"Wahrheit ist ewig nur eine, doch siehet sie jeder verschieden.
Daß es eines doch ist, macht das Verschiedene wahr."
Friedrich Schiller

  Januar 2005 Texte

Der Inder Chandrajit Yadav: "Einen echten Dialog der Kulturen beginnen"

"Ach, warum weinst du, Nachtigall?" - Türkische Gedichte aus sieben Jahrhunderten

Moses ist an allem schuld - Jüdische Kulturtage im Zeichen Mendelssohns

Mit tiefsinnigem Humor gegen den "Kampf der Kulturen"

Lessing und der Islam

Das Tor nach Asien steht in Berlin - Bericht von den Asien-Pazifik-Wochen

Ex oriente: Isaak und der weiße Elefant

"Wenn man eine Dattelpalme schüttelt..." - Helga Zepp-LaRouche in der Münchner Hauptmoschee

Kulturaustausch zwischen Griechenland und Zentralasien

Die sogdische Kultur an der Seidenstraße

Goethes West-Östlicher Divan:
Dialog der Kulturen im Jahre 1819

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 12, 2004)

"Götterfunken" in Korea

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 48, 2003)

Frank Hahn: "Das Tor nach Asien steht in Berlin!"

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 40, 2003)

Frank Hahn: Deutschland im Spiegel Indiens"

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 41, 2003)

Helga Zepp-LaRouche: Religion und Freiheit

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 33, 2003)

Helga Zepp-LaRouche: Aufschwung und Frieden

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 29, 2003)

Raimundus Lullus, der Weise von Mallorca

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 5, 2002)

Muriel Mirak-Weißbach: Weltpoesie - Übersetzung als Völkerverständigung

(erschienen in: Ibykus Nr. 3, 2002)

Rede von Helga Zepp-LaRouche (Wahlkampf 2002)

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 30, 2002)

Dialog der Kulturen in Abu Dhabi

(erschienen in: Neue Solidarität Nr. 24/25, 2002)




Ungerechtigkeit in den neuen Bundesländern überwinden

Ausbau der Eurasischen Landbrücke als Friedenspolitik!

Von Helga Zepp-LaRouche,
Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität,
Direktkandidatin für den Bundestag in Berlin-Mitte


Glauben an die Demokratie verloren
Die Gründe für das Ende der DDR

Zwei Alternativen

Liebe Wähler in den neuen Bundesländern!

Das globale Finanzsystem befindet sich heute an dem gleichen Punkt, wo sich die DDR im Oktober 1989 befand: Es ist hoffnungslos bankrott! Ganz Lateinamerika droht das Schicksal Argentiniens, die Unregierbarkeit, Japan stürzt immer tiefer in die Depression. Der Beginn des Dollarkollaps wirft ein Licht auf die hoffnungslose Verschuldung der USA: Mit 31 Billionen (31000 Milliarden) Dollar sind die USA das höchstverschuldete Land der Welt. Gefälschte Bilanzen, Insider Trading, Lug und Trug in den Chefetagen der Großunternehmen - das ganze System der Globalisierung ist von einer fundamentalen Vertrauenskrise erschüttert, die Aktienkurse stürzen in den Keller, Panik herrscht an den Börsen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir albanische Verhältnisse (wie Anfang 1997) im Weltmaßstab haben. War das vorherzusehen? Allerdings!

In den entscheidenden Wochen und Monaten der Wende 1989/90 war das genau die Warnung, die ich damals in vielen Vorträgen zunächst im Osten Deutschlands und dann in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei zum Ausdruck brachte: Wenn man den Fehler beginge, dem bankrotten System des Kommunismus das ebenfalls bankrotte System der "freien" Marktwirtschaft aufzuoktroyieren, würde dies zu einem noch viel dramatischeren Zusammenbruch des Weltfinanz- und Wirtschaftssystems führen. Nur wenn man statt dessen eine Wirtschaftspolitik nach Prinzipien der physischen Ökonomie verwirklichte, könnte ein solcher Zusammenbruch verhindert werden. Wir schlugen damals das Programm des "Produktiven Dreiecks Paris-Berlin-Wien" als Motor für den Aufbau Ost vor. Daß es anders kam, ist unglücklicherweise Geschichte.

