Afrika: der moralische Test für den Werdegang Europas
Von Stephan Hochstein
Stephan Hochstein beschreibt am Beispiel der Demokratischen
Republik Kongo, wie ein Programm zur Industrialisierung Afrikas und zur
Re-Industrialisierung der früheren Industrienationen angegangen werden muß.
Angesichts der heutigen weltweiten Wirtschaftlage und der zunehmenden
sichtbaren Zerstörung der Realwirtschaft und des Lebensstandards stellt sich die
Frage des Überlebens der Gesellschaft nicht mehr nur für Afrika, sondern auch
immer mehr für Europa.
Um diese Krise zu lösen, reicht es nicht, wenn jede Nation nur auf den
eigenen schrumpfenden Eßteller schaut und untersucht, was ihr noch zum Verteilen
bleibt. Das Wohl aller muß in den Fokus gerückt werden und mit dem Prinzip der
Nächstenliebe und dem Verständnis des Wesens des Menschen wiedergewonnen werden.
Wir können unsere bisherigen verfehlten Grundannahmen von Wirtschaft beenden und
die Weiterentwicklung der menschlichen Gattung nach langer Zeit wieder in den
Mittelpunkt rücken.
Was ist der Unterschied zwischen unserem heutigen Denken und dem Konzept in
den sechziger Jahren, „Frieden durch Entwicklung”? Was war der Unterschied in
der Geisteshaltung, als die Bekämpfung der Armut Vorrang hatte vor dem
Geldgewinn?
Kann denn der „Wohlstand einer Nation“ wirklich monetär gemessen werden, oder
steckt er im Wert der Menschen?
Um diesen Wert wieder zu steigern, ist eine langfristige, gerichtete
Entwicklung einer Gesellschaft notwendig. Der Wirtschaftprozeß muß wieder nach
dem Guten streben, und wir müssen wissen, wo wir als Menschheit eigentlich hin
wollen, so daß jeder seine Aufgabe versteht. In diesem zielgerichteten Prozeß
bekommen Gegenstände und Produktionsprozesse erst einen physischen Wert. Wir
können also bestimmen, was für uns wertvoll wird.
Doch was sind unsere heutigen Ideen? Wer weiß, wie man den Welthunger
bekämpfen kann, oder unter welchen Bedingungen die nächsten drei Generationen
existieren sollen? Fragen, die man früher selbstverständlich gestellt hat.
Um den zukünftigen Werdegang der menschlichen Evolution zu bestimmen und zu
verstehen, müssen wir unsere historische Entwicklung kennen und vor allem den
Prozeß unserer geistigen und kulturellen Entwicklung. Die geistige Evolution der
Menschheit jedoch kann nur im Gesamtbild der Evolution der Biosphäre und ihrer
Einwirkung auf die Evolution der unbelebten Natur verstanden werden. Was wäre
der Mensch ohne seine Rohstoffe, und in welcher Entwicklungsstufe werden sie als
solche überhaupt erkannt? Nur in diesem eingebetteten Verständnis sind bestimmte
heutige Ereignisse verstehbar und kann der Fortbestand der Menschen organisiert
werden.
Die größte Stärke der Menschheit hierbei ist ihr schöpferischer Geist und die
Fähigkeit der Einsicht in bestimmte physische Prozesse. Wir können mit diesem
Verständnis neue Zustände schaffen und uns von den Fesseln unserer natürlichen
Umgebung loslösen. Wir brauchen uns nicht an die materiellen natürlichen
Gegebenheiten anzupassen, sondern wir können unsere Weiterentwicklung und die
Bedingungen des menschlichen Lebens selbst definieren. Dafür müssen wir uns aus
dem Gefängnis der Sinneswahrnehmungen befreien, daß nicht mehr die Natur unsere
Rahmenbedingungen des Fortbestandes setzt, sondern unser Geist. Dieser drückt
sich in einem Vorstellungsvermögen aus, der zukünftige Ereignisse künstlich
schafft, die sich mit dem gegenwärtigen Denken nicht vereinbaren lassen.
Als bestes Beispiel für die Anwendung der wissenschaftlichen Denkdurchbrüche
kann hier Albert Einsteins Relativitätstheorie angeführt werden, die es uns
heute z.B. ermöglicht, mit Hilfe des GPS zu navigieren.
