„Das Recht auf Entwicklung muß im Mittelpunkt der Politik stehen“
Von Cyril Ramaphosa,
Präsident der Republik Südafrika
Auszüge aus der Rede des südafrikanischen Präsidenten
Cyril Ramaphosa am 23. September 2025 vor der Vollversammlung der Vereinten
Nationen; Übersetzung aus dem Englischen, Zwischentitel wurden hinzugefügt.
(…) Vor 80 Jahren wurden die Vereinten Nationen gegründet, um künftige
Generationen vor den Schrecken des Krieges zu bewahren und um eine friedliche,
prosperierende und gerechte Welt aufzubauen, die sich aus den Verheerungen des
globalen Konflikts erhebt. Mit der Charta der Vereinten Nationen haben sich die
Nationen der Welt verpflichtet, Frieden, Entwicklung und Menschenrechte auf der
Grundlage des Völkerrechts zu wahren. Mehr denn je sind wir heute aufgefordert,
die Werte der Vereinten Nationen hochzuhalten und ihre Ziele voranzutreiben. Wir
sind aufgefordert, die Zusammenarbeit und Solidarität zwischen den Nationen zu
fördern. Wir sind aufgefordert, den Multilateralismus zu fördern und die
Institutionen, die ihn ermöglichen, zu schützen.
Südafrikas Engagement auf internationaler Ebene spiegelt unsere
innenpolitischen Ziele wider, nämlich die Beseitigung der Armut, die
Verringerung der Arbeitslosigkeit und die Bekämpfung der Ursachen von
Ungleichheit. Unsere Außenpolitik orientiert sich nicht nur an den Bedürfnissen
unseres Volkes, sondern auch an denen des afrikanischen Kontinents und des
Globalen Südens. Inspiriert von unserer eigenen Geschichte bemüht sich Südafrika
um die Wahrung des Weltfriedens und die Beilegung aller internationalen
Streitigkeiten durch Verhandlungen und Dialog statt durch Krieg. Wir begrüßen
daher die starke Partnerschaft zwischen der Afrikanischen Union und den
Vereinten Nationen bei der Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität auf
dem afrikanischen Kontinent.
In diesem Jahr hat Südafrika die Ehre, den Vorsitz der G20 zu übernehmen. Es
ist das erste Mal, daß der G20-Gipfel auf dem afrikanischen Kontinent, der Wiege
der Menschheit, stattfindet. Südafrikas Vorsitz in der G20 steht unter dem Motto
„Solidarität, Gleichheit und Nachhaltigkeit”.
Entwicklungsziele finanzieren
Als Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben wir die Ziele für
nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Viele dieser Ziele bleiben schwer zu
erreichen. Es gibt viele Gründe, die viele Länder daran hindern, diese
Entwicklungsziele zu erreichen und umzusetzen.
Einer dieser Gründe ist der Mangel an ausreichenden finanziellen Mitteln.
Viele Länder mit sich entwickelnden Volkswirtschaften, insbesondere in Afrika,
verfügen nicht über ausreichend Kapital, um ihre Entwicklungsziele zu
finanzieren. Sie sind verschuldet und zahlen für den Schuldendienst mehr als für
Gesundheit und Bildung. Doch durch globale Solidarität und fairere
Kreditvergaberegeln, insbesondere für etliche Länder des Globalen Südens, können
wir unser gemeinsames Ziel erreichen.
Im Rahmen des G20-Prozesses arbeiten wir auf einen Konsens darüber hin, wie
dieses Problem angegangen werden kann, einschließlich der Reform internationaler
Finanzinstitutionen, insbesondere multilateraler Entwicklungsbanken, um globale
Herausforderungen besser bewältigen zu können. Das multilaterale Handelssystem
muß reformiert werden, indem wir erneut bestätigen, daß die
Welthandelsorganisation die einzige multilaterale Einrichtung bleibt, die in der
Lage ist, Differenzen zu bewältigen und Positionen im globalen Handel zu
koordinieren. Der Handel ist eines der wichtigsten Instrumente, um inländische
Ressourcen für die Entwicklung zu mobilisieren. Es ist besorgniserregend, daß
geopolitische Schocks und eine beispiellose Volatilität der Handelspolitik die
Weltwirtschaft destabilisieren und eine wichtige Quelle der
Entwicklungsfinanzierung gefährden.
Wir müssen unsere Anstrengungen zur Stärkung des Zusammenhangs zwischen
Handel und Entwicklung verdoppeln. Einseitige Handelspraktiken und
wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen haben negative Auswirkungen auf viele Länder.
