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  Dezember 2010 Journal (Texte)

Nein zur EU als politischer Union -
für ein gemeinsames Europa souveräner Staaten

Während die EU-Regierungen beim Brüsseler Gipfel wieder einmal die Gelegenheit verpaßten, eine wirkliche Lösung für die Finanzkrise oder die Eurokrise anzugehen, mehren sich - nicht zuletzt von seiten der SPD und der Grünen - Stimmen, die die Krise benutzen wollen, um durch die Umwandlung der EU in eine politische Union die letzten Reste nationaler Souveränität zu beseitigen. Das wird die Krise jedoch nur verschlimmern.

Der jüngste EU-Gipfel in Brüssel hat zwar nichts Substantielles getan, um Lösungen für die globale Finanzkrise oder für die Eurokrise vorzuschlagen oder zu beschließen, dafür brachten die Auseinandersetzungen in seinem Umfeld aber eine Reihe interessanter Tatbestände ans Tageslicht. Auch wenn dank der von Bundeskanzlerin Merkel vertretenen Position die schlimmsten Varianten der Umwandlung der EU in eine Transferunion zumindest für den Augenblick aufgehalten wurden, so wurde erneut deutlich, daß die diversen Vertreter der EU-Institutionen sich primär als Verfechter des ach so „notleidenden“ Bankensektors, und das heißt konkret, der Inter-Alpha-Gruppe des Britischen Empires - verstehen; „koste es, was es wolle“, wie Barroso es formulierte. Vor allem SPD und Grüne offenbarten sich in einer skandalösen Weise als Protagonisten dieser imperialen Europa-Konzeption.

Eines ist sicher: Die Eurokrise wird als Teil des Systemzusammenbruchs voll weitergehen. Die Ankündigung der Schaffung eines permanenten Krisenmechanismus ab 1.1. 2013 hat nichts bewirkt, um weitere Spekulationen gegen Irland, Portugal, Spanien, Italien etc. zu stoppen. Noch während der Gipfel tagte, stufte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit Irlands um fünf Stufen drastisch herab, was die Zinsaufschläge für Irland nochmals verteuern und damit die Krise weiter zuspitzen wird. Der vor dem Gipfel von der spanischen Finanzministerin Elena Delgado erhobenen Forderung nach einer massiven Ausweitung des Europäischen Stabilitätsfonds wird sehr bald die nach einem Rettungspaket für Spanien folgen, ebenso für Portugal, Italien, selbst Frankreich wurde schon genannt. Die Verdopplung des Kernkapitals der EZB heißt nichts weiter, als daß diese weiter toxische Staatsanleihen aufkaufen will - ein nutzloses und in Richtung Hyperinflation führendes Unterfangen, denn die Schulden des Systems sind unbezahlbar.

Als schändlich in die Geschichte eingehen wird allerdings die Rede Frank-Walter Steinmeiers, mit der er auf die Regierungserklärung von Frau Merkel am Tage vor dem Gipfel geantwortet hatte. Frau Merkel habe das Alarmsignal aus Frankfurt nicht verstanden, die EZB stehe „an der Kante“, und jetzt müsse man den Geburtsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion beseitigen und „den Mut zu dem nächsten großen europäischen Sprung aufbringen, das Europa der Nationalstaaten schrittweise überwinden und diese Europäische Union zu einer politischen Union fortentwickeln“.

Der Euro ist gescheitert, weil er von Anfang an eine Fehlkonstruktion war, und anstatt die Fehler rückgängig zu machen, schlägt Steinmeier eine EU als Bundesstaat vor - eine Vorstellung, die das Verfassungsgericht in Karlsruhe in seinem Lissabon-Urteil ausdrücklich ausgeschlossen hat!