Aber wenn es stimmt, daß das ganze Weltfinanzsystem heute genau an dem Punkt angelangt ist, wo sich die DDR im Oktober 1989 befand, kann man sehr wohl auch Lehren aus dieser leider "verlorenen Chance von 1989" ziehen. Auch wenn die Stimmungslage der meisten Menschen in den neuen Bundesländern anders aussieht, bedeuten die unschönen Erfahrungen der vergangenen zwölf Jahre auch, daß die Bürger im Osten viel besser als die im Westen auf das vorbereitet sind, was jetzt kommt. Das mag vielen paradox vorkommen: Gerade weil die Menschen im Osten das Ende eines Systems und danach den Schock der Deindustrialisierung schon einmal erlebt haben, können sie den kommenden Schock besser durchstehen und zu einem positiven Faktor bei der Lösung für ganz Deutschland werden!

Dazu ist es allerdings nötig, die vergangenen Entwicklungen kompromißlos zu durchdenken, und genau dazu soll dieses BüSo-Extra den Anstoß geben. Denn nur wenn man vor der Krise einen Plan zur Lösung hat, kann die Krise auch eine Chance bedeuten!

Glauben an die Demokratie verloren

Tatsache ist, daß ein sehr großer Teil der Bevölkerung in den neuen Bundesländern rund zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung völlig enttäuscht ist. Auffällig dabei ist, daß sich sowohl arbeitslose oder frühpensionierte Wissenschaftler, Facharbeiter, Anwälte, Personen also, die in der einen oder anderen Weise Teil des Systems der DDR waren, als auch Bürgerrechtler, die diesem System innerlich immer kritisch gegenüber gestanden haben, über den Tisch gezogen und in die Ecke gedrängt fühlen. Viele haben sich in eine Art innere Emigration zurückgezogen. So gut wie niemand sehnt sich nach der DDR zurück, trotzdem empfinden viele, daß sich ihre Lage verschlechtert hat: also keine Nostalgie für die DDR, sondern eher das Verlangen nach Gerechtigkeit.

Einige der Älteren hadern mit ihrem Schicksal, das sie von einer Diktatur in die nächste und dann ins Abseits befördert hat, andere haben angesichts der als skrupellos empfundenen Westübernahme aller Bereiche des Lebens jeden Glauben an die Demokratie verloren. Junge Leute gehen scharenweise in den Westen, das Wort aus DDR-Zeiten vom "Rübermachen" ist wieder modern.

Es fehlt vielen Leuten im Westen einfach die Sensibilität nachzuvollziehen, als wie verletzend man es in den neuen Bundesländern empfunden hat, wenn Politiker wie Rexrodt und Lambsdorff kaltschnäuzig urteilten, die ganze DDR sei doch am Ende nur ein Schrotthaufen und völlig marode gewesen. Oder wenn etwa Lothar Späth im Jahre 2001 gegenüber der Zeitschrift Superillu feststellte: "Das ist ein brutales Schicksal, daß eine ganze Generation chancenlos geblieben ist. Aber es hätte keine andere Möglichkeit gegeben." Dieser Unwahrheit fügt Späth dann noch hinzu: "Manchmal ist zerstörerische Kreativität hilfreich - damit auf den Trümmern des Alten Neues aufgebaut werden kann."

Die Gründe für das Ende der DDR

Wenn man den Zustand der DDR am Ende ihrer Existenz richtig beurteilen will, müssen eine ganze Reihe von Faktoren berücksichtigt werden. Der offensichtlichste ist, daß die Bedingungen in beiden deutschen Staaten von den jeweiligen Besatzungsmächten bestimmt wurden. Dies galt für die Bundesrepublik ebenso wie für die DDR. Und innerhalb dieser Rahmenbedingung war die Bevölkerung der DDR trotz der kommunistischen Planwirtschaft relativ produktiv, denn der Beitrag der DDR im Rahmen des Ostblock-Wirtschaftssystems war erheblich. Natürlich hatte diese Konstellation beträchtliche Auswirkungen auf die Versorgungslage in der DDR, die Infrastruktur etc.

