Entwicklung des Kontinents mit Blick auf die Sterne
Von Marsha Freeman
Weltraumforschung. Südafrika, wo in diesem Jahr der Jahreskongreß der
Internationalen Astronautischen Föderation stattfand, setzt bei der Entwicklung
des Landes stark auf den Einsatz von Weltraum-Technologien.
Südafrika ist ein Land dramatischer Kontraste. Es beheimatet
das modernste Radio-Teleskop der südlichen Hemisphäre, kämpft aber gleichzeitig
damit, die Folgen der 400 Jahre langen Unterwerfung der großen Mehrheit seiner
Bevölkerung durch zwei europäische Imperien und der fast 35 Jahre währenden -
durch die Politik der Apartheid erzwungenen - Rassentrennung zu überwinden. Es
ist das einzige Land Afrikas, das ein Kernkraftwerk betreibt, aber gleichzeitig
haben 55% der ländlichen Bevölkerung - insgesamt mehr als 12,5 Mio. Menschen -
keinen Anschluß an das Elektrizitätsnetz. Es ist die weltweit führende Nation
bei der Produktion radioaktiver Isotope, die für moderne medizinische Diagnose-
und Behandlungsverfahren benötigt werden, während Millionen farbiger
Südafrikaner in „informellen Siedlungen“ in Blechhütten ohne Strom und
fließendes Wasser hausen.
Rund ein Viertel der 50 Millionen Südafrikaner sind
arbeitslos, bei den schwarzen Jugendlichen ist der Anteil doppelt so hoch. Auch
nach dem Ende der Apartheidpolitik der weißen Regierung in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts fließt fünfmal soviel Geld in die Bildung der Weißen als
in die der Schwarzen, und obwohl die Regierung 18% der Mittel des
Staatshaushalts in Bildung investiert, wird es wohl mindestens eine ganze
Generation dauern, bis diese Benachteiligung ausgeglichen ist.
1994 stand die erste demokratisch gewählte Regierung vor
fast unüberwindlichen Herausforderungen, während Tausende von gut ausgebildeten
Weißen das Land verließen, die wertvolle Beiträge zum Aufbau des Landes hätten
leisten können. Nelson Mandelas Politik, daß man Versöhnung üben müsse, und
nicht Vergeltung, bewahrte das Land vermutlich vor einem Bürgerkrieg, als das
Apartheid-Regime abtrat.
Südafrikas Regierung ist entschlossen, die 80% der
Bevölkerung aus der faktischen Sklaverei, in der sie seit der
Kolonialherrschaft lebten, herauszuheben. Sie hat versprochen, den Anteil der
Lese- und Schreibfähigen von derzeit 82% weiter zu steigern, die „informellen
Siedlungen“ durch anständige Wohnungen mit grundlegender Infrastruktur zu
ersetzen und bis 2020 fünf Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Aber auch mit seinem großen Reichtum an Mineralien und
Rohstoffen ist Südafrika nicht gegen den Zusammenbruch des weltweiten
Finanzsystems gefeit, der den Welthandel - und damit Südafrikas Exporte - zum
Stillstand zu bringen droht. Im vergangenen Jahr verlor das Land 53.000
Arbeitsplätze in der Industrie, und für dieses Jahr wird ein Rückgang des
Wirtschaftswachstums um 3% erwartet. Aber um die benötigten Arbeitsplätze zu
schaffen, sind mindestens 7% jährliches Wachstum notwendig.
Außerdem befindet sich Südafrika mit all diesen
Herausforderungen in einer Umgebung, aus der viele Menschen, die unter Dürre,
Hunger und Bürgerkrieg leiden, aufgrund der südafrikanischen „Politik der
offenen Tür“ ins Land strömen. Diese Neuankömmlinge füllen die „informellen
Siedlungen“ immer wieder auf, während die Regierung versucht, die Bevölkerung
in bessere Unterkünfte umzusiedeln, sodaß es schwierig ist, die geplanten
Fortschritte zu erreichen.