Diese Transformation der EU in eine politische Union wäre eine grundsätzliche Änderung des Grundgesetzes und verlangt nach Artikel 146 eine Volksabstimmung, die der Bevölkerung bisher bei all den haarsträubenden EU-Verträgen von Maastricht bis Lissabon verweigert wurde. Die Bevölkerung empfindet aber sehr wohl das gigantische Demokratie-Defizit dieses EU-Monsters, dessen Richtlinien zumeist in Absurdistan ausgedacht werden.

Ein EU-Bundesstaat wäre vollständig ein Gebilde des Britischen Empire, das schon jetzt immer mehr Positionen besetzt, wie man an den jüngsten Ernennungen des bekennenden EU-Imperialisten und Blair-Mentors Robert Cooper zum Top-Berater der „Hohen Repräsentantin“ Ashton sehen kann sowie an der Ernennung des Gouverneurs der Bank von England Mervyn King zum stellvertretenden Vorsitzenden des European Systemic Risk Board (ESRB). Die EU-Außenpolitik wird damit von Briten bestimmt, und der britische Zentralbankchef wird totalen Einblick in die europäischen Bankgeschäfte erhalten! Erinnern wir uns, daß es London und Washington waren, die gegen minimale Versuche der Bundesregierung jegliche Reregulierung des Bankensektors blockiert haben! Dann kann man auch gleich den Bock zum Gärtner machen!

Die Befürworter eines imperialen EU-Bundesstaates werden mit allen Tricks und Schlichen ihr Ziel verfolgen. Zwar konnte Frau Merkel auf diesem Gipfel noch Euro-Bonds und die Verdopplung des EFSB verhindern, aber noch in der anschließenden Pressekonferenz sagte sie: „Es geht wieder ein Stück in Richtung Wirtschaftsregierung“, eine Vorstellung, die sie vor einem Jahr vehement abgelehnt hatte, ebenso wie zuvor den Rettungsschirm. Es verlautete außerdem, daß „2011 das Jahr der EU-Integration“ werden solle. Und Juncker erklärte trotz der gerade erfahrenen Zurückweisung seines Projektes, die Eurobonds seien auf einem guten Weg. Und da die Eurokraten bewiesen haben, daß sie der Direktive von Carl Schmitt folgen, daß nur der Macht besitzt, der in der Krise den Ausnahmezustand nutzt, um seine Ziele zu verwirklichen, kann man gewiß sein, daß sie versuchen werden, die nächste „drohende Kernschmelze“ für eine neue Steigerung der Finanzdiktatur zu nutzen.

Noch abscheulicher waren eine ganze Reihe von Äußerungen Helmut Schmidts, der zunächst den berechnenden und schlüpfrigen Eurokraten Jean Claude Juncker (die Bundesregierung habe seinem Vorschlag nicht „unter den Rock geschaut“?!) als Frau Merkel an Überblick und Urteilskraft überlegene europäische Führungskraft bezeichnete, um dann eine ganze Menge ökonomischen Unrat von sich zu geben. So vertrat er die offizielle Linie der Globalisten, daß eine Rückkehr zur D-Mark den deutschen Export schwer behindern und die Basis unseres hohen sozialen Wohlstandes vernichten würde - als exportiere Deutschland Kik-Ware und nicht in der ganzen Welt einzigartige Spezialwerkzeugmaschinen und andere gesuchte Produkte. Diese Spitzentechnik war auch zu D-Mark-Zeiten der Grund für den Erfolg der deutschen Exporte, sie ist es während des Euros und sie wird es während einer künftigen neuen D-Mark auch wieder sein. Andererseits werden sich die Volkswirtschaften der jetzigen EU-Pleitestaaten nicht erholen können, weil sie ihre Währungen nicht abwerten können, wenn sie im Euro bleiben, sie werden unter der Schuldenlast zusammenbrechen, wie man jetzt an Griechenland und Irland schon sehen kann, und fallen dann als Exportpartner für Deutschland aus.

