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Juni 2007 | Jugendbewegung |
Wilhelm Tell und die Amerikanische RevolutionKai-Uwe-Ducke von der LaRouche-Jugendbewegung geht der Frage nach, was wir heute aus Schillers „Wilhelm Tell“ lernen können. Als ich begann, mit der LaRouche-Jugendbewegung politisch zu arbeiten, ergab sich eines Tages auf der Straße ein interessantes Gespräch mit einem Herrn. Er sagte, wir hätten endlich Frieden in der Welt, wenn alle Menschen Pazifisten wären. Prinzipiell sind wir ja alle gegen Krieg, antworteten wir, aber würde es sich nicht lohnen, für das Gute zu kämpfen? Er antwortete: „Nein, kein Kampf, keine Gewalt.“ Mein Kollege am Info-Tisch fragte den Herrn weiter, ob er Wilhelm Tell von Friedrich Schiller kenne und was er vom folgenden Teil des „Rütli-Schwurs“ halte:
Der Herr antwortete wiederum: „Nein, nein, eine Waffe benutze ich nie, erst recht nicht zur Selbstverteidigung!“ Ich fragte nun weiter: „Was hätten Sie 1942 getan? Hätten Sie sich einem Attentat gegen Hitler angeschlossen und damit Millionen von Menschenleben an den Fronten und in den KZs und Arbeitslagern gerettet? Wären Sie bereit gewesen, Ihr eigenes Leben zu gefährden, in der Hoffnung Millionen zu retten?“ Der Herr sagte, er habe sich geschworen, nie eine Waffe in die Hand zu nehmen. Welche Konsequenzen hätte er auf sich genommen? Es ist auf jeden Fall richtig, die persönliche Freiheit Andersdenkender wie auch Gleichgesinnter zu respektieren und Sorge zu tragen, daß sich jedes Individuum frei entfalten kann. Doch viel zu oft wird aus den falschen Gründen übersehen, daß es eben das eigene Ich ist, welches die Verantwortung trägt. Wie weit geht das Prinzip der Nichteinmischung? Für viel zu viele heutzutage heißt „Nichteinmischung“, den Fernseher lauter zu drehen, wenn der Nachbar seine Frau schlägt. Lehrer sehen ihre Schüler auf dem Pausenhof Drogen nehmen. Eltern akzeptieren die Gewaltverherrlichung in den Medien und kaufen den Kindern gewalttätige Computerspiele. Ein Großteil der europäischen Bevölkerung sieht tatenlos zu, wie der Nachbarkontinent an Unterentwicklung stirbt. Andererseits beschränkt man international die Rechte souveräner Nationen, die Maastricht-Diktatur und der IWF verbieten wichtige Infrastrukturinvestitionen, Länder werden durch Rohstoffspekulation in den Ruin und in weitere Abhängigkeit getrieben, dem Iran wird untersagt, die Atomkraft zu nutzen, und die Kriegstreiber der Oligarchie wollen einen Weltkrieg zwischen Christen und Moslems, um beide zu zerstören. Es scheint, daß die Menschheit mehr Moral und Anstand braucht. Doch was für eine Moral? Die Moral eines armen Pazifisten, der in Wirklichkeit nur Angst hat und deswegen nichts tut? Doch was ist die Herangehensweise, wie findet man hinaus aus einer Tragödie, wie sie jetzt weltweit vor unsere Augen stattfindet? Wie Lyndon LaRouche, bezugnehmend auf Shakespeares Hamlet, darlegt, ist gerade die Kultur faul. Hamlet hat im Rahmen seiner Kultur nichts falsch gemacht, es war die Kultur selbst, die falsch war. Genau so ist es zu den zwei Weltkriegen gekommen, nicht der eine oder andere war die tragische Figur in dem oder dem Land, es war ein Fehler in der Kultur, der dazu geführt hat. Genauso wie Deutschland an einer verrottenden Kultur litt, die Hitler erst möglich gemacht hat. Das ist die eigentliche Tragödie, das ist das Prinzip, welches Homer, Shakespeare und Schiller, um nur einige zu nennen, uns mitteilen wollen. Moral ist kein Zweck, sondern ein MittelWie muß nun eine Kultur aussehen, deren Moral den einzelnen befähigt, eine Tragödie zu lösen? Zunächst muß gesagt werden, daß die Moral nicht der Zweck ist, dem die Menschheit wie der einzelne dient, sie ist nur das Mittel. Der Zweck der Menschheit ist nichts