Um die Gründe für den Zusammenbruch der DDR richtig zu verstehen, ist es unerläßlich zu berücksichtigen, daß mein Ehemann, der amerikanische Politiker und Ökonom Lyndon LaRouche, und zwar weit und breit als einziger, bereits im Februar 1983 darauf hingewiesen hat, daß die Sowjetunion bei einer Fortsetzung ihrer damals am "Ogarkow-Plan" orientierten Politik in etwa fünf Jahren kollabieren würde. Wie sich herausgestellt hat, sollte es kaum mehr als sechs Jahre dauern.

Man sollte sich auch daran erinnern, daß niemand in der Bundesrepublik den Kollaps der DDR als Teil des Warschauer Paktes vorhergesehen hat. Die Regierung Kohl hatte nach ihren eigenen Veröffentlichungen noch im November 1989 keinen Plan für die Eventualität des Falls der Mauer. Und in der SPD war es üblich, von der Wiedervereinigung als "Jahrhundertlüge" zu sprechen. LaRouche hingegen sprach bereits im Oktober 1988 auf einer Pressekonferenz im Berliner Hotel Kempinski vom vorgezeichneten Kollaps des Warschauer Paktes. Er schlug damals die baldige Wiedervereinigung Deutschlands mit Berlin als Hauptstadt vor. Wenn man verstehen will, was mit der DDR geschehen ist, muß man die Frage beantworten, warum LaRouche - und sonst eben niemand - diese Entwicklungen richtig prognostizieren konnte. Der einzige, der ähnliche Vorschläge zur wirtschaftlichen Entwicklung Osteuropas, insbesondere Polens machte, war der damalige Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, der im November 1989 ermordet wurde.

Lyndon LaRouche schlug damals das Programm des "Produktiven Dreiecks Paris-Berlin-Wien" vor. Es war die Idee, die nun nicht mehr durch die Mauer getrennten Wirtschaftszentren Europas zu verbinden und den Osten durch sogenannte Entwicklungskorridore auf ein modernes westliches Niveau zu bringen. Dabei sollten die industriellen Kapazitäten des Ostens - die zwar vom Standpunkt des Weltmarktes nicht konkurrenzfähig waren, aber wertvolle Industrieanlagen darstellten (über die z.B. alle Entwicklungsländer froh wären, wenn sie so etwas hätten) - für den Ausbau der Infrastruktur genutzt werden. Die Industrieanlagen hätten Schritt für Schritt modernisiert und erst dann abgebaut werden können, wenn sie tatsächlich "aufgebraucht" und durch modernere Anlagen ersetzt worden wären.

Bereits im Januar 1990 legten wir eine erste Studie zu diesem Programm vor, das anschließend in einer Auflage von mehreren hunderttausend Kopien vertrieben und auf vielen Seminaren und Konferenzen vorgestellt wurde. Bundeskanzler Kohl, alle Minister, eine große Anzahl von Bundestagsabgeordneten und die Vorstände zahlreicher Unternehmen hatten dieses Programm auf ihrem Schreibtisch. Daher ist es einfach nicht wahr, wenn Lothar Späth behauptet, es hätte keine andere Möglichkeit gegeben!

Der Grund, warum der Aufbau Ost sabotiert wurde, war ein ganz anderer. Er lag letztlich in der Kapitulation der Regierung Kohl vor den geopolitischen Manipulationen von Margaret Thatcher, François Mitterrand und George Bush. Frau Thatcher versuchte zunächst, die Wiedervereinigung mit allen Mitteln zu verhindern, lancierte die perfide Kampagne gegen Deutschland als angebliches "Viertes Reich" und unternahm gleichzeitig alles, um George Bush in seinen Plänen zu bestärken, durch den Golfkrieg dem wiedervereinigten Deutschland seine historische Rolle beim Aufbau des Ostens zu nehmen.

Die vor allem von Mitterrand forcierte Währungsunion und der Maastrichter Vertrag taten ein übriges, um die deutsche Wirtschaft zu schwächen: "Einbindung durch Selbsteindämmung" hieß das politische Konzept.

