Juli 2007 Wirtschaft

Vorschlag für eine Internationale Entwicklungsbank (IEB)

Auf einer Pressekonferenz in Bonn am 24. April 1975 legte Lyndon LaRouche seinen Vorschlag für eine Internationale Entwicklungsbank (IEB) dar. Auszüge aus seiner Rede.

Überall häufen sich die Gerüchte über einen kurz bevorstehenden Aufschwung, doch der Dollar droht zu kollabieren. Nur Phänomene wie die Hyperinflation und der Zustand der deutschen Wirtschaft in der Wei­marer Republik können als neuere historische Parallelen der kurz bevor­stehenden weltweiten Katastrophe angesehen werden.

Für qualifizierte Kenner der Finanzwelt sollte es über die Natur der augenblicklichen Situation keine Zweifel geben. Das alarmierendste Zei­chen für die allgemeine Krise ist das Verhältnis der Schulden zu den real produzierten Werten. Da den Schuldendiensten und dem „roll over" der Schulden (Kreditaufnahme zur Tilgung der vorhandenen Schulden) Priori­tät eingeräumt wird, muß das erforderliche Kreditvolumen zur Aufrechter­haltung der laufenden Produktion und Handelsströme vergrößert werden. Doch die Spanne zwischen dem Stand der realen Güterproduktion und den Schuldendiensten ist so groß geworden, daß der Versuch, die beste­henden Finanzinstitutionen am Leben zu erhalten, nur zu einer Hyperinflation wie zu Weimarer Zeiten führt, wie sie bereits aus den USA nach Europa und Japan übergreift.

Wenn man die Lage grundsätzlich betrachtet, dann ist kein Mittelweg mehr zwischen Hyperinflation und einer Wirtschaftsdepression, die den Zusammenbruch bringt, zu finden. Deshalb müssen alle Berichte über ei­nen in Aussicht stehenden Aufschwung als Ausdruck von Hysterie oder einfacher Unkenntnis der politischen und ökonomischen Grundregeln abgelehnt werden.

Wer sich mit ähnlichen Krisen vergangener Zeiten beschäftigt hat und wer weiß, wie man insolvente Betriebe wieder reorganisiert, muß zu­stimmen, daß unter den augenblicklichen Bedingungen nur eine einzige kompetente Maßnahme ergriffen werden kann. Wie beim Beispiel eines bankrotten Industriebetriebes mit noch gesunden Produktionskapazitäten ist eine drastische finanzielle Reorganisation die einzige Alternative zum vollkommenen Ruin.

Zwei miteinander verbundene Schritte sind erforderlich. Erstens müssen sich die betroffenen Staaten über ein Moratorium (Stundung) der Schul­den, hauptsächlich der auf Dollar lautenden Kredite, einigen. Das wird die Inflation beenden und die Möglichkeit neuer Kredite eröffnen, durch die weiter produziert und die Beschäftigten weiter entlohnt werden kön­nen. Zweitens muß eine neue internationale Bank geschaffen werden, die an die Stelle des bankrotten Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank tritt.

Nach umfassenden Konsultationen mit zahlreichen Politikern aus aller Welt ergeben sich bestimmte Schritte, die zum jetzigen Zeitpunkt tech­nisch und politisch durchführbar sind.

Wir schlagen die sofortige Einrichtung einer Internationalen Entwicklungs­bank vor, die sich auf ein dreiseitiges Abkommen zwischen dem industria­lisierten kapitalistischen Sektor, dem sogenannten Entwicklungssektor und den sozialistischen Ländern stützt. Diese Bank wird dazu dienen, Kreditbriefe und Handelswechsel einzulösen, die zwischen Staaten abge­schlossen worden sind und durch die Projekte entsprechend der Verträge der Mitglieder der Internationalen Entwicklungsbank finanziert werden.

Zum Beispiel haben mehrere Entwicklungsländer gefordert, daß der industrialisierte Sektor über drei Aspekte bevorzugt verhandeln soll: Ener­gie, Rohstoffe und Nahrungsmittel. Unsere wesentliche Kritik an dieser For­derung ist, daß sie nur drei und nicht die notwendigen vier Punkte berück­sichtigt. Der vierte Punkt müßte „Entwicklung" lauten. Dieser Punkt wird, wenn er von politischen Kreisen in den Industriestaaten aufgegriffen wird, auf großen Widerhall innerhalb der sogenannten „Dritten Welt" stoßen. Verträge auf der Basis dieser vier Punkte wären dann sofort machbar.

Aufgrund von Studien meiner Mitarbeiter und Diskussionen darüber mit Regierungen und führenden politischen Kräften innerhalb der „Dritten Welt" kann ich mit Sicherheit sagen, daß die internationale Entwicklungs­bank eine höhere industrielle Expansionsrate im entwickelten Sektor be­wirken wird, als es in den steilsten Aufschwungphasen der vergangenen 25 Jahre jemals der Fall war.