Dieses Vorstellungsvermögen ist die Grundvoraussetzung für das Voranschreiten
und das damit verbundene Überleben der Menschheit.
Afrika
Muß ein Großteil der Afrikaner wirklich für immer arm bleiben, und sollen
sich ihre Länder allein auf den Rohstoffexport beschränken?
Sind die Afrikaner wirklich glücklicher, wenn sie den ganzen Tag auf dem Feld
stehen und nicht zur Schule gehen können?
Eine Gesellschaft, sowie jede gesunde wachsende Wirtschaft darf nämlich
niemals unter dem falschen Selbstverständnis einer abgeschlossenen
Vollständigkeit betrachtet werden, die aus der fehlenden Vorstellungskraft und
vorgefaßten Annahmen herrührt.
Wenn wir uns einmal überlegen, welchem Entwicklungsprozeß die einfachsten und
maßgeblichen Grundbausteine unseres täglichen Bedarfs und unsere Rohstoffe
entspringen, mögen wir sehr überrascht sein. Sie unterliegen nämlich dem
langwierigen Einfluß der lebenden Biosphäre auf die unbelebte Natur. Als
Beispiel sei hier kurz die Entwicklung von Eisenlagerstätten durch das vermehrte
Absterben von Mikroorganismen angeführt. In diesem gesamten evolutionären Prozeß
wird eines klar, daß es keine ewige Wiederholung von Entwicklungen gibt, sondern
immer ein schöpferisches Streben nach einem höheren Zustand.
Wir müssen mit Hilfe unserer Wissenschaften diesen Veränderungsprozeß
verstehen lernen und unsere Rolle des schöpferischen Geistes gezielt als höheres
Wirkinstrument in diesem Ordnungsprozeß begreifen. Jede höhere Domäne ist dabei
das Ordnungsprinzip für die Niedere, und demzufolge sind wir ein wesentlicher,
notwendiger wirkender Faktor auf die Veränderung der Biosphäre.
Die Biosphäre kann von sich aus bestimmte Zustände schaffen, in denen alle
Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Wenn aber die physischen Grenzen erreicht
werden, dann müssen paradoxe Sprünge gemacht werden die unter den vorherigen
Rahmenbedingungen unvorstellbar waren. Als biologisches Beispiel sei hier die
Einbindung des Sauerstoffs in den Stoffwechsel angeführt. War vorher der
Sauerstoff ein Gift für die Zellen, so wurde er nun durch chemische Bindungen
zum wichtigsten Bestandteil des Lebens.
Es zeigt sich, daß die funktionale Effizienz der Lebewesen steigt und der Tod
bestimmter Spezies es ermöglicht, den verbesserten Formen Platz zu machen.
Wie der Einfluß des menschlichen Faktors zeigt, können wir solche Sprünge
willentlich erzeugen. Wir sind in der Lage mehr als die Natur zu machen, denn
wir können etwas nie Dagewesenes wie eine Rakete oder einen Computer schöpfen.
Wir müssen dafür nicht die Natur imitieren, sondern wir schaffen neue Prinzipien
der physischen Wissenschaft und somit neue Zustände. Wie sich schon gezeigt hat,
muß die Wirtschaft, als Ausdruck der menschlichen Organisation den Übergang von
den biologischen Rohstoffquellen hin zu den dominierenden synthetischen
Rohstoffen ermöglichen, um den steigenden Rohstoffbedarf zu decken. Als
historisches Beispiel seien hier das Haber-Bosch-Verfahren (zur industriellen
Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff als
Rohstoff für die Erzeugung von Kunstdünger, ohne den heute nur die Hälfte der
Menschheit ernährt werden könnte) und die Kautschuksynthese angeführt.
Wir dürfen keine Angst vor Veränderung haben, denn eine gleichbleibende,
starre Gesellschaft, die ihre eigene Existenzgrundlage immer weiter erschöpft,
ist dem Untergang verschrieben und aufs tiefste unmoralisch. Die Verbannung des
Fortschrittgeists setzt der menschlichen Existenz künstliche Grenzen und
zerstört somit die freie Entfaltung des individuellen Potentials.