Nach dem Kollaps der Sowjetunion gewannen in den USA leider jene Kräfte mehr und mehr die Oberhand, die der einzig verbliebenen Supermacht den Status eines neuen Weltreichs geben wollten, eine Tendenz, die sich während der Clinton-Jahre zwar etwas abschwächte, sich jetzt aber wieder durchgesetzt hat. Ein führender Vertreter dieses neuen Weltreichs ist seit vielen Jahrzehnten der üble Samuel Huntington, dessen geopolitische Wahnvorstellungen viel zum wirtschaftlichen Kahlschlag Ost beigetragen haben. So schrieb er 1991 in der Zeitschrift Survival des Londoner International Institute of Strategic Studies, daß es eines der vordringlichsten strategischen Interessen Amerikas sei, "zu verhindern, daß sich eine politisch-militärische Hegemonialmacht in Eurasien herausbildet" (siehe auch nebenstehenden Kasten).

Huntington war und ist ein amerikanischer Tory und Verfechter der Idee, daß die Welt von einem anglo-amerikanischen Weltreich beherrscht werden müsse. Von seinem Standpunkt war der osteuropäische Wirtschaftsaufbau im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung die neue Bedrohung und als Gegenmaßnahme forderte er die maximale Beschränkung der nationalen Souveränität Deutschlands und seine Kontrolle durch anglo-amerikanisch dominierte supranationale Organisationen.

Zwei Alternativen

Vor diesem Hintergrund muß die Frage des Cui bono? der so perfekt in diese Strategie passende Morde an Alfred Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder gesehen werden. Ihre Nachfolger hatten mit dem Aufbau Ost nichts mehr im Sinn, und unter der Regie von Frau Breuel vollzog sich durch die Treuhand in zwei bis drei Jahren ein Industrieabbau in den neuen Bundesländern, wie er dem Morgenthauplan entsprach. Daß es dabei auch viele große und kleine Gauner gab, die sich die Taschen vollstopften, ist unbenommen, aber die geopolitische Weichenstellung war das Entscheidende. Wie sonst hätte aus der Wiedervereinigung der stärksten Wirtschaftsnation Westeuropas und der stärksten Wirtschaftsnation des Comecon ein nicht nur für die neuen Bundesländer, sondern ein für ganz Deutschland so enttäuschendes Ergebnis herauskommen können?

Jetzt sind wir genau an dem Punkt angelangt, vor dem ich 1989/90 gewarnt habe: Das gesamte System der "freien" Marktwirtschaft ist in der Endphase seines Kollapses; für die Globalisierer ist es Oktober 1989!

Es gibt jetzt nur zwei mögliche Entwicklungen: Entweder kommt es sehr bald, wahrscheinlich schon im September, zu einem großen Nahostkrieg mit unkalkulierbaren Konsequenzen, weil sich in den USA Leute vom Schlage Huntingtons durchsetzen, die meinen, nur durch einen Krieg der Zivilisationen vom Zusammenbruch des Finanzsystems ablenken zu können. So laufen die militärischen Vorbereitungen für einen Schlag der USA gegen den Irak auf vollen Touren. Allerdings wächst dagegen international und in den USA selbst der Widerstand, weil eine ganze Reihe von Establishment-Leuten verstanden haben, daß ein solcher Kurs irreparabel in die große Katastrophe führt.

Oder es kommt zum einzig positiven Ausweg, und das ist die Lösung, die LaRouche seit langem vorschlägt. Dafür gibt es weltweit immer mehr Unterstützung, in Rußland, China, Indien, Iran, der arabischen Welt, Iberoamerika und Afrika.

Das ist auch das Programm der BüSo:

1. Grundlegende Reorganisation des hoffnungslos bankrotten Weltfinanzsystems durch ein Neues Bretton Woods. Das heißt: Streichung der meisten Schulden, Streichung der Derivatkontrakte, feste Wechselkurse und eine "Kreditanstalt für Wiederaufbau" für jedes Land.

2. Ausbau der Eurasischen Landbrücke, gewissermaßen als eurasische Verlängerung des "Produktiven Dreiecks Paris-Berlin-Wien".

3. Dialog der Kulturen statt Krieg der Zivilisationen.

Für die neuen Bundesländer gibt es nur Hoffnung auf Besserung, wenn die Eurasische Landbrücke ausgebaut wird und die naturgegebene Orientierung nach Osten wieder auflebt. Die Länder Asiens werden noch auf geraume Zeit die wissenschaftliche und technologische Fachkompetenz brauchen, wie sie eben auch in den neuen Bundesländern noch vorhanden ist. Auch wenn dort die Industrie weitgehend zerstört ist, sie kann wieder neu aufgebaut werden! Fachkompetenz ist vorhanden bei Vorruheständlern, bei Arbeitslosen, bei den "Gastarbeitern" in den Altbundesländern, an den Fachhochschulen. Diese brachliegenden Ressourcen werden dringend gebraucht, wenn das volkswirtschaftliche Potential der Nationen Eurasiens und darüber hinaus der Entwicklungsländer verwirklicht werden soll.

