"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Ein Schimmer der Weltsicht vom globalen Süden

Feride Istogu-Gillesberg berichtet über ihre Eindrücke bei einem Besuch in Ghana

Während die Konferenz der Afrikanischen Union in Äthiopien stattfand, hatten meine Familie und ich die Möglichkeit, Ghana zu besuchen. Obwohl ein Teil der Pläne, die wir hatten, wegen eines Streiks der Professoren an den Universitäten nicht realisiert werden konnte, hatten wir die Möglichkeit, mit vielen Leuten zu sprechen und die breite politische Auffassung der Bevölkerung wahrzunehmen.

Wir waren in Accra, einer Stadt, die mit Smog bewölkt ist. Eine Großstadt mit modernen Gebäuden und Straßen, aber auch eine arme Stadt, mit nicht asphaltierten Wegen, die sehr staubig sind. Es war 32-34 Grad, und weil die Luft so staubig war, konnte die Sonne nicht durchdringen. Viele Leute verbrennen ihren Müll auf der Straße oder in deren Hof. Es gibt keine richtigen Fußgängerzonen, deshalb fährt man viel mit dem Auto herum.

An fast jeder Kreuzung waren Leute, die jemandem etwas verkaufen wollten, wie Wasser, Tücher, etwas zu essen und mehr. Die Arbeitslosigkeit ist enorm, und wenn man keine vernünftige Arbeit finden kann, enden viele als Straßenverkäufer, bis sie etwas Sinnvolleres bekommen. Trotz der Armut war da ein Selbstrespekt zu spüren. Die Menschen, vor allem die Frauen sind sehr schön und farbenreich gekleidet, was eine angenehme Würde ausstrahlt.

© Feride Istogu-Gillesberg

Die Osuburg wurde von Dänemark gebaut und diente als Stützpunkt für den Sklavenhandel.

Wir haben historische Sehenswürdigkeiten gesehen, wie die Osu-Burg, die in der Vergangenheit Christiansborg hieß, da Dänemark der Begründer dieser Burg war. Dies geht zurück auf eine finstere Vorgeschichte des dänischen Sklavenhandels in Ghana. Die Dänen haben in dieser Burg Sklavenhandel betrieben. Menschen wurden in Ketten gebunden in der Burg zusammengestellt. Die Sklaven wurden monatelang in kümmerlichen Verhältnissen, in Kammern eingesperrt. Je fünfzig Frauen und fünfzig Männer in einem Raum, etwa 12 m2, ohne sanitäre Einrichtungen, ordentliche Nahrung oder Zugang zu Tageslicht. Die Sklaven wurden in Intervallen von drei Monaten in Schiffen als Arbeitskraft nach den Ostindischen Inseln verschifft. Der Sklavenhandel wurde von Portugiesen und danach vom Britischen Empire übernommen. Mehr als 2 Millionen Menschen wurden als Sklaven verkauft und verschifft, wobei eine halbe Million auf den Schiffsreisen starb.

Wir hatten einen jungen Touristenführer, der uns erzählte, wie das alles abgelaufen ist. Er wollte, daß die Besucher nachvollziehen, was hier an Ungerechtigkeit passiert ist, um besser zu verstehen, was der Kolonialismus an Leiden und Schrecklichkeiten angestellt hat. Das haben die Menschen in Ghana nicht vergessen.

Er erzählte uns auch die Geschichte der Fahne von Ghana, der gelbe Streifen steht für Gold, denn Ghana ist reich an Gold und hieß unter dem Britischen Empire auch Goldküste. Die grüne Farbe steht für die Fruchtbarkeit der Natur und die rote Farbe für das Blutvergießen, das die Kolonialmächte angerichtet haben. Der Reiseführer erzählte stolz, von Ghanas Errungenschaft von der Unabhängigkeit Ghanas unter den ersten ghanaischen Premierminister Kwame Nkrumah, der Ghana als erstes afrikanisches Land in die Freiheit geführt und die Fessel des Britischen Empire zerschlagen hat. Das liegt nicht so lange zurück und ist lebendig im Bewußtsein der Bevölkerung.

Das Erbe Kwame Nkrumahs

Wir haben auch das Museum von Kwame Nkrumah, Ghanas erstem Premierminister und erstem Präsidenten, besucht. Er hat Ghana aus dem Kolonialismus des britischen Imperiums befreit und sein Land auf großen Freiheitsidealen gebaut.

