Der Lebenswille
Das folgende Flugblatt der Bürgerrechtsbewegung Solidarität wendet sich
insbesondere an Migranten und andere Menschen mit Beziehungen zu den
Maghreb-Staaten und zur arabischen Welt.
Wenn das Volk eines Tages das Leben will,
dann ist es unausweichlich, daß das Schicksal darauf antwortet,
dann ist es unausweichlich, daß sich die Nacht erhellt,
und es ist unumgänglich, daß die Fesseln zerbrechen.
Und er, der die Liebe des Lebens nicht umschlingt,
wird in ihrem Äther verdampfen und vergehen.
- Abul Qasim Al-Shabi (1909-1934), Tunesischer Dichter
Südwestasien und Nordafrika stehen vor einer
kritischen, instabilen Zeit, die die ganze Region in somalische Verhältnisse
hineinreißen und einen globalen Konflikt herbeiführen könnte. Was in der ganzen
Diskussion fehlt, ist ein Verständnis des Zusammenhangs von vierzigjährigem
wirtschaftlichen Zusammenbruchsprozeß und Massenstreik, und daher fehlt auch
ein Verständnis der Lösung für die Wirtschaftkrise.
Die Anführer des gescheiterten
transatlantischen Imperiums stehen dieser Realität vollkommen blind gegenüber
und wiegen sich in der Illusion, daß Rettungspakete für die Banken die
Finanzkrise in Europa und den USA beheben könnten, daß der Massenstreik ein nur
auf Südwestasien und Nordafrika beschränktes Phänomen sei, wo unterdrückerische
Regime das Problem darstellen, die nun ersetzt werden müßten. Der revolutionäre
Geist wird durch bewaffnete Konflikte verdrängt, und die historische
Gelegenheit für eine wirkliche Veränderung des Charakters und der Ausrichtung
der Völkergemeinschaft wird verpaßt.
Der Zusammenhang zwischen vierzig Jahren
Globalisierung und dem Massenstreik, der derzeit die ganze arabische Welt, aber
auch den Globus insgesamt erfaßt, wird wenig oder gar nicht verstanden, wenn
wir uns nicht mit dem auslösenden Moment dieses Prozesses auseinandersetzen.
Wenn wir uns nicht die Frage stellen, ob unser
Schicksal von unserem Willen abhängt, wie es Al-Shabi beschreibt, dann werden
wir zu Sklaven dieses Systems verdammt sein.
Für die Völker dieses revoltierenden Teiles
der Welt und die Welt als ganze gibt es nichts, zu dem sie zurückkehren
könnten. Sie schreiten voran und wollen ihre Zukunft gestalten.
Der Massenstreikprozeß ist das Ergebnis der
letzten vierzig Jahre, von 2011 rückwärts bis zum Jahre 1971, als das Bretton-Woods-System
kollabierte und das System der Globalisierung begann.
Wenn wir noch weiter zurückblicken, auf das
Ende des Zweiten Weltkriegs, und von dort über 1971 wieder zurück bis heute,
erkennen wir einen Prozeß, in dem die Länder Afrikas, Asiens und des Nahen
Ostens versuchten, sich von der kolonialen Tyrannei zu befreien und zu
souveränen Nationen zu werden. Dieser Kampf tobt noch immer, angefangen mit der
tunesischen Revolution bis hin zu den jüngsten Aufständen andernorts. Diese
Länder der Dritten Welt mußten mit ansehen, wie ein Anführer nach dem anderen
umgebracht wurde: Patrice Lumumba, Ben Barka, Thomas Sankara, bis hin zu Indira Gandhi.
Von dieser Zeit an bis zur Wiedergeburt der
Globalisierung nach dem Fall der Mauer in Berlin 1990 und weitergehend bis
heute, beobachten wir eine finanzielle Hegemonie und Kontrolle über die Welt,
die in der Finanzkrise 2007 gipfelte und explodierte. Dieses System ist das
britische System.
„Dieser britische Imperialismus, der den
transatlantischen Teil der Welt heute dominiert, ist die vierte Inkarnation des
Systems des römischen Imperialismus… Die zweite Phase des römischen Imperiums
war Byzanz. Die dritte Phase war das venezianisch-normannische System, das in
dem finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts zusammenbrach. Die vierte Phase
ist auch als die imperiale Herrschaft der Neuen Venezianischen Partei bekannt,
die von den Erben Wilhelms von Oranien geführt wurde, ein Modell, das als das
internationale monetaristische System des britischen Imperiums noch heute
bekannt ist.“1
Durch Kriege und Demütigung der Dritten Welt -
aber auch Deutschlands und anderer Länder - wurde dieses System erhalten. Wenn
wir den Massenstreik von diesem Gesichtspunkt aus betrachten, können wir
erkennen, daß er nicht auf ein, zwei oder selbst drei Faktoren begrenzt ist,
denn er kommt als Reaktion auf die angehäufte Unterdrückung aus der
Vergangenheit - nicht über Jahrzehnte, sondern über Jahrhunderte. Reagiert wird
auf eine imperiale Dynamik, die es diesen Menschen nicht erlaubt hat, sich zu entwickeln.
Nun fangen die Menschen an, sich die großen
Fragen zu stellen - wie ihre Zukunft aussehen soll, aber auch, was ihre
Geschichte war. Das ist kein Ergebnis von zwei bis drei Jahren, und auch nicht
von hundert Jahren; wir müssen längere Zeitrahmen ins Auge fassen und die
epische Kontinuität eines Volkes, einer Nation erkennen, um diesen Massenstreik
zu verstehen. Sehen können wir ihn überall, in Irland, in Griechenland, und
selbst in Amerika.
Da sich die Menschen die großen Fragen
stellen, müssen wir nun die Sofortmaßnahmen für einen wirtschaftlichen
Aufschwung für jede Nation darstellen.
Mit einem internationalen
Glass-Steagall-Trennbankensystem und staatlicher Kreditschöpfung für große
Infrastrukturprogramme können wir Kernkraft und Raumfahrt voll nutzen, um
Katastrophen zu verhindern und die Welt zu entwickeln, wie unser Schöpfer es
von uns erwartet. Ein internationales Kreditsystem würde die Kreditvergabe an
Länder ermöglichen, wo Pläne für große Strom- und Wasserprojekte fertig in den
Schubladen liegen. In Afrika sind das das TransAqua-Projekt,2 das
Qattara-Projekt in Ägypten und die Blaue Revolution in Tunesien. Es sind nicht
nur Projekte, sondern politische Maßnahmen, die zur Umsetzung bereit stehen.
„Da der Mensch die einzige bekannte lebende
Spezies ist, die willentlich Kreativität zum Ausdruck bringt, bekundet er damit
eine Natur, die ein Ebenbild des Schöpfers ist; er ist daher kein bloßes Tier.
Das Böse ist demzufolge die Dummheit, die sich in der Unterdrückung des
kreativen Ausdrucks der menschlichen Natur äußert.“3
Anmerkungen
1. Lyndon LaRouche.
2. Über TransAqua und die anderen erwähnten
Projekte informiert ein Video zur Afrikapolitik der BüSo, das Sie im Internet
unter www.bueso.de/node/9711 finden.
3. Lyndon LaRouche.