Um das vorgeschlagene Programm durchführen zu können, bedarf es einiger Grundeinsichten in die politische Ökonomie. Zugegeben, die Vor­schläge mögen dem Laien oder dem schlecht informierten Fachmann et­was zu technisch erscheinen. Doch, wenn die Grundsätze der Ökonomie nicht berücksichtigt werden, droht uns der Untergang in einem nie dage­wesenen Wirtschaftszusammenbruch.

Als wesentliche Voraussetzung in der Wirtschaftswissenschaft gilt, daß der Produktionsausstoß einen höheren Wert erbringt, als die Eingangs­kosten waren. Die zweite Grundtatsache, ganz wesentlich für unseren Vorschlag, ist, daß jede allgemeine Entwicklung, industrielle Entwicklung eingeschlossen, davon abhängt, inwieweit eine Basis für dieses Wachstum in Form von reichlicher Nahrungsmittelversorgung zu relativ geringen ge­sellschaftlichen Kosten geschaffen wird. Zu dem Maße, wie diese beiden Grundsätze in Praxis und Weiterentwicklung der Technologie beachtet werden, ist es möglich, sehr große Mengen langfristiger Kredite auszu­geben, ohne inflationäre Wirkungen befürchten zu müssen.

Wir betonen noch einmal, eine industrielle Entwicklung und erweiterte Nahrungsmittelproduktion sind absolut unerläßlich. In dem Ausmaß, wie bei der Vergabe von langfristigen Krediten an die Entwicklungsländer die vorrangige Betonung auf das rapide Anwachsen der gesellschaftlichen in­dustriellen Produktivität und der weltweiten Nahrungsmittelproduktion gelegt wird, kann jeder beliebige Kreditbetrag, der für einen Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren ausgegeben wird, letztlich in vermehrten Nah­rungsmitteln, dem gestiegenen Umfang produktiver Arbeit und in der Zu­nahme der gesellschaftlichen Produktivität der menschlichen Arbeit zurückbezahlt werden.

Die Bank wird sich sofort mit einem Problem konfrontiert sehen: Der landwirtschaftliche Ertrag kann in drei Gebieten der Welt enorm gesteigert werden. Eines von ihnen, das Gebiet um den Rio de la Plata in Süd­amerika, kann schon kurzfristig zu einem der wichtigsten landwirtschaft­lich-industriellen Gebiete entwickelt werden. Die beiden anderen, die Sahel-Zone und das Gebiet Indien-Bangladesh-Pakistan, sind potentiell ganz wesentliche Regionen für die Nahrungsmittelerzeugung in der Welt, werden aber noch 10 bis 15 Jahre Erschließung und Entwicklung benöti­gen, bevor sie ihr enormes Überschußpotential erreichen. Wir müssen deshalb für ein Entwicklungsniveau sorgen, das ungefähr einer Viertel Mil­liarde transferabler Rubel jährlich entspricht, die zu niedrigen Zinsen mit sehr langer Laufzeit ausgegeben werden.

Die scheinbaren Schwierigkeiten, unter denen ein solches Programm durchzusetzen ist, sind lösbar. In dem Ausmaß, wie der industrialisierte Sektor große Überschüsse über benötigte Ausgaben zur Reinvestition er­zeugt, kann dieser Teil des Überschusses ohne nachteiligen Effekt für die Wirtschaft als Kredit und Zuschuß vergeben werden. Das einzige wirkli­che Problem liegt darin, das Gesamtniveau der Industrieproduktion auf ei­ne Höhe zu heben, wie sie die erwähnten Projekte erfordern.

Erstens wird, wenn nicht die Bankiers um Rockefeller einen thermonu­klearen Krieg provozieren, die Welt innerhalb kürzester Zeit eine finan­zielle Katastrophe ohne Vorbild erleben. Da, wie alle informierten Beob­achter jetzt erkennen, die Rockefellers und ihre Verbündeten nicht in der Lage sind, kompetente Programme zu entwickeln, um die augenblickliche Situation in den Griff zu bekommen, ist der hier entwickelte Vorschlag die einzige praktikable Alternative für Milliarden von Menschen in ihrem ver­zweifelten Verlangen nach sofortigen und wirksamen Aktionen.

Zweitens werden die Vereinbarungen mit der „Dritten Welt", wie wir sie erwähnt haben, entweder von den wichtigsten Kräften dieses Sektors drin­gend ersehnt, oder aber die überwiegende Mehrheit dieses Sektors wäre bereit, sie zu akzeptieren. Es gibt darüber hinaus für die Regierungen des sozialistischen Sektors keinen Grund, diesen Vorschlag nicht zu begrüßen.