Dazu gehört auch das Wirtschaftsembargo gegen Kuba, das der Wirtschaft des
Landes im Laufe der Jahre unermeßlichen Schaden zugefügt hat. Dieses unfaire
Embargo muß aufgehoben werden.
Inmitten der globalen Handelsunsicherheit liefert der afrikanische Kontinent
ein pragmatisches Beispiel für konstruktive Zusammenarbeit, indem er die
Afrikanische Kontinentale Freihandelszone als Motor für nachhaltiges Wachstum
und Entwicklung nutzt. Mit entsprechendem Engagement wird dies zum zentralen
Pfeiler der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration unseres Kontinents
werden.
Im Rahmen der Bemühungen um den Aufbau integrativerer Volkswirtschaften hat
die südafrikanische G20-Präsidentschaft einen Sonderausschuß unabhängiger
Experten für globale Vermögensungleichheit ins Leben gerufen. Dieser Ausschuß
unter dem Vorsitz von Professor Joseph Stiglitz, einem Nobelpreisträger, wird
den Staats- und Regierungschefs der G20 den ersten Bericht über globale
Ungleichheit vorlegen…
Soziale Infrastruktur statt Waffen
Der Generalsekretär berichtete kürzlich, daß die weltweiten Militärausgaben
historische Höchststände erreicht haben, während die Welt bei der Erfüllung
ihrer zentralen Entwicklungsversprechen hinterherhinkt. Wir bauen Waffen, obwohl
wir soziale Infrastruktur aufbauen sollten. Wir führen Kriege, die Tod und
Zerstörung verursachen, obwohl wir die Armut bekämpfen und die Lebensgrundlagen
schutzbedürftiger Menschen verbessern sollten. Wir müssen entschlossen handeln,
um alle Waffen überall zum Schweigen zu bringen und das Ziel der nachhaltigen
Entwicklung und des weltweiten Friedens zu verwirklichen…
Das Recht auf Entwicklung muß im Mittelpunkt der Politik und der operativen
Aktivitäten der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen, Programme und
Fonds stehen. Es muß im Mittelpunkt der Politik und Strategien der
internationalen Finanzsysteme und multilateralen Handelssysteme stehen.
Wenn wir das 80jährige Bestehen der Vereinten Nationen feiern, müssen wir die
Gelegenheit nutzen, um eine bessere UNO für die nächsten 80 Jahre aufzubauen.
Was wir jetzt brauchen, ist eine stärkere und leistungsfähigere Organisation der
Vereinten Nationen, die auf einem erneuerten Bekenntnis zu ihren
Gründungsprinzipien basiert. Wir müssen die Verhandlungen über die Reform des
Sicherheitsrats im Rahmen der zwischenstaatlichen Verhandlungen in der
Vollversammlung neu beleben, unter anderem durch die Aufnahme von Verhandlungen
auf der Grundlage von Textentwürfen. Der Sicherheitsrat muß bei der Erfüllung
seines Mandats rechenschaftspflichtiger, repräsentativer, demokratischer und
effektiver sein.
Wir freuen uns darauf, mit dem Generalsekretär im Rahmen der UN80-Initiative
zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, daß unsere Organisation effektiver und
effizienter arbeitet. Die von den Mitgliedstaaten erteilten Mandate müssen
umgesetzt werden, und die notwendigen strukturellen Veränderungen und
programmatischen Neuausrichtungen müssen im gesamten UN-System durchgeführt
werden.
Angesichts der Kürzung der Mittel für die Vereinten Nationen zur Erfüllung
ihres Mandats ist die UN80-Initiative wichtig, um die Integrität des
multilateralen Systems zu wahren und das Völkerrecht aufrechtzuerhalten.
Abschließend möchte ich daran erinnern, daß unsere gemeinsame Mitgliedschaft
in den Vereinten Nationen Ausdruck unserer gemeinsamen Menschlichkeit in Aktion
ist. Das 80jährige Bestehen der Vereinten Nationen zwingt uns, über unsere
gemeinsamen Errungenschaften nachzudenken und einen Weg für den Aufbau einer
Organisation zu finden, die in der Lage ist, unsere gemeinsamen
Herausforderungen zu bewältigen. Wir müssen uns der Situation stellen und
gemeinsam unser Möglichstes tun, um die politische, wirtschaftliche und soziale
Freiheit der gesamten Menschheit zu gewährleisten. Wir müssen bekräftigen, daß
Freiheit unteilbar ist und daß die Verweigerung der Rechte eines einzelnen die
Freiheit von uns allen einschränkt. Wir müssen die gleiche Würde und den
gleichen Wert jedes Menschen bekräftigen und dürfen daher niemanden
zurücklassen.
Ich danke Ihnen.