© Feride Istogu-Gillesberg

Statue Kwame Nkrumahs, des ersten Premierministers und Präsidenten von Ghana

In dem Museum, das von einem Park umgeben ist, ist das Grab Kwame Nkrumahs und eine große Statue von ihm. Teil des Museums ist ein Gebäude mit einem länglichen Raum, der mit kurzen Zitaten aus verschiedenen Reden und mit Bildern von Kwame Nkrumah ausgestattet ist. Ghana wurde am 6. März 1957 unabhängig, und in seiner Antrittsrede betonte er, daß „wir weder nach Osten noch nach Westen, sondern nach vorne blicken“. Denn er wollte nicht, daß Ghana unter dem Joch der Amerikaner steht, sondern ein freies Land ist, das Beziehungen mit allen hat.

Er hatte auch das Ziel, daß alle Nationen Afrikas ihre Unabhängigkeit erringen. „Wir werden nicht ruhen, bis ganz Afrika frei und vereint ist… Wir müssen die Ketten des Kolonialismus brechen und eine Neue Weltordnung gründen, die auf Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit ruht“, sagte er in seiner Rede gegen den Kolonialismus und für die afrikanische Einigung vom 18. April 1961.

Den Kampf für die Freiheit beschreibt er in einer Rede über die afrikanische Identität und Selbstbestimmung: „Wir müssen unsere eigene Identität und unsere eigenen politischen und wirtschaftlichen Institutionen bauen, die unseren Bedürfnissen und Bestrebungen entsprechen, und das gilt für ganz Afrika. Ghana ist sehr stolz, das erste afrikanische Land zu sein, das seine Unabhängigkeit errungen hat, aber Ghana wird nicht ruhen, bis alle Nationen Afrikas ihre Freiheit erhalten.“ In einer Rede für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit sagte Kwame Nkrumah am 10. Dezember 1963: „Unser Ziel ist die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Abschaffung der Rassendiskriminierung und die Gleichheit Aller vor dem Gesetz.“

„Wir werden unsere Fortschritte an der Verbesserung der Gesundheit unserer Bevölkerung messen, nach der Anzahl der Kinder in den Schulen, an der Qualität ihrer Ausbildung, und an der Verfügbarkeit von Wasser und Strom in unseren Städten und Dörfern“, sagte er in der Rede vom 10. Juli 1962. Kwame Nkrumah wollte, daß Ghana sich so entwickelt, wie die USA sich entwickelt haben, denn er hatte die wirtschaftliche Entwicklung der USA als Vorbild für den wirtschaftlichen Aufbau Afrikas.

Unterstützung für die Palästinenser

Wo wir hinkamen, kamen wir in Gesprächen mit Leuten. Die Medien dort berichteten ausführlich von der Konferenz der Afrikanischen Union in Äthiopien. Die Medienabdeckung war ganz anders als die, die wir in Dänemark und im Westen haben. Die Begeisterung von Südafrikas Anklage an den internationalen Gerichtshof gegen Israels Völkermord an die Palästinenser war überall zu hören. Den Völkermord gegen Palästina nehmen die Leute in Ghana sehr persönlich. Der westliche Kolonialismus ist mit den Schrecklichkeiten in Gaza vor aller Welt entlarvt. Die Heuchelei des Westens ist bloßgestellt. Die Aussage von Nelson Mandela, daß der Kolonialismus nur dann überwunden ist, wenn auch Palästina seine Freiheit bekommt, ist eine lebendige Flamme in den Herzen der Menschen in Ghana und dem globalen Süden. Der politische Kampf gegen Kolonialismus und Ungerechtigkeit ist tief verbunden mit dem Schicksal der Palästinenser. Die Worte von Nelson Mandela – „Wir wissen genau, daß unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit der Palästinenser“ – sind tief in den Herzen eingeprägt.

Dies ist ein Schimmer von dem, was sich im Globalen Süden rührt. Es gibt kein Zurück mehr. Dies ist ein großer historischer Augenblick. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, endgültig die Ära des Kolonialismus zu beenden und eine neue Weltordnung zu schaffen, die alle Nationen der Welt einbezieht. Eine neue Weltordnung für Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung für alle Menschen.