Ein Straucheln der Europäischen Union sei auch eine moralische Katastrophe, so Schmidt weiter, weil Deutschland der größte Nutznießer der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas war und ist. Das genaue Gegenteil ist richtig. Weil Mitterrand, Thatcher und Bush senior Deutschland den Euro aufzwangen und es in die europäische Integration „eindämmten“, wurde u.a. die sich als natürlich anbietende wirtschaftliche Zusammenarbeit des wiedervereinten Deutschlands mit den Staaten des ehemaligen Comecon unterbunden, die gemeinsam mit den neuen Bundesländern dem wirtschaftlichen Kahlschlag der Reformpolitik preisgegeben wurden. Wenn heute ganze Regionen im Osten Deutschlands verarmt und demographisch überaltert sind, dann ist das dieser Politik zu „danken“.

Nutznießer waren höchstens die Firmen im Exportgeschäft, aber Binnenmarkt und Löhne stagnieren seit der Einführung des Euro. Und wenn Herr Schmidt auch nur die geringste soziale Antenne hätte, dann wüßte er, daß angesichts des katastrophalen Zustands in den Gemeinden und bei den Sozialsystemen weitere „Länderfinanzausgleiche“ und „Solidaritätsabgaben“ für die insolventen EU-Staaten einer Lebensverkürzung für viele Menschen gleichkommen.

Vollends unerträglich aber sind solche Sätze, die sich in seinem neuen Zeit-Artikel finden: Die Unterstützung für den Euro werde uns Deutsche abermals viel Geld kosten, da aber Deutschland „erheblich zum Unfrieden in Europa und in der Welt beigetragen“ hätte, müßten die Deutschen nun „auf eine ganz andere Weise dazu beitragen, daß die Schrecken der Vergangenheit sich nicht wiederholen können. Dafür sind weitere Opfer an Souveränität und Geld geboten.“

Zunächst einmal sei festgestellt, daß angesichts der heute bekannten Fakten über die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges von der in Versailles angenommenen Alleinschuld Deutschlands keineswegs die Rede sein kann. Es waren aber die völlig maßlosen Finanzforderungen an Deutschland, die erst die Krisen von 1923, 1929 und 1933 verursacht haben. In dieser Hinsicht weist das Schuldenkorsett, in das die EU die Pleitestaaten und auch Deutschland zwingt, durchaus eine Parallele zum Diktat von Versailles auf, und daher droht auch eine mögliche Wiederholung der „Schrecken der Vergangenheit“. Die Gefahr ist eine weitere Ausbreitung des Chaos, das die EU-Politik schon jetzt in Griechenland oder Irland angerichtet hat.

Zweitens soll nicht vergessen werden, daß Hitler einflußreiche Unterstützer in den USA und England hatte, wie z.B. Montagu Norman, den Gouverneur der Bank von England. König Edward VIII. z.B. empfand für Hitler noch mehr „Bewunderung und Sympathie“ als selbst der Beschwichtigungspolitiker Neville Chamberlain und war selbst nach der Niederlage Frankreichs 1940 noch nicht bekehrt. Erst danach wandte sich die britische Regierung an die USA mit der Bitte um Unterstützung gegen Hitler.

Vielleicht haben die britische Kriegsgefangenschaft, der in Hamburg historisch besonders starke britische Einfluß und die Tatsache seiner Ehrenpräsidentschaft in der Deutsch-Britischen Gesellschaft den Blickwinkel der Geschichtsbetrachtung Helmut Schmidts beeinflußt. Auf jeden Fall kann sich niemand, der die Interessen des Gemeinwohls in Deutschland im Sinn hat, seine Argumentation zu eigen machen.

Aber auch das Argument, daß die Einbindung Deutschlands in die EU als Friedensprojekt nötig sei, um eine Wiederholung der „Schrecken der Vergangenheit“ zu verhindern, stellt sich bei näherem Hinsicht als vorgeschobenes Argument heraus. Die zugrundeliegende Annahme, daß ein imperiales Europa nötig sei, um sich gegen das wachsende China, Amerika und andere Großmächte durchsetzen zu können, ist schlichtweg falsch. Dahinter verbirgt sich die gleiche Axiomatik des geostrategischen Denkens, das in der Vergangenheit zu Kriegen geführt hat.