Mit Hilfe des Verständnisses über die Entwicklung und Strukturierung des
Universums in bestimmte Phasen, wie es hier kurz angerissen wurde, kann der
Prozeß der physischen Ökonomie verständlich gemacht werden. Denn nur unter dem
Prinzip der kontinuierlichen Entwicklung ist es überhaupt möglich, die
menschlichen Aktivitäten und ihre wirtschaftlichen Nutzbarmachungen zu
bewerten.
Afrika braucht einen neuen Zustand, doch welche Sprünge müssen wir dafür
bewerkstelligen? Hier sei nun ein möglicher Zustand dargestellt, um das
Vorstellungsvermögen der Ingenieure anzureizen. Schauen wir einmal auf Afrika,
wo die vergangene Hungerkrise in Somalia ein Ausdruck der geringen industriellen
Entwicklung und mangelnden Infrastruktur war.
Bereits in den siebziger Jahren waren viele dieser Pläne wie der
Jongelei-Kanal, das Transaqua-Projekt oder der Bau von neuen Städten in Ägypten
geplant.

Abb. 1: Künstlerische Darstellung einer zukünftigen Brücke über den Kongo
zwischen Brazzaville und Kinshasa.
Warum wurden diese vielversprechenden Entwicklungen immer wieder aufgehalten.
Warum haben wir es zugelassen, daß diese Länder heute immer weniger für sich
selbst produzieren, und somit das Selbstbestimmungsrecht über stabile Preise
verloren haben?
Das Kernthema, das vor allem in den letzten Jahren immer wieder hochgehalten
wurde und zum wirtschaftlichen Ruin von Afrika und allen Nationen beigetragen
hat, ist die Annahme, daß jede Nation das tun soll, was sie am besten kann, und
somit zum absoluten Wohl aller beiträgt. Diese rein von den Sinneswahrnehmungen
geprägte Vorstellung schließt jeglichen Fortschrittsgedanken aus und rückt den
Fokus einer Wirtschaft auf das reine Verteilen des Vorhandenen.
In diesen Denkstrukturen ist jegliches Anwachsen der Bevölkerung eine
drohende Gefahr, weil folglich immer weniger zum „Verteilen“ bleibt. Wie schon
Friedrich List in seinem Nationalen System der politischen Ökonomie
darstellte, bestand genau aus diesem Grund über die letzten Hunderte von Jahren
eine Art „natürliches Imperium”, das seine Macht in Form der Handelsfunktion und
Geldwertkontrolle benutzte, um die Herrschaft über die Nationalstaaten und deren
Unterentwicklung - einhergehend mit einer hohen Sterberate -aufrecht zu
erhalten.
Diese Ideologie, die heute als Globalisierung bekannt ist, machte seit der
Zerstörung des Bretton-Woods-Systems 1971 gewaltige Fortschritte. Nicht nur das
damalige Zaire, sondern viele Entwicklungsländer, die dieser Doktrin gehorchten
und sich auch aufgrund ihrer Entwicklungsstufe auf den reinen Rohstoffexport -
wie in diesem Fall Kupfer – konzentrierten, standen plötzlich vor dem Ruin. Denn
binnen kürzester Zeit kollabierte die Londoner Metallbörse als
Weltumschlagsplatz und zerstörte somit die Wirtschaftskraft.
Unter Beteiligung des IWF wurde ab 1976 jeglicher Wiederaufbau verhindert.
Zuerst kam die Entwertung der Währung - im Fall von Zaire um 42 % -,
anschließend die exponentielle Verschuldung, der unter diesem Diktat die
staatlichen Hilfen aufgeopfert wurden.
Das hatte zur Folge, daß zwischen 1975-1990 ein Kapital- und Güterabfluß
allein aus Afrika von ca. 1 Bio.$ stattfand. Im Fall Lateinamerikas betrug die
Schuldenlast zu Beginn der achtziger Jahre 243 Mrd.$ und stieg dann in 10 Jahren
auf 429 Mrd.$ - trotz geleisteten Schuldendiensten von 321 Mrd.$, bei einer
Kapitalflucht von 158 Mrd.$.
Was ist zu tun?
