Frankfurt feiert den Dichter der Freiheit
Bei der Frankfurter Schiller-Feier
des Schiller-Instituts am Nikolaustag wurde an das große Schillerfest
von 1859 erinnert.
60 Mitglieder und Gäste des Schiller-Instituts versammelten
sich am 6. Dezember in Frankfurt am Main, um mit einem mehr als dreistündigen
Fest den 250. Geburtstag des großen Dichters Friedrich Schiller zu feiern.
Viele Mitglieder beteiligten sich daran selbst mit musikalischen oder
Rezitationsbeiträgen.
Die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche,
hielt einen Einführungsvortrag über Schillers Menschenbild und dessen Bedeutung
in der heutigen Weltkrise. Sie regte die Zuhörer an, sich gerade in der
gegenwärtigen menschenfeindlichen Kultur mit Poesie zu beschäftigen und
vielleicht sogar selbst Gedichte zu verfassen - auch wenn man weiß, daß man
kein „zweiter Schiller“ ist. Sie trug eine selbstgeschriebene Hommage an
Friedrich Schiller zu seinem 250. Geburtstag vor.
Im Anschluß daran trug der Chor des Schiller-Instituts aus
Wiesbaden zwei wenig bekannte Schiller-Vertonungen vor: die erste Vertonung
überhaupt der berühmten Ode an die Freude, komponiert von Schillers
Freund Gottfried Körner in Dresden, bei dem er wohnte, als er das Gedicht
schrieb, und danach den Kanon „Unendliche Freude“ nach Zeilen aus Schillers
Gedicht Elysium von Franz Schubert.
Dem folgte ein vielfältiger Reigen von klassischer Musik und
Schiller-Gedichten: Die Gunst des Augenblicks, Pegasus im Joche, Die Macht
des Gesanges, Kassandra, Die Worte des Glaubens, Die Bürgschaft und die
dramatische Ballade Die Kraniche des Ibykus. Dies wurde ergänzt durch verschiedene
musikalische Beiträge: einer Arie aus Figaros Hochzeit von Mozart, das
Schubert-Lied Sehnsucht nach Schiller und zwei Terzette für
Männerstimmen nach Schiller, die Franz Schubert schon im Alter von 16 Jahren
komponierte.
Es wurde auch ein weiteres „Geburtstagskind“ geehrt - Felix
Mendelssohn Bartholdy, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Von
ihm erklangen zwei der bekannten Lieder ohne Worte für Klavier solo.
Die Feier 1859
Einen ganz besonderen Beitrag lieferte die Schauspielerin
Gertrud Gilbert, die sich in der lokalen Geschichte bestens auskennt. Sie gab
eine anschauliche und kurzweilige Schilderung der historischen Schillerfeier,
die zum 100. Geburtstag des Dichters am 10. November 1859 in Frankfurt
stattgefunden hatte.
Die Ausmaße und auch die inhaltliche Ausrichtung dieser
Schillerfeier - die nur eine von vielen in Deutschland und im Ausland war -
lassen sich heute kaum mehr vorstellen. Nahezu 50.000 Menschen waren aus der
Umgebung und von weiter her mit der Eisenbahn oder dem Pferdewagen angereist. Der Festzug durch die Innenstadt bestand aus über 6000
Personen, 350 Pferden und 30 Festwagen, die Musik lieferten u.a. 15 Gesangvereine mit 700 Sängern.
Der Hintergrund dieser gewaltigen Feier war die Deutsche
Revolution von 1848, nur ein Jahrzehnt zuvor, mit der es beinahe gelungen war,
ein einheitliches und demokratisches Deutschland zu schaffen. Der Zug führte an
der Paulskirche vorbei, wo das deutsche Parlament getagt hatte.
Schiller verkörperte mit seinen Idealen der Freiheit und
Menschenwürde die Ziele dieser Revolution wie kein zweiter. Die Schillerfeiern
1859 waren damit auch eine politische Demonstration, und sie bildeten den
Ausgangspunkt einer Umkehrung der Restauration, mit der die Revolution leider
geendet hatte. Weitere 12 Jahre später wurde dann das in eine Vielzahl von
Fürstentümern geteilte Deutschland geeinigt, wenn auch die demokratische
Entwicklung zu wünschen übrig ließ.
Die Festwagen des Umzugs 1859 wurden von den verschiedenen
Berufsständen gestaltet, die Meisterwerke ihrer Künste oder Werke mit Bezug zu
Schiller präsentierten. Ein über 20 Meter (!) hohes Holztor bildete den Rahmen
für gemalte Darstellungen von Szenen aus Schillers Werken.
Die Begeisterung der Beteiligten
kommt in einem Gedicht zum Ausdruck, das der Frankfurter Bürger Dr. Jordan
während des Festzugs verfaßte, worin es u.a. heißt:
Dies Fest, dem Volk entquollen,
Es zeigt uns, was wir wollen,
Das können wir zuletzt;
D’rum wird, wie noch kein Kaiser,
Ein Dichterheld und Weiser
Heut’ auf den Thron gesetzt.
Frau Gilbert hatte Farbdarstellungen des Festzuges aus einem
Buch aus dem Jahr 1860 mitgebracht. Dort ist auch das Frankfurter
Schiller-Denkmal von Johannes Dielmann zu sehen. Für die Feier 1859 war nur ein
Gipsmodell verfügbar, wenige Jahre später wurde das eigentliche Monument auf
dem repräsentativsten Platz der Stadt, der Hauptwache, aufgestellt. Gertrud
Gilbert engagiert sich heute in einer Bürgerinitiative, die sich dafür
einsetzt, das Schiller-Denkmal, das derzeit an einem weniger schönen und
zentralen Ort steht, wieder an die Hauptwache zu verlegen. Sie endete ihren
Vortrag mit Schillers Gedicht Die Hoffnung.
Zum krönenden Abschluß des Schillerfestes folgte die
Aufführung der „Ode an die Freude“, dem Schlußsatz aus Ludwig van Beethovens Neunter
Sinfonie. Der eigens aus Berlin angereiste Chor der LaRouche-Jugendbewegung
(LYM), unterstützt von drei Instrumentalmusikern, sang das anspruchsvolle Stück
unter der Leitung von Benjamin Lylloff und begeisterte die Zuhörer.
Im Anschluß an das offizielle Programm wurde noch eine
Stunde lang bei Wein und Gebäck weiter diskutiert und gefeiert. Die allgemeine
Stimmung brachte eine Teilnehmerin zum Ausdruck, die meinte: „Schiller muß mehr
gelesen und gefeiert werden - auch wenn es gerade kein runder Geburtstag ist!“
wh