In der realen Welt von heute kann eine nachhaltige Kriegsvermeidungsstrategie nicht darin bestehen, daß man einen europäischen Bundesstaat mit möglichst großem Territorium und möglichst großer Bevölkerung schafft, der sich gegenüber den jetzigen und kommenden Supermächten „behaupten“ kann, sondern man muß z.B. im Geiste Wernadskijs die Wirkung der Noosphäre im Universum vergrößern. Praktisch heißt dies u.a., daß Deutschland zusammen mit diesen Mächten wie Rußland, China, Indien, USA etc. sich an der Erforschung und Weiterentwicklung von Technologien mit hoher Energieflußdichte beteiligt, um damit die Energie- und Rohstoffsicherheit der Menschheit für das nächste Jahrhundert zu garantieren. Aber um in diesen Dimensionen denken zu können, dafür ist die SPD seit langem viel zu grün. Und daran ist Helmut Schmidt auch nicht ganz unschuldig.

Wir sollten uns heute die Sichtweise der beiden Männer zu eigen machen, die unbestreitbar mehr für die Aussöhnung in Europa getan haben als irgend jemand anderes: Charles de Gaulle und Konrad Adenauer. Für de Gaulle war die Brüsseler Kommission bestenfalls ein vielleicht nützlicher Beamtenstab, dem aber nichts das Recht gab, sich als eine Art Superregierung zu gebärden. Gegenüber Adenauer sagte er in Rambouillet: „Es sind supranationale Organe geschaffen worden, weil die Anhänger eines vereinten Europas vor einigen Jahren die Zwistigkeiten zwischen Franzosen und Deutschen, auch den Italienern, für unüberwindlich hielten, weshalb man etwas erfinden müsse, was jenseits der Staaten stehe. Das war jedoch eine falsche Sicht der Dinge. Gewiß muß Europa werden, aber auf anderen Grundlagen.“

De Gaulle blieb Zeit seines Lebens auf der Hut, daß die Zusammenarbeit in Europa nicht in die Supranationalität abglitt. Und Adenauer insistierte sogar noch mehr als de Gaulle, daß er die Briten, deren Politik er stets mit Argwohn betrachtete, bei dem Projekt der Kooperation in Europa nicht dabei haben wollte. Adenauer hatte recht.

Eine Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten in Europa braucht keine supranationale Bürokratie, und schon gar keine, die sich aufspielt wie Herren eines neuen Weltreiches, die zudem den Bürgern weder in Wahlen noch in anderer Form Rechenschaft schuldig sind. Und eine Zusammenarbeit in Europa mit Großbritannien wird solange nicht funktionieren, wie es seinen Status als Welthauptquartier der „Finanzindustrie“ behalten will.

Die einzige Weise, wie Europa sich in der Welt behaupten kann, besteht darin, daß seine souveränen Staaten jeweils ihre eigene Hochkultur wiederbeleben und das ganze kulturelle Paradigma der Globalisierung durch eine kulturelle Renaissance ersetzen. Wenn in Deutschland wieder der Geist von Nikolaus von Kues, Schiller, Beethoven und Humboldt lebendig ist, in Frankreich die Ideen von Ludwig XI., François Villon, Rabelais und der Polytechnique, in Italien Dante, Petrarca, Leonardo, Verdi - um nur einige zu nennen -, dann herrscht der universelle Geist, der die wunderbare Gemeinschaft der Völker in Wirklichkeit verbindet.

Nur wenn wir innerhalb kürzester Zeit ein Trennbankensystem einführen, die souveräne Kontrolle über unsere Währung und Wirtschaft wieder herstellen und die zutiefst kriminelle Kasino- Ökonomie durch ein am Gemeinwohl orientiertes Kreditsystem ersetzen, können wir einem Absturz in das Chaos eines neuen finsteren Zeitalters entgehen.


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