Liebe Wähler in den neuen Bundesländern, ich möchte Ihnen Mut machen. Es gibt eine Perspektive für die Zeit nach dem Finanzkrach! Ich weiß, viele von Ihnen haben sehr viel mitmachen müssen, aber wenn man es positiv betrachtet, geben diese Erfahrungen einem auch sehr viel Lebensweisheit. Wenn Sie diese Erfahrungen heute mit dem gleichen Humor verbinden, den viele von Ihnen nicht zuletzt 1989 bewiesen haben, dann können Sie besser als irgendjemand die kommende Krise zur Chance werden lassen!

Und Sie haben in besonderer Weise die große kulturelle und wissenschaftliche Tradition von Bach, Händel, Schumann, Leibniz und Schiller, von Weimar und Freiberg, um nur einige große Namen herauszugreifen. Hier findet man die Kraft, die man in schwierigen Situationen braucht!

Helfen Sie in diesem Wahlkampf aktiv und am 22. September mit Ihrer Stimme, daß die BüSo die Politik in diesem Land mitgestalten kann, und alles kann gut werden!

Ihre Helga Zepp-LaRouche

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LaRouche in Abu Dhabi

Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Lyndon LaRouche hielt die Hauptrede auf einer hochkarätigen Erdölkonferenz.


Das Zayed-Zentrum
Ein optimistischer Ton

Prognosen für die Ölnachfrage

Öl aus der Sicht Scheich Zayeds


Am 2. und 3. Juni versammelten sich in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), über hundert Regierungsvertreter und andere Führungspersönlichkeiten aus arabischen erdölproduzierenden Ländern zu einer Konferenz des Zayed-Zentrums für Koordinierung und Abverfolgung über "Die Rolle von Erdöl und Erdgas in der Weltpolitik". Die Hauptrede hielt jedoch kein Araber, sondern der amerikanische Präsidentschaftskandidat Lyndon LaRouche.

Lyndon
Lyndon LaRouche (Mitte) auf der Konferenz in Abu Dhabi mit dem Erdölminister der Vereinigten Arabischen Emirate Obeid bin Saif Al Nasiri (rechts) und dem Exekutivdirektor des Zayed-Zentrums für Koordinierung und Abverfolgung, Mohammad Khalifa Al Murrar.


Dies spiegelt den wachsenden Einfluß von LaRouches Ideen in der arabischen und islamischen Welt insbesondere seit den dramatischen Ereignissen des 11. September wider. Während man das offizielle Washington argwöhnisch betrachtet und die politischen Vorstöße in dem sogenannten "Krieg gegen den Terrorismus" noch mehr Furcht und Mißtrauen hervorrufen, gilt LaRouche als vertrauenswürdiger Gesprächspartner, dessen politische Alternativen das wahre Interesse nicht nur der arabischen und islamischen Welt, sondern auch der Vereinigten Staaten darstellen.

Diese Sichtweise hat gute Gründe. Seit dem 11. September werden Araber und Moslems auf der ganzen Welt als Terroristen und viele ihrer Nationen als "Terrorismusunterstützer" verfolgt. Unter den erdölproduzierenden Nationen am Persischen Golf wird der Ölriese Saudi-Arabien besonders massiv angegriffen. Zwei andere Ölländer, Iran und Irak, wurden zu Teilen einer frei erfundenen "Achse des Bösen" erklärt. Gleichzeitig drängten die Hintermänner des 11. September die Regierung Bush zur Unterstützung des israelischen Vernichtungskrieges gegen die Palästinenser, der den Startschuß zum weltweiten "Kampf der Kulturen" mit einem Weltkrieg gegen den Islam bilden soll - das wahre Ziel der Attacken des 11. September.