Um dieser manipulierenden Wirtschaftsverwaltung ein Ende zu setzen und die
Entwicklung Afrikas langfristig gemeinsam mit den entwickelten Nationen in Gang
zu bringen, müssen neue Rahmenbedingungen gesetzt werden. Eine interne, monetäre
Reform, wie sie in den letzten Jahrzehnten ständig versucht wurde, hat sich
immer wieder als ergebnislos erwiesen. Nur ein Kreditsystem, wie es der
amerikanischen Verfassung zu Grunde liegt und in Deutschland zur Zeit des
Wirtschaftswunders annähernd angewandt wurde, bietet dafür den geeigneten
Rahmen. Nur die souveräne Kreditvergabe durch eine staatlich beauftragte
Nationalbank kann eine Abgrenzung gegen die Preiskontrolle durch die „Märkte“
ermöglichen. Denn diese Kreditvergabe bestimmt zu allererst den Besitzer der
daraus erzeugten Geldwerte, nämlich die Nationen selbst. Um die bestehende
Schuldknechtschaft zu unterbrechen, muß unbedingt verhindert werden, daß die
Privatbanken diese Kredite kontrollieren.
Der Übergang wird jedoch nicht durch die Ersetzung von souveränen Währungen
automatisch in Gang gesetzt, sondern durch die Sicherstellung der nominellen
Werte und den Schutz dieser Wertanlagen. Eine gute Grundlage für eine stabile
Entwicklung zwischen den Nationen sind Paritätspreisbindungen. Die Banken müssen
sich unverzüglich diesen Regeln unterwerfen und dem Geldverkehr dienen. Um
langfristige Investitionen von bis zu 50 Jahren für die Entwicklungsprojekte zu
garantieren, sind niedrige Zinsen und stabile Rohstoffkosten absolut
notwendig.
Auf welchen Beinen muß dieses System stehen, damit es nicht zwischendurch
zusammenbricht?
Die Vorraussetzungen für eine bessere Zukunft liegt in dem Anstieg der
sinnvollen Nutzung der Produktivkräfte. Die Produktivität an sich liegt in dem
Effekt der Organisation des Kreditsystems, welches hauptsächlich den
wissenschaftlichen technologischen Fortschritt versorgen muß.
Das Verständnis des einfachen Wachstumsprozesses der Menschheit reicht zum
Überleben nicht aus. Je schneller die Menschheit wächst, um so größer ist der
Anstieg des Rohstoffverbrauchs.
Es wäre ein grober Fehler, die Wirtschaftgüter und Produktivkräfte in eine
einfache Beziehung zu stellen.
Denn die Basis der erweiterten Reproduktion, die sich in Form einer
langfristigen Welle fortpflanzt, muß neue Existenzgrundlagen schaffen und alles
Existierende zu diesem Nutzen hin transformieren. Dabei zeigt sich, daß die
Wertzuordnung in dem Verhältnis der Zusammenstellung ihrer Komponenten ständig
neu beurteilt werden muß. Die Aufgabe des Menschen verändert sich dabei
regelmäßig.
Wahre relative Werte können nur aus der Kombination steigender
Kapitalinvestitionen in die Produktionsmittel und in die notwendige öffentliche
Infrastruktur entstehen. Die Zeit zwischen dem Potential (der Investition) und
dem Ausdruck (Anwendung des Produktes) ist hierbei entscheidend. Die vorhandenen
Ressourcen müssen unter der Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen dem
steigenden wirtschaftlichen Verbrauch und den Versorgungsraten intelligent
eingesetzt werden, um diese spezifischen Sprünge sicherzustellen.
Eine schnelle Industrialisierung Afrikas, wie sie wünschenswert ist, würde
die einfachen Ressourcen schnell verbrauchen. Der Energieverbrauch würde alles
bisherige bei weitem übersteigen.
Der derzeitige Energieverbrauch ganz Afrikas liegt etwa bei 62.800 MW, wobei
die 5 Nordstaaten (Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko) allein 27 %
ausmachen. Die ärmsten Länder, wie die Demokratische Republik (D.R.) Kongo,
können gerade einmal 7% ihrer 71 Millionen Menschen mit Energie versorgen. Der
Großteil dieser mit Wasserkraft erzeugten Energie wird jedoch in der spärlichen
Industrie benötigt.
