"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Das neue Afrika will Infrastruktur, keine „privilegierten Partnerschaften“

Harley Schlanger berichtet vom 4. Deutsch-Afrikanischen Infrastrukturforum in Hamburg.

Bei der Eröffnung des 4. Deutsch-Afrikanischen Infrastrukturforums in Hamburg am 5.-6. Dezember zitierte der Vorsitzende des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft, Dr. Christoph Kannengießer, eine Schlagzeile der Zeitung Die Zeit, die kürzlich schrieb: „Bundesregierung entdeckt Afrika“. Wer bereits mit Afrika zu tun habe, sagte er, könnte dies ironisch finden, aber es sei etwas Wahres daran, und deshalb sollte man diese Konferenz nutzen, um den Umfang der Kooperation auszuweiten.

Im Verlauf der Konferenz wurde allerdings deutlich, daß Afrika heute nicht mehr das Afrika ist, das deutsche Unternehmen zu kennen glauben. Denn der Kontinent erlebt derzeit die gleiche Transformation wie der Rest der Welt, man setzt sich zunehmend von der „Globalisierungspolitik“ mit Freihandel, Privatisierungen und Sparmaßnahmen ab und schließt sich statt dessen immer mehr dem Paradigma der chinesischen Initiative der Neuen Seidenstraße an. Mehrere Redner aus Afrika sprachen dies an und äußerten sich sehr besorgt darüber, daß ihre anwesenden deutschen Geschäftspartner diese Veränderung offenbar gar nicht bemerken und weiter dem „alten Paradigma“ verhaftet sind.

Am deutlichsten äußerte dies Christian Eddy Avellin, der Generaldirektor der Hafenbehörde von Toamasina auf Madagaskar, in einer Vortragsrunde über die Neu- und Ausbaupläne für Häfen in Afrika. Er erklärte: „Die Welt verändert sich. China und Indien streben auf, Japan hält seinen Platz in der Welt. In den letzten 25 Jahren hätten Sie hier in Europa mehr an Afrika denken sollen... Die Realität ist, daß sich die Weltwirtschaft nach Asien verlagert. China treibt Handel mit Afrika und Südamerika. Sie müssen sich mit den Süd-Süd-Beziehungen befassen... Europa wird an den Rand gedrängt werden, wenn es das nicht erkennt und sich nicht beteiligt.“ Madagaskar verstärke sein Engagement im Seehandel und transportiere Rohstoffe über den Indischen Ozean. Das Projekt werde vor allem von Japan finanziert.

Sein Vortrag löste eine ganze Welle ähnlicher Kritik aus, darunter Beschwerden über zu hohe Zinsen, die europäische Banken verlangen, über die Bedingungen, die der Weltwährungsfonds und Großbanken an Kredite knüpfen, und allgemein über die Arroganz des Westens. Diese Arroganz zeigte sich auch im Verhalten der Moderatorin, Judith Helfmann-Hundack, die wiederholt nach privaten Partnerschaften fragte, mehr Privatisierungen forderte und an der Qualität chinesischer Waren und Technik herumkritisierte.

Ali Guelleh Aboubaker, Minister der Präsidentschaft von Dschibuti für Investitionen, gab ihr eine treffende Antwort: „Wenn Sie kommen wollen, sind Sie willkommen. Aber sagen Sie uns nicht, was wir tun sollen.“

An dieser Stelle intervenierte der Verfasser, als Vertreter von EIR und Lyndon LaRouche, in die Debatte. „Machen wir uns klar, was hier gesagt wird. Es existiert ein neues Paradigma.“ Zentrale Aspekte dieses neuen Paradigmas seien die Neue Entwicklungsbank (NDB) der BRICS und die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), die ihre Kredite ohne politische Vorbedingungen vergeben, die Entwicklungsprojekte der Neuen Seidenstraße und Chinas Wissenschaftsorientierung. „Das ist die Zukunft. Und gleichzeitig wächst die Revolte im transatlantischen Raum, mit dem Brexit-Votum und mit Trumps Wahlsieg. Das Problem für Europas Banken ist, daß das Geld aus der ,quantitativen Erleichterung’ der letzten Jahre in die Stützung von Zombie-Banken geflossen ist, so daß nichts für Investitionen in die Realwirtschaft übrigbleibt.“

Dies löste weitere Stellungnahmen afrikanischer Vertreter aus. Die treffendste kam vom Chef des Kleinunternehmerverbandes aus dem Kongo: „Während ihr Deutsche euch beschwert, warten wir auf Investitionen. Wir hatten jahrelang Krieg und Ausbeutung. Alles muß aufgebaut werden. Wir brauchen Infrastruktur. Unsere westlichen Partner wollen ,privilegierte Partnerschaften’, aber das ist nicht mehr möglich.“

Avellin betonte am Ende der Sitzung nochmals: „Die Welt verändert sich. Wir akzeptieren die Diktatur des IWF oder der Weltbank nicht mehr.“ Priorität für die afrikanischen Regierungen sei es, die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu erfüllen. „Die Chinesen sind da und sie helfen.“

Er wurde in dieser Haltung unterstützt von einem Vertreter der namibischen Regierung, der sagte, es gebe im Süden Afrikas etwas Neues, nämlich Zusammenarbeit statt Konkurrenz zwischen den Nationen. „Wir wollen, daß andere mitmachen.“ Mit dieser Aussage brachte er weitgehend den Konsens der afrikanischen Teilnehmer zum Ausdruck.

Einige deutsche Teilnehmer hatten vom neuen Paradigma noch gar nichts mitbekommen oder ärgerten sich sogar darüber, daß die afrikanischen Regierungen es unterstützen, doch es gab auch Ausnahmen. Ein Vertreter eines deutschen Logistikunternehmens antwortete auf Helfmann-Hundacks Insistieren auf öffentlich-privaten Partnerschaften, für den Ausbau der Häfen seien öffentliche Gelder unverzichtbar. Ein anderer Unternehmensvertreter sagte, er stimme mit der Kritik der afrikanischen Regierungen voll und ganz überein: „In der Vergangenheit waren die europäischen Investitionen eine Einbahnstraße zum Nutzen europäischer Firmen. Das muß sich ändern, zu unserem Wohl und zum Wohl der Zukunft Afrikas.“

Harley Schlanger