Unter dem Vorwand des "Kriegs gegen Terrorismus" haben die anglo-amerikanischen Möchtegern-Weltkaiser ihre Militärpräsenz auch auf andere rohstoffreiche Regionen ausgedehnt, besonders Zentralasien und den Kaukasus, und melden ihren Anspruch auf die Rohstoffe an. Regierungsnahe Denkfabriken in England und Amerika spielen ganz offen mit dem Szenario, daß man nach "vorbeugenden" Angriffen auf den Irak und/oder den Iran, wenn die ganze Region in Flammen aufgeht, die weitere Erdölversorgung sichern sollte, indem man einfach die saudischen Ölfelder militärisch besetzt. Alternative Szenarien sehen vor, daß die USA, wenn die Region durch einen von Israels starkem Mann Ariel Scharon begonnenen Krieg in ein Schlacht- und Trümmerfeld verwandelt ist, diesen Teil der Welt einfach ganz aufgeben und sich ihre Energierohstoffe aus den Nationen der ehemaligen Sowjetunion besorgen. Das Energieabkommen, das die Präsidenten Bush und Putin gerade auf ihrem Gipfeltreffen unterzeichneten, stärkt die Besorgnis, daß Washington in diese Richtung gehen möchte.

Wenn die Erdölnationen des Nahen und Mittleren Ostens ihre Region für ein lebensgefährliches Pulverfaß halten, ist das also alles andere als aus der Luft gegriffen. Die Angst der Regierungen, angesichts israelischer Aggressionen und Androhung direkter militärischer Gewalt der USA destabilisiert zu werden, ist wohlbegründet. In diesem Kontext muß man die Konferenz in Abu Dhabi betrachten.

Das Zayed-Zentrum

Der Konferenzveranstalter, das Zayed-Zentrum für Koordinierung und Abverfolgung (ZCCF), ist ein wichtiges Forum für Gespräche zwischen arabischen Nationen sowie zwischen arabischen und anderen Nationen. Es wurde 1997 auf Initiative von Scheich Zayed gegründet und bietet ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit regelmäßigen Vorträgen und internationalen Konferenzen. (Die Internetseite des Zentrums www.zccf.org.ae ist auch auf englisch verfügbar.) Der Schirmherr und Vorsitzende des Zentrums ist, wie der Name sagt, Scheich Sultan Bin Zayed Al Nahyan, der stellvertretende Ministerpräsident des Landes (und Sohn des Staatspräsidenten). Er hatte auch den Vorsitz bei der ersten Konferenzsitzung, auf der LaRouche redete.

Das Zayed-Zentrum ist auch eine offizielle Organisation der Arabischen Liga und gilt für führende arabische Nationen als intellektuell und politisch wegweisender Sammelpunkt. Noch kurz vor der Konferenz lobte der saudische Außenminister Prinz Saud Al Faisal die Arbeit des Zentrums und "drückte seine Wertschätzung darüber aus, wie das ZCCF zur Beschäftigung mit Fragen der arabischen Welt... und der Entwicklung eines Konzepts zur Integration und Einheit der arabischen und islamischen Welt beiträgt." Er hoffe, fuhr er fort, daß die Zusammenarbeit des ZCCF mit dem saudischen Außenministerium ausgeweitet werde, "um auf diese Weise den Dialog zwischen den arabischen Ländern und der Welt zu fördern."

In Presseerklärungen des Zentrums an die arabischen Medien im Vorfeld der Konferenz wird betont: "Dies soll kein interarabischer Dialog sein, sondern... ein arabischer Dialog mit allen in der Welt, die an den Fragen und der Zukunft der arabischen Welt interessiert sind." Weiter heißt es, die Konferenz sei "eine geeignete Gelegenheit für die Teilnahme des wichtigen amerikanischen Politikers und Präsidentschaftskandidaten bei früheren und kommenden Wahlen, Lyndon LaRouche... Er wurde eingeladen... als Würdigung von LaRouches positiver Haltung zu den Anliegen der arabischen Nation und gerechten Sachen in allen Teilen der Welt allgemein."

Ein optimistischer Ton

Der Exekutivdirektor des ZCCF, Mohammed Khalifa Al Murar, begrüßte LaRouche im Namen des Vorsitzenden der ersten Konferenzsitzung, Scheich Sultan Bin Zayed Al Nahyan. Khalifa Al Murar sagte, LaRouche zeichne sich durch eine "kritische Vision in den USA und weltweit" aus; er lebe "die Politik als menschliches Denken" und habe sich seine "Integrität und Ehrlichkeit" bewahrt.