Orientierung auf die Wissenschaft
Aber das demokratische Südafrika hat auch ein
wissenschaftliches und technologisches Erbe, das dazu eingesetzt wird, die
Nation und Afrika voranzubringen. Auch wenn die Regierung ihre Investitionen
auf Wohnungsbau, Bildung, Verkehr, Energie, Gesundheitssystem und die übrige
grundlegende Infrastruktur konzentriert, ist sie entschlossen, alle verfügbaren
Mittel dafür einzusetzen, den Fortschritt zu beschleunigen. Dabei legt sie
außergewöhnliches Gewicht auf den Einsatz der Ressourcen für Wissenschaft,
Bildung und Entwicklung.
Vor 1994 betrieb das Militär Programme zur Entwicklung
modernster Technologien in der Weltraum- und Raketentechnik sowie im
Nuklearsektor. Die vom Afrikanischen Nationalkongreß geführte Regierung stellte
diese Programme nach 1994 zunächst ein. Heute legt sie, nicht zuletzt auf
Betreiben der wissenschaftlichen Kreise im Land, großes Gewicht darauf, die in
diesem Bereich vorhandenen Fachkräfte durch nationale Wissenschafts- und
Technologieprogramme zu nutzen, um damit den Sprung in die Zukunft zu
ermöglichen und zu schaffen.
Die Fortschritte, die Südafrika in dieser Hinsicht gemacht
hat, hatten zur Folge, daß es als Gastgeber des Jahreskongresses der
hochangesehenen Internationalen Astronautischen Föderation ausgewählt wurde,
der vom 3.-7. Oktober in Kapstadt stattfand und an dem die Verfasserin teilnahm.
1999 schickte Südafrika als erstes afrikanisches Land einen
64 kg schweren Mikrosatelliten in eine Erdumlaufbahn. SunSat wurde von
den Mitarbeitern und Studenten der Abteilung für Elektroingenieurwesen an der
Universität von Stellenbosch entwickelt, gebaut und gesteuert. Gestartet wurde
der Satellit von den Vereinigten Staaten.
Südafrika hat auch, unter Nutzung der Daten ausländischer
Satelliten, die Fähigkeit entwickelt, Erdbeobachtungsdaten zu interpretieren
und zu nutzen. So begann beispielsweise das Erdobservatorium des
Satelliten-Anwendungs-Zentrums (heute Südafrikas Nationale Weltraumbehörde
SANSA), Satellitendaten zu nutzen, um die Entwicklung der „informellen
Siedlungen“ zu dokumentieren. Durch den Vergleich der Fertigstellung neuer
Wohnsiedlungen mit dem Wachstum der „informellen“ Siedlungen ist die Regierung
in der Lage, den Bedarf genauer zu beobachten und einzuschätzen.
Aufbauend auf den Erfahrungen und Fähigkeiten des Landes und
im Bewußtsein des Wertes der von den Afrikanern selbst entwickelten und
betriebenen Erderkundungssatelliten beauftragte die Regierung die Firma
SunSpace - ein Unternehmen, das von der Universität gegründet wurde - den
Prototypen eines größeren Erderkundungssatelliten mit der Bezeichnung Sumbandila
- „Wegweiser“ - zu entwickeln. Dieser 26 Mio. Rand (2,3 Mio. Euro) teure
Satellit wurde 2009 gestartet und liefert seit zwei Jahren Satellitenbilder der Erde.
Als nächster Schritt soll, wie Dr. Sandile Malinga, der neue
Chef der SANSA, berichtete, Sumbandila-2 sein, dessen Kosten auf 400
Mio. Rand (36 Mio. Euro) geschätzt werden. Dieser Satellit soll dann nicht für
sich allein betrieben werden, sondern als Teil der Afrikanischen
Ressourcen-Verwaltungs-Konstellation (African Resource Management
Constellation, ARMC), durch die die Satelliten-Erfassung des gesamten
afrikanischen Kontinents stark verbessert werden soll.
