Ein Schimmer der Weltsicht vom globalen Süden
Feride Istogu-Gillesberg berichtet über ihre Eindrücke bei einem Besuch in Ghana
Während die Konferenz der Afrikanischen Union in Äthiopien stattfand,
hatten meine Familie und ich die Möglichkeit, Ghana zu besuchen. Obwohl ein
Teil der Pläne, die wir hatten, wegen eines Streiks der Professoren an den
Universitäten nicht realisiert werden konnte, hatten wir die Möglichkeit, mit
vielen Leuten zu sprechen und die breite politische Auffassung der Bevölkerung
wahrzunehmen.
Wir waren in Accra, einer Stadt, die mit Smog bewölkt ist. Eine Großstadt
mit modernen Gebäuden und Straßen, aber auch eine arme Stadt, mit nicht
asphaltierten Wegen, die sehr staubig sind. Es war 32-34 Grad, und weil die
Luft so staubig war, konnte die Sonne nicht durchdringen. Viele Leute
verbrennen ihren Müll auf der Straße oder in deren Hof. Es gibt keine
richtigen Fußgängerzonen, deshalb fährt man viel mit dem Auto herum.
An fast jeder Kreuzung waren Leute, die jemandem etwas verkaufen wollten,
wie Wasser, Tücher, etwas zu essen und mehr. Die Arbeitslosigkeit ist enorm,
und wenn man keine vernünftige Arbeit finden kann, enden viele als
Straßenverkäufer, bis sie etwas Sinnvolleres bekommen. Trotz der Armut war da
ein Selbstrespekt zu spüren. Die Menschen, vor allem die Frauen sind sehr
schön und farbenreich gekleidet, was eine angenehme Würde ausstrahlt.
© Feride Istogu-Gillesberg
Die Osuburg wurde von Dänemark gebaut und diente als Stützpunkt für den
Sklavenhandel.
Wir haben historische Sehenswürdigkeiten gesehen, wie die Osu-Burg, die in
der Vergangenheit Christiansborg hieß, da Dänemark der Begründer dieser Burg
war. Dies geht zurück auf eine finstere Vorgeschichte des dänischen
Sklavenhandels in Ghana. Die Dänen haben in dieser Burg Sklavenhandel
betrieben. Menschen wurden in Ketten gebunden in der Burg zusammengestellt.
Die Sklaven wurden monatelang in kümmerlichen Verhältnissen, in Kammern
eingesperrt. Je fünfzig Frauen und fünfzig Männer in einem Raum, etwa 12
m2, ohne sanitäre Einrichtungen, ordentliche Nahrung oder Zugang zu
Tageslicht. Die Sklaven wurden in Intervallen von drei Monaten in Schiffen als
Arbeitskraft nach den Ostindischen Inseln verschifft. Der Sklavenhandel wurde
von Portugiesen und danach vom Britischen Empire übernommen. Mehr als 2
Millionen Menschen wurden als Sklaven verkauft und verschifft, wobei eine
halbe Million auf den Schiffsreisen starb.
Wir hatten einen jungen Touristenführer, der uns erzählte, wie das alles
abgelaufen ist. Er wollte, daß die Besucher nachvollziehen, was hier an
Ungerechtigkeit passiert ist, um besser zu verstehen, was der Kolonialismus an
Leiden und Schrecklichkeiten angestellt hat. Das haben die Menschen in Ghana
nicht vergessen.
Er erzählte uns auch die Geschichte der Fahne von Ghana, der gelbe Streifen
steht für Gold, denn Ghana ist reich an Gold und hieß unter dem Britischen
Empire auch Goldküste. Die grüne Farbe steht für die Fruchtbarkeit der Natur
und die rote Farbe für das Blutvergießen, das die Kolonialmächte angerichtet
haben. Der Reiseführer erzählte stolz, von Ghanas Errungenschaft von der
Unabhängigkeit Ghanas unter den ersten ghanaischen Premierminister Kwame
Nkrumah, der Ghana als erstes afrikanisches Land in die Freiheit geführt und
die Fessel des Britischen Empire zerschlagen hat. Das liegt nicht so lange
zurück und ist lebendig im Bewußtsein der Bevölkerung.
Das Erbe Kwame Nkrumahs
Wir haben auch das Museum von Kwame Nkrumah, Ghanas erstem Premierminister
und erstem Präsidenten, besucht. Er hat Ghana aus dem Kolonialismus des
britischen Imperiums befreit und sein Land auf großen Freiheitsidealen
gebaut.