anderes, als die zunehmende Veredelung des Menschen. Und es ist und bleibt eine persönliche Entscheidung, ob der einzelne einfach nur Sklave einer von der Mode geprägten Moral ist, oder ob er sich aufgrund der kognitiven Vernunft entscheidet, das zu tun, was richtig und gut ist. Ich möchte dies nun vertieft darstellen am Schauspiel Wilhelm Tell von Friedrich Schiller. Obwohl Schiller selbst nie in der Schweiz war, gilt er heute dort immer noch als Nationalheld, er wird wegen seines Schauspiels Wilhelm Tell verehrt. Sicher ist jedem etwas über Wilhelm Tell bekannt, so z.B. die Apfelschußszene oder der bekannte Satz: „Durch diese hohle Gasse muß er kommen.“ Es gibt viele Verdrehungen und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate in der heutigen faulen Kultur. Doch darüber möchte ich kein Wort verlieren, denn der Stoff des Wilhelm Tell, den Friedrich Schiller verarbeitete, ist über jeden Spott erhaben: es geht um nichts geringeres als um den Bau einer gerechten Gesellschaft. Das Idyll, das sich am Anfang des Stückes dem Zuschauer eröffnet, wird bald durchbrochen durch dunkel aufziehende Gewitterwolken. Aus dem friedlichen Vierwaldstätter See wird plötzlich ein brausendes Ungeheuer, der Fischer kehrt heim, der Hirte muß sich beeilen, seine Tiere zusammen zu treiben. Mitten in dieser aufziehenden Bedrohung kommt ein Flüchtender, Baumgarten, der gerade in Verteidigung seines Hauses und seiner Frau den Burgvogt erschlagen hat:
Ein Tyrannenmord in der Absicht „der Güter Höchstes“ zu verteidigen. Doch anstatt die Ungerechtigkeit beseitigt zu haben, ist Baumgarten nun selbst in Gefahr, er muß fliehen. Es scheint, daß die Tyrannenmacht unzerstörbar ist, daß man sich der Allmacht beugen muß, daß weiterer Widerstand nur zur Verschlimmerung der Umstände führt und daß der einzelne sich nur selbst gefährdet. Doch um eine wirkliche Veränderung zu bewirken, muß man die „Geometrie der Lage“ verändern, d.h. es muß eine höhere Idee eingeführt werden, ein universelles Prinzip. Solche Prinzipien wie universelle Menschenrechte oder Gerechtigkeit nannte Leibniz Naturrecht. Nach einer weiteren Reihe von Demütigungen und direkten Angriffen auf die Grundrechte der Bewohner von Unterwalden, Uri und Schwyz beschließen einige Männer, den „alten Bund“ zu erneuern. In dem Rütli-Schwur geht es nicht darum, Rache zu üben, sondern kommendes Unheil abzuwehren.
Dies bewirkte die notwendige Änderung der „Geometrie der Lage“. Friedrich Schiller lebte in einer Zeit, als die Einführung universeller, unveräußerlicher Menschenrechte das erste Mal in der uns bekannten Geschichte der Menschheit die Grundlage für die Bildung eines Staates war. Diese erste echte Nation sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Gegensatz dazu basieren unsere europäischen Staatsverfassungen nicht auf universellen Prinzipien. Die Überlegenheit der amerikanischen Verfassung zeigt sich darin, daß die USA zwar eine sehr junge Nation ist, aber seit ihrer Gründung dieselbe Verfassung hat. Die Verfassung der USA ist, wie es Franklin Roosevelt nannte, „einfach und praktikabel angelegt“, und sie sei der „großartigste politische Mechanismus der modernen Welt“.1 Friedrich Schiller legte mit Wilhelm Tell den Grundstein für eine echte republikanische Bewegung in Deutschland, für die Idee, daß man auch in Europa Nationen bauen kann, die auf Naturrecht und nicht auf Willkür beruhen. Lyndon LaRouche und die LaRouche-Bewegung führen diese Arbeit heute weltweit weiter. Die Unabhängigkeitserklärung der USA inspirierte aber nicht nur Friedrich Schiller. Auch der Text des Gründungsdokuments des 1984 von Helga Zepp-LaRouche gegründeten internationalen Schiller-Instituts bezieht sich bewußt auf die Unabhängigkeitserklärung der USA. „...Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. ... Zwar gebietet Klugheit, daß von langer Zeit her eingeführte Regierungen nicht um leichter und vergänglicher Ursachen willen verändert werden sollen; und demnach hat die Erfahrung von jeher gezeigt, daß Menschen, so lang das Übel noch zu ertragen ist, lieber leiden und dulden wollen, als sich durch Umstoßung solcher Regierungsformen, zu denen sie gewöhnt sind, selbst Recht und Hülfe verschaffen. Wenn aber eine lange Reihe von Mißhandlungen und gewaltsamen Eingriffen auf einen und eben den Gegenstand unablässig gerichtet, einen Anschlag an den Tag legt, sie unter unumschränkte Herrschaft zu bringen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, solche Regierungen abzuwerfen, und sich für ihre künftige Sicherheit neue Gewähren zu verschaffen...“2 Erst durch den Rütlischwur, die Unabhängigkeitserklärung der Schweizer, konnte die Tyrannenherrschaft wirklich abgeworfen werden. Der neu geschmiedete Bund plant, die frisch errichteten Burgen, die Stützpunkte der „fremden Herrenknechte“, zu zerstören. Jeder Teilnehmer organisiert weitere Revolutionäre. Der Rütlischwur spricht sich schnell im Geheimen herum, man wartet nur noch auf ein Zeichen. Nur so konnte Wilhelm Tell ein Nationalheld werden. Sicher, er hätte auch ohne den Rütlischwur den Tyrannen Geßler ermorden können, doch was wäre aus ihm und vor allem, was wäre aus seiner Familie geworden? Der Tyrann muß wegIm 4. Aufzug, 3. Szene führt Wilhelm Tell einen langen Monolog. In dieser Szene erschießt er den Geßler. Tell ist in einer tiefen Krise: Wie kann er einen Mord vor seinen Kindern, vor den nächsten Generationen, also vor der Geschichte rechtfertigen? Er ist immer Jäger gewesen, hatte nie vor, auf einen Menschen zu schießen. Aber Geßler hatte ihn bereits in der bekannten Apfelschußszene gezwungen, auf einen Menschen zu schießen, nämlich auf seinen eigenen Sohn. In dieser Szene droht Geßler, beide umzubringen, falls Tell nicht einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießt. Wilhelm Tell gelingt der Schuß, doch er hat einen zweiten Pfeil für den Tyrannen Geßler bereitgehalten. Diesen Pfeil trägt er immer noch bei sich. Geßler hat in seiner „grausam-teuflischen Lust“ Vergnügen daran gefunden, zu sehen, wie Tell auf das Haupt seines Sohnes mit der Armbrust schießt. Jetzt muß Tell seinen Schwur, den er damals im Stillen abgelegt hatte, wahr machen - nicht aus Rache, sondern um kommendes Übel zu verhindern. Ganz am Ende des Stücks erfährt man von einem dritten Mord, der Kaiser ist tot. Johannes Parricida, der Herzog von Österreich und Neffe des Kaisers, hat diesen aus Rache getötet. Der Kaiser wollte ihn enterben. Parricida hofft nun, von Tell aufgenommen zu werden, weil ja beide Mörder seien, aber Tell antwortet darauf:
Leider wird diese vorletzte Szene heutzutage oft ganz weggelassen, obwohl hier Friedrich Schiller sehr deutlich den Tyrannenmord vom Rachemord unterscheidet. Der Unterschied besteht darin, daß der erstere auf Prinzipien begründet ist. Es ist die Frage, ob man weiterhin Ungerechtigkeit akzeptiert oder ob man, nicht unbedingt für sich selbst, aber für zukünftige Generationen, eine bessere, gerechtere Gesellschaft aufbaut. Das ist die Idee der Unsterblichkeit des Individuums. Der einzelne, der der Menschheit zum Guten verhilft und dessen Handeln einen bleibenden Wert in der Kultur hinterläßt. Deshalb haben wir bis heute, trotz aller Krisen und Zusammenbrüche, überlebt. Doch sind wir heute mit der weltweiten LaRouche-Bewegung in der Lage, einen „neuen Rütlischwur“ abzulegen, eine weltweite Unabhängigkeitserklärung gegen die Dummheit früherer Generationen und gegen das Rückwärtsdenken von Heute? Machen Sie mit!
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