Das Ziel der Satelliten-Projekte Südafrikas und anderer
afrikanischer Nationen ist es, ihre Abhängigkeit von den Satellitenbildern und
-technologien anderer Nationen zu verringern und stattdessen eigene Kapazitäten
zu entwickeln. Wie bei dem Kongreß gesagt wurde, kostet es Zehntausende von
Dollars, bloß einige Bilder des eigenen Landes einzukaufen. Und diese Dollars
summieren sich zu einem wachsenden Handelsdefizit im Hochtechnologiebereich
zwischen Südafrika und den Weltraumnationen, die solche Bilder anbieten.
Die südafrikanische Regierung erwägt auch die
Wiederinbetriebnahme der Raketentest- und -startanlage am Versuchsgelände
Overberg, die in den achtziger Jahren geschaffen wurde, um Erderkundungs- und
Überwachungssatelliten für das Militär zu starten. Durch dieses Programm entstanden
auch Einrichtungen zur Montage und Erprobung von Satelliten, sowie einige
industrielle Anlagen, die jetzt für das zivile Raumfahrtprogramm genutzt
werden. Die Raketenstartanlage auf dem Overberg-Gelände wäre die erste auf dem
afrikanischen Kontinent.
Blick zum Südhimmel
Ein alter Witz besagt, Gott habe alle Astronomen in die
nördliche Hemisphäre gesetzt, und alle interessanten Himmelsobjekte in die
südliche. Nun, nicht alle Astronomen!
Schon vor Hunderten von Jahren war es von großer praktischer
Bedeutung, den Südhimmel zu kennen und zu beobachten, als die großen Entdecker
um das Kap der guten Hoffnung segelten, um einen Seeweg nach Osten zu finden.
Schon im 16. Jahrhundert wurden Messungen des Erdmagnetfelds vorgenommen, um
die Schiffahrt zu unterstützen. Dabei war die Region Südafrikas besonders
interessant aufgrund der südatlantischen Anomalie, einer Region, in der das
Magnetfeld der Erde besonders schwach ist.
Die Beteiligung am Internationalen Polaren Jahr 1932-33
führte zur Gründung eines Magnet-Observatoriums an der Universität Kapstadt.
Dieses Observatorium wurde später nach Hermanus verlegt, wo es noch heute
arbeitet. Es gilt als Teil eines internationalen Netzwerks geomagnetischer
Einrichtungen, das die Wechselwirkungen zwischen der Sonne und der Erde
beobachtet. Kürzlich nahm auch die Operationszentrale für das Weltraumwetter
ihre Arbeit auf, um Instrumente zur Warnung vor magnetischen Stürmen zu
entwickeln.
Schon früh erkannte man, daß ein astronomisches
Observatorium auf der Südhalbkugel der Erde Teile des Kosmos zeigen würde, die
ein großer Teil der Astronomen der Welt noch nie gesehen hatte. In den 1920er
Jahren schufen die Briten das Königliche Observatorium am Kap der guten
Hoffnung, das immer wieder von weltweit bekannten Astronomen besucht wurde.
1972 wurden die Teleskope des Hauptobservatoriums in der
trockenen Karoo-Region Südafrikas mit den Observatorien in Johannesburg und
Pretoria zum Südafrikanischen Astronomischen Observatorium (SAAO)
zusammengeschlossen. Das SAAO ist das nationale Zentrum Südafrikas für die
optische und Infrarot-Astronomie.
Das größte optische Teleskop der Südhalbkugel ist das 2005
fertiggestellte Große Südafrikanische Teleskop (SALT). Südafrika ist der größte
Anteilshalter des internationalen Konsortiums, das dieses Teleskop errichtet
hat, und etwa 70% des SALT wurden in Südafrika gebaut.
2003 beschloß die Regierung, ermutigt durch den Erfolg mit
dem Bau des SALT, einen gigantischen weiteren Schritt zu machen und meldete ihr
Interesse an, das Quadratkilometer-Array (SKA) in Südafrika anzusiedeln, das
nach seiner Fertigstellung 2024 das größte und genaueste Radioteleskop der Welt
sein wird. Weitere Bewerber sind Australien und Neuseeland; über die Vergabe
des Projektes wird im kommenden Frühjahr entschieden.