Um diesen Kontinent in die sichere Phase der Unabhängigkeit zu führen, bedarf
es daher vieler wichtiger Zwischenschritte. Dies sei hier nach den
Entwicklungsplänen des Ingenieurs Hal Cooper für die D.R. Kongo ansatzweise
dargestellt, um einen Einblick zu bekommen.
Die unterste Entwicklungsstufe der reinen Landwirtschaft muß sofort
überwunden werden. Heute arbeiten zwei Drittel der Bevölkerung in der
Landwirtschaft, wobei gerade mal 3% aller nutzbaren Flächen bearbeitet werden
können. Der Großteil der Bevölkerung, der immer noch in diesem Sektor
beschäftigt ist, muß sofort einem neuen Arbeitsbereich zugeordnet werden. Die
Ausweitung des bisher beschränkten Handels und der Ausbau der Infrastruktur
müssen ein zentraler Bestandteil werden.
Erstens muß der Aufbau von Minen, Ölförderanlagen und der Zementindustrie
sichergestellt werden. Schritt 2 trägt für den Aufbau von Fertigungsanstalten
der Schwerindustrie Sorge, der schließlich drittens die rasche Ausweitung der
Industrieproduktion ermöglicht. Diese drei Phasen erfordern einen gerichteten
Fluß von Rohstoffen und Energien.
Karte: M.A.I.S/Thomas B. Fuller, Hal Cooper

Karte 1: Hauptstrecken eines Netzes von Infrastrukturkorridoren zur
Entwicklung Afrikas.

Karte 2: Rohstoffvorkommen in der Demokratischen Republik Kongo.
Generell kann gesagt werden, daß der daraus resultierende Anstieg der
Produktion in Afrika zu einem Produktionsanstieg in der ganzen Welt, vor allem
in den Bereichen der chemischen Industrie und der Bauwirtschaft führen wird. Der
Anstieg des verarbeitenden Sektors in Afrika erfordert einen erhöhten Import von
Maschinen und verarbeiteten Rohstoffen wie z.B. Stahl, um Brücken und
Transportwege aufzubauen. Der Weltrohstoffverbrauch wird steigen, zu Beginn vor
allem in den Industrienationen, was hier auch einen Wiederaufbau notwendiger
Anlagen erfordert, um diesen Güterfluß zu gewährleisten. Die Rohstoffe befinden
sich in Afrika, die Industrien aber nicht. Deshalb ist für den Beginn der
Transport von Rohstoffen nach Europa unheimlich wichtig, damit dort die
Fertiggüter hergestellt werden, die zum Aufbau der Entwicklungskorridore
dringend benötig werden.
Der Aufbau einer provisorischen Infrastruktur, die sich langfristig als
Handelsroute zwischen Rohstoffgebieten und einem Hafen als Hauptumschlagsplatz
und Zentrum für den Aufbau zukünftiger Industrien etablieren soll, muß auf die
Entwicklung aller Nationen abgestimmt werden (siehe Karte 1). Die geplante
Nord-Süd-Verbindung von Tripolis nach Kapstadt schließt die Verbindung von
Brazzaville und Kinshasa über eine geplante Brücke mit ein. Die geplante
Ost-West-Verbindung nach Tansania und Kenia beinhaltet auf Seiten der D.R.Kongo
einen 1,765 km langen Gürtel von Matadi bis Bukavu.
Noch heute fehlt zwischen den wichtigsten Strecken von Matadi nach der
Haupstadt Kinshasa und Ilebo nach Sakania der Haupttransportroute für Erze eine
Verbindungsstrecke von 600 km.
Das typische Beispiel der historischen Geisterstädte kann nur überwunden
werden, wenn eine langfristige Integration des Korridors mit einem neuen
Städtebau und Erschließung von Land gewährleistet wird. Dieser Verbund muß neben
dem Eisenbahnbau und dem Bau von Kanälen die Versorgung durch Gas- und
Ölnetzwerke sicherstellen und vor allem ein übergreifendes Stromnetz auf
Internationaler Ebene garantieren. Die D.R. Kongo bräuchte hierfür
Kupfer-Stromkabel von 12.000 km Länge, um die Verteilung von 100.000 MW
sicherzustellen. Ein ausgearbeitetes Wassermanagement ist wichtig für die
Entfaltung neuer Industriekomplexe, die Wasser als wichtigen Faktor zum
Reinigen, Kühlen, Extrahieren und zum Transport von Großgütern benötigen.