LaRouche betonte, der Nahe Osten sei die traditionelle Schnittstelle zwischen den asiatischen und afrikanischen Zivilisationen und in der heutigen Politik eine Wegkreuzung von strategischer Bedeutung (die gesamte Rede können Sie auf Seite 8 nachlesen). Erdöl werde auch in der Zukunft eine außerordentlich wichtige Energiequelle bleiben, und die Vorstellung, das Öl der Golfregion durch Öl aus anderen Regionen ersetzen zu können, sei unrealistisch. Doch es sei wichtig, daß die Ölländer am Golf ihre Region aus einer größeren geographischen und strategischen Perspektive betrachten: Notwendig sei vor allem die Entwicklung ausreichender Wasserversorgung, weil ohne diese Frieden und somit auch Stabilität in der Region unmöglich sei. Man müsse die Öleinnahmen zur Entwicklung der Infrastruktur einsetzen, um so die Grundlage für die Industrialisierung der Volkswirtschaften dieses Teils der Welt zu schaffen.

In diesem Zusammenhang stellte LaRouche den Plan der Eurasischen Landbrücke vor. Dabei gehe es nicht nur um die Verkehrswege, Stromleitungen, Kommunikationslinien etc., die den ganzen Kontinent durchqueren. Entscheidend sei, daß entlang dieser Hauptstrecken der Landbrücke Entwicklungskorridore entstehen werden, die wirtschaftliche Verbesserungen und Wohlstand bringen.

LaRouches Rede wurde sehr positiv aufgenommen, weil damit - wie er selbst sagte - in ein sonst sehr düsteres Bild ein dringend notwendiger optimistischer Ton hineinkam. Tatsächlich zeigten viele Redner über den unsicheren Ölpreis und die Tendenz besonders der amerikanischen Politik sehr besorgt, andere Regionen der Welt als Öllieferanten ins Auge zu fassen. Wiederholt wurde klar, daß man die Position der Golfregion als Hauptöllieferant unbedingt halten will.

Der Rohstoffminister der VAE, Obaid Bin Saif Al Nasseri, erinnerte daran, daß die Öl- und Gasvorkommen der Region die größten der Welt sind, und sagte, sie sollten noch auf Jahrzehnte hinaus der Welt Energie liefern. Allerdings stünden verschiedene Faktoren, wie dem arabisch-israelische Konflikt, Investitionen in der Region im Wege und erhöhten die Instabilität. Der gegenwärtig niedrige Ölpreis sei darauf zurückzuführen, daß Rußland sein Abkommen mit der OPEC gebrochen habe, und es sei zu hoffen, daß Rußland mit der OPEC und anderen Produzenten zusammenarbeiten werde, um den Markt zu stabilisieren.

Prognosen für die Ölnachfrage

Ein wichtiger Aspekt der Konferenz war auch, daß Illusionen über das Potential der Kaspischen Region als Öllieferant zerstört wurden. Der Vorsitzende des saudischen Zentrums für Energie- und Strategiestudien des Arabischen Golfs, Eid Bin Masoud Al Jahni, sprach über "Die Bedeutung der Länder des GCC [Golf-Kooperationsrats] für den Weltölmarkt". Die Golfregion verfüge über 60 Prozent der Welterdölvorkommen, so Al Jahni, und sei deshalb der wichtigste Lieferant für die USA und die anderen Industrieländer. Die Region stelle 40 Prozent der Erdölexporte der Welt, und die USA bezögen 51,9 Prozent ihres Öls von dort. Mindestens bis zum Jahr 2008 werde die Abhängigkeit der Welt - wichtig dabei vor allem China - vom Öl der Region noch zunehmen.

Nach dem Bericht der Internationalen Energiebehörde IEA für 1999 erreichte die weltweite Nachfrage im ersten Quartal 1999 insgesamt 74,9 Millionen Barrel/Tag (bpd), und bis 2020 werde sie auf 115 Mio. bpd ansteigen. Das amerikanische Energieministerium kam bei Schätzungen 1999 und 2000 sogar auf einen Bedarf von 117,4 Mio. bpd für 2020.

