober
den Präsidenten des Tschad, Idriss Déby, und am 14. Oktober den nigerianischen
Präsidenten Muhammadu Buhari.
Merkels Angebote waren jedoch nur Almosen im Vergleich mit dem, was die von
Terrorismus und Armut gebeutelte Region braucht. Nigers Präsident Mahamdou
Issafou erinnerte daran, daß die 1,8 Mrd.$ Hilfe für Afrika, welche die
Europäer auf dem EU-Afrika-Gipfel vor einem Jahr zusagten, viel zuwenig sind.
Allein Niger brauche mindestens 1 Mrd.$, um erfolgreich die illegale Migration
zu bekämpfen. Notwendig sei ein wirklicher „Marshall-Plan“, der die
wirtschaftliche Entwicklung sicherstellt. Merkel gab zu verstehen, daß sie
nicht dafür zu haben ist.
In ihrem Treffen mit Präsident Déby versprach die Kanzlerin 8,9 Mio.€ Hilfe
gegen den Wasser- und Nahrungsmangel in der Sahelzone. Im Tschad befinden sich
derzeit 700.000 Flüchtlinge, die aus anderen Ländern vor der Terrorgruppe Boko
Haram geflohen sind. Déby beschrieb auch die drohende humanitäre Katastrophe
am Tschadsee, dessen Austrocknen die Bevölkerung verarmen läßt und sie so in
Terrorismus und Migration treibt.
Nigerias Präsident Buhari verwies in einer Rede vor dem Afrika-Verein der
deutschen Wirtschaft in Berlin am 14. Oktober besonders auf den großen Mangel
an Infrastruktur in seinem Land, u.a. bei Straßen, Eisenbahnen, Häfen und
Stromversorgung. Der Aufbau einer Industrie sei entscheidend, um die
Wirtschaft des Landes unabhängiger vom Öl zu machen und um die Armut von 70%
der Bevölkerung zu überwinden. Seine Regierung habe das deutsche
„Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit studiert und lerne daraus. Nigeria
werde demnächst eine Entwicklungsbank nach dem Vorbild der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) gründen.
Gegenüber Kanzlerin Merkel betonte Buhari, der Tschadsee müsse wieder
aufgefüllt werden, weil der Lebensunterhalt von 30 Mio. Menschen im
Tschadseebecken gefährdet sei.
Nigerias Landwirtschaftsminister, Chief Audu Ogbeh, erklärte in der
Wirtschaftskonferenz, frühere Regierungen hätten es versäumt, das Geld aus dem
Ölboom anzusparen und in Entwicklung zu investieren. So muß Nigeria immer noch
für 20 Mrd.$ jährlich Nahrungsmittel importieren. Deshalb wolle die Regierung
nicht nur die Erzeugung im Inland steigern, sondern eine agroindustrielle
Wirtschaft aufbauen. Eindringlich beschrieb er die im Vergleich zu Europa sehr
niedrige Produktivität der Milchwirtschaft, weil für die Kühe zuwenig Wasser
verfügbar ist.
Auf die Frage eines EIR-Vertreters nach dem Transaqua-Projekt zur
Wiederauffüllung des Tschadsees antwortete Ogbeh: „Ich bin hocherfreut über
Ihre Frage.“ Da die Investitionen für dieses Projekt die Möglichkeiten der
Anliegerstaaten weit überstiegen, brauche man deutsche und europäische Hilfe
bei der Finanzierung. Ogbeh warnte, wenn der Tschadsee in den nächsten 10-15
Jahren in demselben Tempo weiter austrockne, „wird es eine Massenflucht aus
der Region geben, weil 30 Millionen Menschen nicht wissen, wohin. Ich denke,
Sie wissen, wohin sie gehen werden!“
eir