Das Primärziel ist der Aufbau von Rohstoffgebieten. Dies schließt die
wichtigste Frage der Entwicklungsdauer vom Finden bis zum Eröffnen einer Mine,
die bis zu neun Jahre in Anspruch nehmen kann, mit ein.
Der Einsatz von Satelliten und Expeditionstrupps zum Aufspüren von
Rohstofflagern, nährstoffreichen Böden und Wasserquellen muß arrangiert werden.
Der Einsatz der ersten Baufahrzeuge, die mit Hilfe Europas vor Ort an wichtigen
Häfen, wie in diesem Falle Matadi oder einem neu geplanten in Quelimane,
geliefert werden sollen, müssen mit diesen Industrienationen abgestimmt
werden.
Die bisher gefundenen Rohstoffgebiete in den Provinzen Shaba (Katanga) und
Kivu im Südosten des Landes (siehe Karte 2) reichen geographisch gesehen
nach Simbabwe, Sambia und Botswana. Die Kivu-Region hat bis heute noch keine
Zuganbindung. Die bisher bekannten Erdgasfelder sind sehr klein und zerstreut.
Der verbesserten Nutzung der Kohlefelder entlang des Tanganjika-Sees kann durch
die Schaffung des Kalamie-Lumbumbashi-Korridors beholfen werden. Der Abbau von
Erzen in der Shaba-Region benötigt vorübergehend eine eigenständige
Energieversorgung. Kohle kann aber auch als Grundstoff für eine entstehende
chemische Industrie z.B. Für die Herstellung von Düngemitteln genutzt
werden.
Die bisher bekannten Ölressourcen im Gebiet von Muanda sind nur geringfügig
nutzbar, da die einzig bekannte Raffinerie am Point Noire liegt und aufgrund der
mangelnden Infrastruktur nur per Schiff angefahren wird. Weitere Ölvorkommen im
Bereich des Albert-Sees sind bis jetzt noch unerschlossen und benötigen entweder
den Zugang durch eine riesige Pipeline oder durch den Bau einer neuen Raffinerie
vor Ort.
Die bestehenden Industrien wie die Aluschmelze in Muanda, der Stahlbereich
mit einem Ausstoß von 113.000 t pro Jahr oder die Kupferherstellung mit einem
Jahresausstoß von 243.000 t pro Jahr liegen für den angestrebten
Entwicklungsstand weit zurück. Zum Vergleich sei hier Japan als Industrieland
angeführt, das seinen Ausstoß von 1956 bis 1976 von 6,5 Mio.t auf 150 Mio.t
steigerte. Diese Steigungsraten sind möglich, wenn die Industriegebiete in die
Entwicklungskorridore entsprechend eingebunden werden.
Diese längst überfällige Zustandsänderung kann aber nur als Sprungbrett für
eine neue Ära der Menschheit dienen. Erst wenn wir wirklich alle Menschen
gleichbehandeln und gleiche Voraussetzungen schaffen, sind wir als Nationen
überlebensfähig. Diese notwendigen Projekte sind nur der Schlüssel für die
Transformierung der Geisteshaltung.
Schauen wir uns nur einmal die bahnbrechende Zeit der Erfindungen um 1900 an.
Das war das Zeitalter der Elektrifizierung, des Autos, des Flugzeugs und der
Durchbrüche in der Radiologie und der Medizin, z.B. in der Wundheilung. Damals
wurden schon die chemischen Grundlagen für die Raketentechnologie gelegt. Erst
mit Verzögerung wurden diese Grundlagen für den Menschen nutzbar gemacht. Wir
waren in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts viel weiter als heute,
als wir nach den Sternen überm Himmelszelt griffen. Es ist ein langer Weg, um
die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, doch in Rußland und China
trifft man sich bereits wöchentlich, um die Rahmenbedingungen zu setzen. Und wir
müssen nur mitmachen.