© Feride Istogu-Gillesberg
Statue Kwame Nkrumahs, des ersten Premierministers und Präsidenten von
Ghana
In dem Museum, das von einem Park umgeben ist, ist das Grab Kwame Nkrumahs
und eine große Statue von ihm. Teil des Museums ist ein Gebäude mit einem
länglichen Raum, der mit kurzen Zitaten aus verschiedenen Reden und mit
Bildern von Kwame Nkrumah ausgestattet ist. Ghana wurde am 6. März 1957
unabhängig, und in seiner Antrittsrede betonte er, daß „wir weder nach Osten
noch nach Westen, sondern nach vorne blicken“. Denn er wollte nicht, daß Ghana
unter dem Joch der Amerikaner steht, sondern ein freies Land ist, das
Beziehungen mit allen hat.
Er hatte auch das Ziel, daß alle Nationen Afrikas ihre Unabhängigkeit
erringen. „Wir werden nicht ruhen, bis ganz Afrika frei und vereint ist… Wir
müssen die Ketten des Kolonialismus brechen und eine Neue Weltordnung gründen,
die auf Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit ruht“, sagte er in seiner Rede
gegen den Kolonialismus und für die afrikanische Einigung vom 18. April
1961.
Den Kampf für die Freiheit beschreibt er in einer Rede über die
afrikanische Identität und Selbstbestimmung: „Wir müssen unsere eigene
Identität und unsere eigenen politischen und wirtschaftlichen Institutionen
bauen, die unseren Bedürfnissen und Bestrebungen entsprechen, und das gilt für
ganz Afrika. Ghana ist sehr stolz, das erste afrikanische Land zu sein, das
seine Unabhängigkeit errungen hat, aber Ghana wird nicht ruhen, bis alle
Nationen Afrikas ihre Freiheit erhalten.“ In einer Rede für Menschenrechte und
soziale Gerechtigkeit sagte Kwame Nkrumah am 10. Dezember 1963: „Unser Ziel
ist die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die
Abschaffung der Rassendiskriminierung und die Gleichheit Aller vor dem
Gesetz.“
„Wir werden unsere Fortschritte an der Verbesserung der Gesundheit unserer
Bevölkerung messen, nach der Anzahl der Kinder in den Schulen, an der Qualität
ihrer Ausbildung, und an der Verfügbarkeit von Wasser und Strom in unseren
Städten und Dörfern“, sagte er in der Rede vom 10. Juli 1962. Kwame Nkrumah
wollte, daß Ghana sich so entwickelt, wie die USA sich entwickelt haben, denn
er hatte die wirtschaftliche Entwicklung der USA als Vorbild für den
wirtschaftlichen Aufbau Afrikas.
Unterstützung für die Palästinenser
Wo wir hinkamen, kamen wir in Gesprächen mit Leuten. Die Medien dort
berichteten ausführlich von der Konferenz der Afrikanischen Union in
Äthiopien. Die Medienabdeckung war ganz anders als die, die wir in Dänemark
und im Westen haben. Die Begeisterung von Südafrikas Anklage an den
internationalen Gerichtshof gegen Israels Völkermord an die Palästinenser war
überall zu hören. Den Völkermord gegen Palästina nehmen die Leute in Ghana
sehr persönlich. Der westliche Kolonialismus ist mit den Schrecklichkeiten in
Gaza vor aller Welt entlarvt. Die Heuchelei des Westens ist bloßgestellt. Die
Aussage von Nelson Mandela, daß der Kolonialismus nur dann überwunden ist,
wenn auch Palästina seine Freiheit bekommt, ist eine lebendige Flamme in den
Herzen der Menschen in Ghana und dem globalen Süden. Der politische Kampf
gegen Kolonialismus und Ungerechtigkeit ist tief verbunden mit dem Schicksal
der Palästinenser. Die Worte von Nelson Mandela – „Wir wissen genau, daß
unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit der Palästinenser“ – sind
tief in den Herzen eingeprägt.
Dies ist ein Schimmer von dem, was sich im Globalen Süden rührt. Es gibt
kein Zurück mehr. Dies ist ein großer historischer Augenblick. Jetzt ist der
Zeitpunkt gekommen, endgültig die Ära des Kolonialismus zu beenden und eine
neue Weltordnung zu schaffen, die alle Nationen der Welt einbezieht. Eine neue
Weltordnung für Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung für alle
Menschen.