Für die OPEC werde, so Dr. Al Jahni, die weltweite Nachfrage von 1997 bis 2020 um durchschnittlich 1,3 Prozent jährlich auf 99 Mio. bpd steigen. Auch PEL (Petroleum Economic Limited) und EIA (Energy Information Administration) hätten bestätigt, daß das OPEC-Öl zwischen 1998 und 2020 der Hauptlieferant der Welt bleiben wird. 2020 werden Saudi-Arabien, VAE, Kuwait, Irak, Iran und Venezuela 42 Prozent der Weltnachfrage befriedigen, und 88 Prozent des OPEC-Öls stammt aus der Golfregion. Die Bedeutung der Region wird laut Dr. Al Jahni dank der Ölreserven und der geographischen Lage als wichtiger Schiffahrtsweg sogar noch zunehmen.

In der Diskussion stellte Dr. Al Jahni dann hinsichtlich der Vorkommen am Kaspischen Meer die Dimensionen richtig. Die Ölvorkommen dort lägen nach bisherigen Erkenntnissen maximal bei 40-50 Mrd. Barrel, antwortete er auf eine Frage. Das sei weniger als die Reserven des Ölfelds Zakum in den VAE und weniger als die Hälfte des Ölfelds Gawar in Saudi-Arabien. Und selbst wenn die von den USA behaupteten höheren Zahlen zutreffen sollten, müsse man dann noch andere, u.a. politische, geographische, wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen. So könne der Preis dieses Öls aufgrund der viel höheren Pipelinekosten um 5-6 Dollar je Barrel über dem herkömmlichen liegen. Man brauche neuartige Spezialtanker. Weil das Kaspische Meer ein Binnenmeer sei, müßten die Pipelines am Bosporus durch türkische Gewässer gelegt werden, womit noch politische Probleme wie russisch-türkische Auseinandersetzungen hinzukämen. Al Jahnis Fazit: Das kaspische Öl könne mit dem Golföl - das rund 45 Prozent des Welterdöls ausmacht - nicht ernsthaft konkurrieren.

Öl aus der Sicht Scheich Zayeds

Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten für viele rohstoffreiche Entwicklungsländer zu Recht als Modell dafür, wie man die Einnahmen aus dem Rohstoffexport erfolgreich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Nation einsetzt. Auf der Konferenz wurde in dem Vortrag "Öl aus der Sicht Scheich Zayeds" dargelegt, mit welcher Vision der Präsident der VAE, Scheich Zayed Bin Sultan Al Nahyan, den Aufbau der Nation betrieben hat.

Scheich Zayed, der eigentliche Staatsgründer der VAE und seit 1966 ihr Präsident, sah im Erdöl ein "von Gott gegebenes Mittel", um den wahren Reichtum der Nation, ihre Menschen, zu entwickeln. Deshalb ließ er die Öleinnahmen in Vorhaben im öffentlichen Interesse investieren: zunächst Verkehr, Energie, Gesundheit und Bildung als erste Stufe, dann Förderung von Landwirtschaft und Industrie als Vorbereitung auf die Ära "nach dem Öl". Gleichzeitig wird auch in die Entwicklung anderer Länder investiert.

Scheich Zayeds Vorstellung von Reichtum und Wohlstand ist bekanntermaßen das Gegenteil der Vorstellung in der liberal-monetaristischen Freihandelslehre. "Geld ist bedeutungslos ohne nationale menschliche Ressourcen, die qualifiziert und fähig sind, das Land aufzubauen", sagt er. Weiter hieß es in der Zusammenfassung: "Wir sollten unser Land mit Bildung und Kultur aufbauen und sollten die neue Generation ausbilden, denn Bildung ist in sich selbst schon Reichtum... Der Ölreichtum wird verwendet, um verschiedene Quellen des Reichtums hervorzubringen. Die erste ist Kultur und Wissenschaft, die zweite Landwirtschaft... die dritte ist Industrie, die klein anfangen wird und dann mit Gottes Hilfe ausgeweitet wird, bis wir Fabriken unterschiedlicher Größe haben. Die Produktion unserer landwirtschaftlichen und industriellen Projekte wird dem Ausmaß des Wissens entsprechen, welches unsere Söhne und Töchter erwerben... Das ist für mich die dauerhafteste Quelle des Wohlstands."

Muriel Mirak-Weißbach


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