Wissenschaftler und Ingenieure, die in Südafrika arbeiten,
suchen seit Beginn des Weltraum-Zeitalters nach Radiosignalen aus dem Weltraum.
1961 baute die NASA eine Antenne für Radiowellen in Hartebeesthoek, etwa 50 km
westlich von Johannesburg, um Signale der frühesten Mond- und Planetensonden zu
empfangen. Nachdem die NASA diese Station 1974 schloß, wurde aus der
Einrichtung das Nationale Radioastronomische Observatorium Hartebeesthoek
(HartRAO). Neben Untersuchungen des Weltraums werden von dort auch Satelliten gesteuert,
die mit Hilfe präziser Laservermessungen die Drift der Kontinente beobachten.
Um jene hochmodernen Technologien zu entwickeln, die
notwendig sind, um die 3000 Antennen des Quadratkilometer-Arrays mit einer
Gesamtsammelfläche von 1 km2 zu bauen, zu betreiben und zu
koordinieren, die über Entfernungen bis zu 1000 km verteilt sein werden, hat
die Regierung ein Vorläufer-Programm gestartet, das jetzt Früchte trägt.
Das Karoo Array-Teleskop (MeerKAT) wird aus 64
Radio-Empfangsantennen bestehen, wenn es in den kommenden Jahren fertiggestellt
sein wird. Es wird erst ab 2016 der Forschung dienen können, aber schon jetzt
sind mehr als 500 Stunden seiner künftigen Einsatzzeit für führende
Wissenschaftler in Südafrika und der übrigen Welt reserviert. Der erste
Prototyp einer solchen Antenne wurde 2007 am HartRAO gebaut und getestet, die
ersten sieben Antennen (KAT-7) für den eigentlichen Einsatz werden derzeit
geprüft und sollen bis Ende des Jahres in Karoo in Betrieb genommen werden.
Unabhängig davon, ob Südafrika und seine acht Partnerländer in Afrika den
Zuschlag für das SKA erhalten werden, wird MeerKAT der Radioastronomie in den
kommenden Jahrzehnten hervorragende Dienste leisten können.
Überwindung des Afro-Pessimismus
Einen der wichtigsten Gründe, warum Südafrikas Regierung der
Förderung des Fortschritts und der Leistungen des Landes in den
Weltraumwissenschaften eine so prominente Rolle einräumt, erklärte Dr. Mandega
bei der Weltraum-Konferenz in Kapstadt. Die praktischen Anwendungen der
Weltraumtechnologien für Landwirtschaft, Kommunikation, Fernunterricht,
Wettervorhersage, Gesundheitswesen, den Umgang mit Naturkatastrophen,
Infrastrukturplanung etc. werde es Südafrika erlauben, den Zeitrahmen für seine
wirtschaftliche Entwicklung stark zu komprimieren. Vor allem aber rechtfertige
die Wissenschaft, die Dr. Malinga als „Vorstellungskraft und Wunder“
bezeichnete, die Ausgaben der Regierung für solche Projekte wie das SKA.
In einem Interview mit EIR erklärte Südafrikas
Ministerin für Wissenschaft und Technologie, Niladi Pandor, es sei notwendig,
voranzuschreiten und den „Afro-Pessimismus“ zu überwinden. Das ist die Absicht
der südafrikanischen Regierung, aber die voranschreitende globale Finanzkrise
und der Kollaps der europäischen und amerikanischen Volkswirtschaften werde
dies verhindern. Aber wenn Amerika „wieder das Land wird, das uns inspiriert“,
so Pandor, dann wird Südafrika in der Lage sein, etwas zu einer neuen Allianz
von Nationen auf der Grundlage großer weltweiter Wirtschaftsprojekte beizutragen
und davon zu profitieren. Südafrika wird dann eine entscheidende Rolle bei der
Entwicklung des übrigen Afrika spielen können.